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Christiane IV

Die Trauerfeier für Christiane lief wunderschön ab.
Kann man bei einer Trauerfeier überhaupt von „schön“ sprechen? Aber sicher! Es gibt Hochzeiten und Taufen, die einfach nur bescheuert ablaufen und genauso gut gibt es auch weniger angenehme Feiern, die schön ablaufen können.

Der ursprünglich eingeplante Trauerredner konnte leider nicht kommen, ein Herzleiden zwingt ihn zum Kürzertreten und so fiel es mir zu, die kurze Trauerrede zu halten. Das ist kein Problem für mich, theoretisch könnte ich sowas aus dem Stegreif und habe das auch schon ein paar Mal gemacht, doch davon erzähle ich ein anderes Mal. Es war der Wunsch von Tobias, daß kein unnötiges Geschwätz gemacht wird und so beschränkte ich mich auf einige Zitate, eine schöne Bibelstelle und gab das wieder, was man mir über Christiane erzählt hatte.

Dabei hielt ich den Blick etwas weiter nach hinten ins Publikum gerichtet und schaute nur ein paar Mal kurz in die erste Reihe, dort saß Tobias mit den beiden Kindern.

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Die langweilten sich ganz offensichtlich, was aber nicht an mir oder der Veranstaltung an sich lag, sondern daran, daß sie sich völlig fehl am Platze fühlten. Tobias hatte zwar vorher mit ihnen über alles gesprochen, aber er ist ja selbst ziemlich „von der Rolle“.
Lisa ist drei und Benny ist fünf, wie bindet man so kleine Kinder in eine Trauerfeier ein?

Ich hatte mir überlegt, daß Kinder immer gerne mit Feuer spielen und deshalb vorher kurz mit Tobias, Lisa und Benny gesprochen. Die Trauerfeier beginnt mit leiser Musik, danach meine erste kurze Ansprache. Noch langweilten die Kinder sich, schon die Zeit bis alle saßen und die ganzen Verwandten und Freunde sich begrüßt hatten, hatte ihnen zu lange gedauert.
Danach folgt das erste Musikstück, nur ein kleiner Spot beleuchtete den Sarg in der sonst abgedunkelten Trauerhalle, wir blendeten mit dem Diaprojektor ein Standbild von Christiane auf der Wand hinter dem Sarg ein. Keine Leinwand, nur die leicht wogenden Vorhänge, das schien dem Bild etwas Bewegung zu geben. Es zeigte eine fröhliche, gutaussehende Frau.
Leise Musik von R.E.M. (Man on the Moon) und Tobias entzündete zwei Dochte und ich begleite ihn und die Kinder zum Sarg wo wir gemeinsam mit den Dochten die acht dicken Kerzen ansteckten. Tobias und Benny die vier auf der rechten Seite und die kleine Lisa und ich die vier auf der linken.
Lisa fand das lustig und blies die Kerzen immer gleich wieder aus, ich mußte sie auf den Boden setzen, damit ich endlich die Kerzen anstecken konnte.

Das Dia wurde ausgeblendet, etwas mehr Licht im Raum gemacht und eine Freundin von Christiane kam nach vorne und las einen Absatz aus einem Gedicht vor. Danach sang der Chor, in dem Christiane Mitglied war. Es war ein Gospelchor, alle trugen schöne lange dunkelblaue Gewänder mit schwarzen Streifen aus Samt. Das Lied kannte ich nicht, aber es war sehr schön und getragen, hat mir gut gefallen.

Normalerweise wäre es dann an der Zeit gewesen, daß ich eine längere Traueransprache gehalten hätte, doch dazu kam es nicht. Völlig unerwartet stand nämlich Tobias auf, fingerte einen winzigen zusammengefalteten Zettel aus seiner Jackentasche und wandte sich an die Trauergemeinde. Vier, fünf Sätze, mehr waren es kaum und sie endeten: „…denn nur wenn ihr eines Tages aufhört an Christiane zu denken, ist sie wirklich tot.“

Mit Tränen in den Augen setze er sich wieder und drückte die Kinder an sich. Alle Anwesenden waren sehr ergriffen, doch glücklicherweise reagierte Antonia sofort auf die Programmänderung und schob von sich aus ein kurzes Musikstück von CD ein, das half mit, zu entspannen.

Kurze Worte des Abschieds, Staub zu Staub, Asche zu Asche, Manni und Sebastian schoben den Sarg langsam durch die Flügeltür an der Seite hinaus, während die ganze Trauergemeinde der Verstorbenen stehend die letzte Ehre erwies.

Noch einmal sang der Chor und ich begleitete die Großeltern, die Eltern und Tobias mit den Kindern durch den Mittelgang nach hinten. Tobias und seine Schwiegermutter hatten darum gebeten, einen Weg zu finden, der ihnen das Händeschütteln ersparte. In einem Nebenraum bei einem Glas Wasser harrten sie aus, während Christianes Vater tapfer die Kondolenzwünsche der Trauergäste entgegennahm.

Anschließend gingen alle gemeinsam ins AWO-Heim, um dort Kaffee und Kuchen einzunehmen. Man hatte auch mich und meine Leute eingeladen, doch wir mußten schauen, daß wir die Stunde bis zur nächsten Trauerfeier nutzten, um die Halle komplett durchzusaugen, die Blumen auszutauschen und alles wieder picobello hinzubekommen.

Die Blumen für Christiane brachten wir am Nachmittag zum Ehrenmal auf dem Westfriedhof. Die Säule dort steht für die Opfer der beiden letzten Kriege sowie für alle Namenlosen. Manch einer wundert sich, warum da immer frische Kränze und Blumen liegen, es sind die Blumen derjenigen, die (jetzt noch) kein Grab bekommen und bei denen man sonst nicht weiß wohin damit.
Eine besonders schön bepflanzte Schale hatte ich an die Seite gestellt. Die habe ich später Christianes Vater gegeben, die Sachen kann er noch in den Garten pflanzen, es wäre zu schade gewesen.

Wie wird es weitergehen? Nun, ganz klar, der Sarg kam ins Krematorium und wurde vier Tage später eingeäschert. Nun wartet dort die Urne auf ihre weitere Verwendung.

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