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Da hab ich dann echt auch keine Lust mehr

Einer kontaktiert mich und will unbedingt was mit mir machen. Was Tolles, mit Radio und so. Klasse! Vielleicht hat er meine Podcasts gehört und findet die gut. Ich mache die ja als Laie und aus purer Lust am Quatschen.
Ich freue mich, ich plane, mache mir Gedanken, schreibe ein Konzept und harre der Dinge, die da kommen.

Eine ruft mich an und will mich buchen. Ja, man kann mich buchen. Ich lese aus meinen Büchern vor, halte Vorträge und für Geld sag ich auch, dass Hopi-Ohrenkerzen toll sind1.
Termin und Ort werden geklärt. Ich bereite mich vor. Telefonate folgen. Ob ich denn auch lustig könnte, es wären viele Ältere im Publikum, und da sei Tod und Trauer nicht angebracht. Also bitte etwas lustig sein.
Klar, mach ich, kann ich, bin sowieso immer lustig.
Ich verschiebe was anderes, suche mir ein Hotel in der Nähe, plane meine Fahrt und bringe sogar den Anzug in die Reinigung. Ich freue mich.

Einer ruft an. Er sei vom Fernsehen. Tolle Talkshow, Bestatterthema, da kommt man an mir ja nicht vorbei, meint er. Termin und Ort stehen. Er ruft nochmal an, ein schönes Interview folgt, damit er hören kann, ob ich eloquent genug bin und das Thema gut rüberbringen kann. Alles sei klar, er melde sich dann wegen der Einzelheiten.

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Eine Bestatterin ruft an. Unbedingt noch einen Termin dazwischen schieben, sie haben Jubiläum und noch keinen first act. Nun liegt mein first act ja schon ziemlich lange zurück, Karin hieß sie, aber ich habe es immer noch drauf.
Die Allerliebste holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück und vertreibt den Neandertaler aus meinem Kopf. Buchlesen soll ich da und eine Laudatio auf den fast 100jährigen Seniorchef halten. Ich buche mir eine Pension.

So.

Der vom Radio hat sich nie wieder gemeldet. Auch auf Nachfrage kommt da keine Antwort.
Ich gehe kritisch mit mir ins Gericht. Habe ich was falsch gemacht? Aber auch nach langem Grübeln komme ich nur zu dem Schluß, dass ich mich super verhalten und klasse kommuniziert habe.

Die, die mich lustig haben wollte, schreibt mir ne Mail: Wegen des Ukraine-Krieges könne man jetzt unmöglich einen lustigen Onkel bringen. Lieber was Ernsthaftes. Da tanzen jetzt Frauen von der Ukraine-Willkommensgruppe, oder so.

Der Fernsehmann meldet sich nicht mehr. Der Termin für die Absprache der Einzelheiten ist längst verstrichen. Ich hake auch das als erledigt ab.

Die Bestatterin? Nun, die hatte gemeint: „Geld spielt bei uns doch keine Rolle, Herr Wilhelm!“ Ich soll 500 Kilometer fahren, eine Nacht übernachten, anderthalb bis zwei Stunden auftreten und 500 Kilometer zurückfahren. Dafür will ich 500 Euro.
Leider habe ich nur das dicke Auto, das nunmal schlappe 14-15 Liter braucht. Bei 1.000 Kilometern sind das 10 mal diese 15 Liter mal rund 2 Euro = 300 Euro Spritkosten. Bleiben mir 200 Euro für zwei Tage Unterwegssein, von denen ich auch noch 80 Euro fürs Hotel abdrücken müsste.
Nee, das geht ja gar nicht, ich könne ja kostenlos dort vom Buffet essen. Und weshalb denn übernachten? Die Veranstaltung sei am frühen Abend, da sei ja noch genug Zeit, um wieder nach Hause zu fahren. Sie hätten im Familienkreis darüber gesprochen und fänden 150 Euro für alles durchaus angemessen. „Sie haben ja keine Arbeit. Die Geschichten sind ja alle schon längst geschrieben und Sie lesen die ja nur vor.“

Ich glaube, ich fahre überhaupt nirgendwo mehr hin. Ich trete ab sofort nur noch hier in meiner geräumigen Garage auf. Halbe Stunde für 75 Euro. Kaffee gibt’s gratis, es geht auch noch ein Hut rum.

1 Natürlich nicht. Ohrenkerzen sind der größte Unfug, den es gibt.

Bildquellen:

  • finuz: Achtless-Marie Zack-Strimmermann

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