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Da haben wir wohl einen zuviel

Als besonderen Service bietet das Krematorium in der Nachbarstadt seit Mitte 2008 einen 24-Stunden-Dienst an.
Man kann also rund um die Uhr Verstorbene anliefern. Früher hat man das nicht gebraucht. Da kam jeder Verstorbene zuerst immer in eine Leichenhalle, weil später noch eine Trauerfeier mit dem Sarg stattfand.

Inzwischen aber haben immer mehr Leute erkannt, daß man Geld und Aufwand sparen kann, wenn der Verstorbene gleich vom Sterbeort zum Krematorium gebracht wird und man später nur eine Trauerfeier mit der Urne durchführt. Das ist schon deshalb billiger, weil weniger Fahrten mit dem Sarg anfallen und dieser Sarg auch noch der allereinfachste sein kann, ihn sieht ja keiner.

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Am vergangenen Mittwoch ist nun etwas passiert, was dieses Verfahren deutlich in Frage stellt.

Die etwas ruppigen Gesellen dort am Krematorium, an Wortkargheit kaum zu überbieten, zeigen stets deutlich, daß sie zur Stadtverwaltung gehören und alle Bestatter, ausgenommen natürlich den kommunalen Bestattungsbetrieb, für Aasgeier, Schmeißfliegen und Wegelagerer halten.
Das fängt schon mit so Kleinigkeiten an: Der kommunale Bestatter braucht nur einen Fahrer, um Särge dort abzuliefern, weil die Krematoriumsmänner ihm selbstverständlich beim Ausladen helfen, ja sie reißen ihm die Särge förmlich aus dem Laderaum. Kommt ein gewerblicher, freier Bestatter, dann lehnen die Burschen an der Tür und schauen sich an, wie der sich müht.

Der nun, von oben angeordnete, durchgeführte Nachtdienst wird natürlich nicht mit großer Begeisterung absolviert. Der Oberkerkermeister, der gerade dort Dienst hat, macht die Tür auf, gibt irgendeinen gutturalen Laut von sich und verschwindet sofort irgendwo in den Tiefen der dunklen Gänge und Kammern. Hat man ausgeladen, steht er unvermittelt wieder hinter einem, nimmt einem die angelieferte Urne ab und während er sie weiter hinten ins Regal stellt, muß man seine Anlieferung ins große, dicke Krematoriumsbuch eintragen.
Zur Verabschiedung erscheint der Rübezahl erst gar nicht, man sieht beim Wegfahren nur, wie die Tür krachend wieder ins Schloß fällt.

Am vergangenen Mittwoch ist nun etwas passiert, was dieses Verfahren deutlich in Frage stellt. Ein schwarzer Mercedes-Leichenwagen fuhr gegen 23 Uhr vor, der Zerberus riß die Tür auf, winkte nur kurz und entschwand in den Tiefen des Gebäudes. Es habe nur wenige Minuten gedauert und er habe ja nur die Tür zum hinteren großen Kühlraum aufgemacht, so gar er später zu Protokoll und fügte hinzu, daß er nämlich ganz besonders sorgsam sei und sich immer und in jeder Sekunde in ganz außergewöhnlich hilfsbereiter Art und Weise um die Anliefernden kümmere.
Ja sicher, ist klar.
Nur ausgerechnet an diesem Abend ist alles anders gelaufen, als man sich das vorgestellt hat. Da steht nämlich auf einmal ein schöner Nadelholzsarg mit einer männlichen Leiche schön in Reih‘ und Glied mit etlichen anderen, zuvor angelieferten, Särgen und vom Anlieferer gibt es keine Spur mehr.

Da hat also jemand einen Toten mitsamt Sarg abgeliefert, keinen Eintrag im Eingangsbuch vorgenommen und am Sarg befindet sich kein Namenszettel. Von welchem Institut der Wagen denn gewesen sei? Keine Ahnung, war halt so ein Leichenwagen, ein Mercedes, ein schwarzer; nein, die Leute habe er gar nicht gesehen, das sei ja alles so schnell gegangen, er könne sich nur noch dran erinnern, daß das Kennzeichen bei den mittleren Buchstaben ein B gehabt hätte, es könne aber auch ein G gewesen sein. Nein, er trinke niemals bei der Arbeit.

Ja, aber er müsse sich doch erinnern, ob er den Wagen schon einmal gesehen habe, da könne doch nicht einfach irgendwer irgendwen einfach abliefern. Och nö, da sieht ja einer aus wie der andere, die Wagen sind doch alle gleich, der ein mal in Silber, der andere mal in Schwarz und überhaupt sei das gar nicht seine Schuld, er kümmere sich ja immer, nur die seien halt sofort wieder verschwunden gewesen. Einer müsse ja hinten die Tür auf und das Licht an machen, oder?

Jetzt wird ermittelt, wo da eine Leiche fehlt. Soviel bekannt ist, handelt es sich dabei um einen an die 80 Jahre alten Mann, der nach erster Inaugenscheinnahme durch den Rechtsmediziner eines natürlichen Todes gestorben ist. Der Leichnam wurde ordnungsgemäß, offenbar durch einen Fachmann, hygienisch versorgt und eingesargt, trägt ein Totenhemd und hatte einen Rosenkranz in den gefalteten Händen.

Wir harren mal der Dinge, die da noch kommen.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 9. Februar 2009 | Revision: 28. Mai 2012

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11 Kommentare
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Newty
15 Jahre zuvor

Jeder andere Gewerbebetrieb würde sich freuen, wenn ihm Rohstoffe zur Weiterverarbeitung zugeflogen kommen, die a) niemandem gehören oder b) umsonst sind – je nach vertraglicher Lage ^^

Warum denn die bloß nich ^^

kumi
15 Jahre zuvor

Bei »Oberkerkermeister«, »ruppig und guttural« muss ich immer sofort an den hier links denken:

[img]http://www.webgraphics.at/macfix/jailers2.jpg[/img]

Ma Rode
15 Jahre zuvor

Da war der Höllenhund dann doch wohl etwas zu voreilig ruppig!

(>°-°)>
15 Jahre zuvor

ich kauf ein „b“ 🙂

15 Jahre zuvor

Man man man, das wäre mir als Rup(p)ert vom Dienst aber sowas von Peinlich. Hoffentlich ändert sich dann wenigstens was an der Behandlung von nicht- kommunalen Betrieben.

Loco
15 Jahre zuvor

Da hilft nur eins: stehenlassen und warten, wer kommt, um die Urne abzuholen.

bloeder_hund
15 Jahre zuvor

@kumi,
erste Reihe links,und jeder nur ein Kreuz 🙂

kblog
15 Jahre zuvor

Bei wem liegt jetzt die Verantwortung? Beim kommunalen Angestellten oder beim Bestatter, der die Leiche brachte? Das geht aus diesem Text nicht hervor. Meinem Rechtsgefühl nach müsste der verantwortliche der kommunale Angetellte sein, aber es würde mich nicht unbedingt wundern…

Neuling
15 Jahre zuvor

Der Kalfaktor dort hat ja nicht nur die Aufgabe, den Laden bei Bedarf aufzuschließen – das könnte man billiger mit der Verteilung von Schlüsseln an die akkreditierten Anlieferer erreichen – sondern auch eine Aufsichtspflicht über den ordnungsgemäßen Gang der Dinge, damit eben dort keine ungeklärten Dinge stattfinden.

Hier ist wohl aber Arbeitspflicht und Arbeitsmoral in einen Konflikt geraten. Das bitteschön, soll dann auch ruhig in Gänze derjenige ausbaden, der seiner Pflicht nicht nachgekommen ist. Traurig für den Herrn, aber wohl nötig.

MacKaber
15 Jahre zuvor

Wird wohl eine Aushilfe gewesen sein, die die Gepflogenheiten noch nicht richtig kennt. Eventuell hat der das Denken bei der Arbeit angefangen und gedacht: „Jetzt bin ich in Eile, zum Verbrennen brauchen die ja keine Papiere, die heizen doch mit Gas. Wenn ich die Aschekapsel abhole reicht das ja auch noch.“
Na, der wird sich wundern, wenn sein Chef das erfährt, und er einen Einlauf bekommt.

Eulchen
15 Jahre zuvor

das ist herb, der Stadtfuzzi muss nix befürchten die bekommen eh immer Recht =(




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