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Das Hexenhaus

Elfriede Würmling sah einfach grauenhaft aus. Ich sag ja immer, jede Frau hat etwas Schönes und entdecke eigentlich an jeder weiblichen Person irgendetwas Reizvolles, bei manchen muß man nur eben etwas länger suchen.

Bei Elfriede Würmling hätte ich aber sicher vergeblich gesucht und auch kein anderer hat etwas Attraktives an ihr gefunden, so ist sie zeitlebens „Frollein“ geblieben und bestand auch auf dieser Titulierung.
Ganz einsam machte sie das aber nicht, denn ihre Schwester Henriette war von ähnlich gewöhnungsbedürftiger Physiognomie und teilte mit ihr Haus und Schicksal. So nannte man das Haus der beiden Würmling-Schwestern allgemein den Schraubenbunker und ganz Alte kennen es auch noch als „Hexenhäus’l“.

Beide Schwestern, von eben jener Häßlichkeit geplagt, litten auch noch an körperlichen Merkmalen, die ihr Erscheinungsbild besonders für Kinder sehr hexenhaft erscheinen ließ: Elfriede hatte einen Buckel und ihre Schwester Henriette ein zu kurzes Bein, weshalb sie einen dicken Schuh mit extrem hoher Sohle tragen mußte und trotzdem sehr ungelenk an einem Stock ging.
Während man besonders schönen Menschen oft eine überirdische Schönheit attestiert, wäre bei Elfriede und Henriette der Ausdruck ‚außerirdische‘ Schönheit oder gar ‚unterirdische‘ eher angebracht gewesen.

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Und es begab sich vor einigen Jahren, daß eben diese Elfriede bei mir erschien und sich um eine Stelle als Putzfrau bewarb. Die bekam sie auch und putzte forthin unsere Büros.

Zunächst nahm Elfriedes Geschichte eine doch recht überraschende Wendung…

…denn eines Tages kam sie mit Lippenstift und etwas Rouge auf den Wangen zur Arbeit und der rote Kosmetikfarbstoff wirkte in ihrem Gesicht so, als würde ich jetzt mit einer grün blinkenden Clownsnase herumlaufen. Ja, sie habe einen „Froind“ berichtete sie ganz stolz und das bestärkte mich in meiner Theorie, daß jeder jemanden finden kann, wenn er nur will, notfalls bei verminderten Ansprüchen.

Einige Wochen später ist dieser Freund, der Bruno hieß, bei Fräulein Würmling eingezogen. Elfriede bewohnte die untere Wohnung des Hauses und ihre zwei Jahre ältere Schwester Henriette die obere.
An und für sich hätte sich aus dieser Sache eine späte aber schöne Romanze entwickeln können, doch es kam anders.
Einige Wochen lang blühte Elfriede förmlich auf und spaßeshalber wollte ich sie eines Tages fragen, ob man denn die Hochzeitsglocken schon läuten hört. Doch dazu kam es nicht.
An diesem Tag kam Elfriede, schniefte und weinte die ganze Zeit und schließlich erzählte sie mir, Bruno sei überraschend nach oben zu ihrere Schwester Henriette gezogen und nun seien die beiden ein Paar.

Tja, was soll man dazu sagen? Was sollte ich damals dazu sagen? Es galt auch hier: …wo die Liebe eben hinfällt…
Wir sprachen Elfriede Trost zu und das war es dann auch, denn was soll man machen?

Es vergingen ein paar Monate, doch Elfriede erholte sich nicht, im Gegenteil: Sie berichtete davon, daß ihre Schwester und ihr Verflossener ihr das Leben schwer machten, sie schnitten und beleidigten, offenbar mit dem Ziel, daß Elfriede aus dem gemeinsamen Haus ausziehen sollte.
Immer wenn Sie weg gewesen sei, habe sie hinterher das Gefühl, jemand sei in ihrer Wohnung und an ihren Sachen gewesen. „Einmal habe ich sogar eine tote Maus in meinem Bett gefunden, die muß da doch jemand hingelegt haben.“

Elfriede kündigte dann bei uns, sie traute sich gar nicht mehr aus dem Haus und verbarrikadierte sich förmlich in ihrer Wohnung.

Wir suchten uns eine andere Putzfrau und hatten Elfriede schon fast ein bißchen vergessen…

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