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Das Tränenkrüglein

Da fiel mir doch heute Mittag ein, daß am Freitag eine Kundin einen Grabstein bestellen wollte. Also habe ich mir später dann unten mal die Akte gezogen und nachgeschaut. Tatsächlich, sie war da und hat uns einen Auftrag für den Steinmetz erteilt. Auf dem Grabstein wollte sie neben dem Namen ihres verstorbenen Mannes auch noch den Satz:

„Und wenn Du zu viel Tränen um mich vergießt, so werde ich keine Ruhe haben im Grab.“

Ein ungewöhnlicher Satz. Woher mag sie ihn wohl haben?

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Dann habe ich die Stelle gefunden, wo der Satz herstammt:

Das Tränenkrüglein
(Ludwig Bechstein)

Es waren einmal eine Mutter und ein Kind, und die Mutter hatte das Kind, ihr einziges, lieb von ganzem Herzen und konnte ohne das Kind nicht leben und nicht sein.
Aber da sandte der Herr eine große Krankheit, die wütete unter den Kindern und erfaßte auch jenes Kind, daß es auf sein Lager sank und zum Tod erkrankte. Drei Tage und drei Nächte wachte, weinte und betete die Mutter, die nun allein war auf der ganzen Gotteserde, ein gewaltiger und namenloser Schmerz, und sie aß nicht und trank nicht und weinte, weinte wieder drei Tage lang und drei Nächte lang ohne Aufhören und rief nach ihrem Kinde.
Wie sie nun so vollen tiefen Leides in der dritten Nacht saß, an der Stelle, wo ihr Kind gestorben war, tränenmüde und schmerzensmatt bis zur Ohnmacht, da ging leise die Türe auf, und die Mutter schrak zusammen, denn vor ihr stand ihr gestorbenes Kind.
Das war ein seliges Engelein geworden und lächelte süß wie die Unschuld und schön wie in Verklärung. Es trug aber in seinen Händchen ein Krüglein, das war schier übervoll.
Und das Kind sprach: „Oh lieb Mütterlein, weine nicht mehr um mich! Siehe, in diesem Krüglein sind deine Tränen, die du um mich vergossen hast; der Engel der Trauer hat sie in diesem Gefäß gesammelt. Wenn du noch eine Träne um mich weinest, so wird das Krüglein überfließen, und ich werde dann keine Ruhe haben im Grabe und keine Seligkeit im Himmel. Darum, Oh lieb Mütterlein, weine nicht mehr um dein Kind, denn dein Kind ist wohlaufgehoben, ist glücklich, und Engel sind seine Gespielen.“

Damit verschwand das tote Kind und die Mutter weinte hinfort keine Träne mehr, um des Kindes Grabesruhe und Himmelsfrieden nicht zu stören.

Foto: Harry Hautumm bei pix elio.de


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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 2. Dezember 2007 | Revision: 5. Februar 2014

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23 Kommentare
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Buchstabensalat
17 Jahre zuvor

Bäh. Als nächstes dann das „Mädchen mit den Schwefelhölzchen“?
Ich MAG keine traurigen Märchen. *aufstampf*

Salat

Mac Kaber
17 Jahre zuvor

„Schneuz“

Sommerwolke
17 Jahre zuvor

Wenn die Geschichte bloß aussagen will, dass Trauer in einem angemessenen Zeitraum stattfinden soll, finde ich es gut. Aber dieser Zeitraum ist natürlich individuell unterschiedlich. Drei Tage sind ein bisschen kurz, verständlich.

Banshee
17 Jahre zuvor

sehr schön

Xenaris
17 Jahre zuvor

Auch wenn diese Geschichte sicher in der Absicht geschrieben ist, trauernden Angehörigen zu sagen, dass eine Zeit kommt, in der man sich mit dem Tod abfinden muss: Ich konnte die Geschichte schon in der Variante des „Totenhemdchens“ das nass wurde, nicht leiden.

Was sagt sie uns? Weine nicht, auch wenn Dir zum Heulen zu Mute ist, denn Du schadest damit jemandem? Dagegen sträubt sich in mir was.

Keiner
17 Jahre zuvor

Ist das noch Spätromantik oder schon Realismus?
Aus heutiger Sicht für mich Kitsch pur.

S.
17 Jahre zuvor

ich gehe da auch eher mit Xenaris, ich glaube nicht, dass man je aufhören kann, um sein gestorbenes Kind zu trauern …. sicher, das Leben geht weiter und bla bla bla, aber das ist ein Einschnitt, der nie heilen wird und manchmal muß man einfach den Gefühlen seinen Lauf lassen …

sowas ist doch nicht nach einer festgelegten Frist abgegessen, aber das(das Tränenkrüglein) stammt wohl auch eher noch aus einer Zeit, als die Kindersterblichkeit recht hoch war und eben als gottgegeben angenommen wurde

sagichnicht
17 Jahre zuvor

Die Trauer darf ruhig länger dauern. Ja, ich bin sicher, wenn ich auch (und hoffentlich werde ich das nie) nicht betroffen bin, so glaube ich, dass man ein Leben lang um sein Kind trauern wird. Aber Trauer muss sich weiterentwickeln. Irgendwann muss man sie einfach ins Leben integrieren. Und wenn man zwischendurch mal weinen will, so ist das sicher in Ordnung. Die Geschichte mit dem Krug ist ja nur eine Geschichte. Niemand wird aus dem Himmelreich wieder herausgerissen, wenn ein Angehöriger nach ein paat Jahren wieder mal verstärkt Trauer verspürt und weint. Also: Das Leben muss weitergehen, aber die Trauer darf darin ruhig Platz finden.

Aki
17 Jahre zuvor

schöne Geschichte

Nur was bewegt eine Witwe, den Spruch auf den Grabstein zu meißeln?
Gedankenstütze für sich selbst?

Aki

17 Jahre zuvor

Ja ich würd auch vermuten entweder als Gedankenstütze für sich selbst oder für andere Angehörige, weil sie nicht will oder evtl. auch ihr verstorbener Mann nicht wollte, das zu sehr um ihn getrauert wird. Einen anderen Grund kann ich mir nciht denken!
gruß El Cattivo

17 Jahre zuvor

Irgendwie merkwürdig, den Spruch auf den Stein seines verstorbenen Mannes schreiben zu lassen.
Ich finde es irgendwie… unhöflich.

17 Jahre zuvor

Ich interpretiere die Geschichte und deren dahintersteckenden Sinn folgendermaßen:

Trauer und Tränen sind gut und wichtig… aber über einen zu langen Zeitraum hinweg belastet dies unsere Alltagsbewältigung. Wer nur noch trauert und mit seinem Kummer / seinem Verlust kämpft hat irgendwann keine Kraft mehr für seine eigene Bewältigung des Lebens und kommt nicht mehr voran.

Viel besser ist es doch wenn man an die gemeinsam verbrachte Zeit denkt und dankbar dafür ist diesen geliebten verlorenen Menschen gekannt zu haben.

So long,

Rockige
(die überlegt wie ein „brb“ auf nem Grabstein wirken würde… dat wär was für Leute die an die Wiedergeburt glauben )

Chris
17 Jahre zuvor

@Rockige: ein afk wäre wohl passender (scnr)

Yvonne
17 Jahre zuvor

@ Chris
Jo, afk, lach. das wär was 😀

dnd wär auch nicht schlecht

@ topic:
Ich find den Spruch (bei aller Interpretation der Geschichte, einfach nur schlecht. Hört sie ein bischen an wie: Nu hör ma auf zu heulen ^^

17 Jahre zuvor

sowas habe ich noch nie auf einem grabstein gelesen… erspart man sich die trauer 🙂

undertaker
17 Jahre zuvor

Ich habe das ja auch ziemlich wertfrei einfach nur berichtet. Offenbar war es der Wunsch des Verstorbenen, daß dieser Spruch auf den Grabstein kommt.

Das Märchen, das die Idee dazu geliefert hat, gefällt mir persönlich nicht so gut. Diese Art von Geschichten liegt mir nicht. Einziger positiver Aspekt für mich: Es wird der trauernden Mutter die Botschaft überbracht, daß es dem Kind auch im Jenseits gut geht und es bei den Engeln ist.

Punkt
17 Jahre zuvor

Eben. Natürlich soll man weinen, wenn einem danach ist, aber Trauer, Tränen und Gebete machen niemanden mehr lebendig. Natürlich ist das eine Ausnahmesituation und natürlich trauert man länger als drei Tage, in der Geschichte wurde aber dazu angemerkt, daß die Mutter weder gegessen noch getrunken hat. Das heißt, sie vergisst ihr eigenes Leben, obwohl es dem Kind im Himmel als Engelchen sehr gut geht.

Für mich oder einen Angehörigen würde ich den Spruch nicht auf einen Grabstein schreiben lassen, aber ich mag die Geschichte trotzdem.

gruftigirl
17 Jahre zuvor

Eine Zeit geboren zu werden,
eine Zeit zu sterben,
eine Zeit zu suchen,
eine Zeit zu verlieren,
eine Zeit zu lachen,
eine Zeit zu weinen,
eine Zeit zu reden,
eine Zeit zu schweigen,
eine Zeit beisammen zu sein,
eine Zeit sich zu trennen.

…aus dem Büchlein Berühmte Zitate/Trost und Trauer, Urania-Verlag.

Man muß Trauer durchleben, man kann nicht „außen rumgehen“, sondern nur der Weg hindurch mit all seinem Schmerz muß gegangen werden, erst dann kann dieses tief einschneidende Erlebnis transzendiert werden. Und wenn man diesen Weg gegangen ist, dann wird auch der Schmerz nachlassen, ohne den Menschen vergessen oder verdrängen zu müssen. Genau das will uns diese Geschichte sagen, wobei „drei Tage“ eher symbolisch gemeint ist. Es hat alles einen Sinn, auch der Tod von Kindern, auch wenn es uns nicht gleich logisch erscheint. Man sollte einfach nur mal den Mut haben, über den Tellerrand zu schauen…

Das Brot
17 Jahre zuvor

Ich lasse auf meinen Grabstein eingravieren 😉
Dazu muss man wissen, ich bin Webdesigner und Programmierer *hrhr

Das Brot
17 Jahre zuvor

arg, der hat einen Teil meines Kommentars als HTML entfernt xD
(ohne Leerzeichen) will ich aufm Grabstein haben 😀

Das Brot
17 Jahre zuvor

aarg, der Schluckt des wieder…
Naja, was solls…

Silent
17 Jahre zuvor

😀 Armes Brot

Mitgebloggt » Wenn es doch…
16 Jahre zuvor

[…] nur immer so einfach […]




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