Vorgestern trafen sich die Spitzenkräfte von CDU und FDP in Baden-Württemberg und sprachen u.a. über eine Lockerung des Bestattungsrechts. Anders als die in NRW erlaubte sarglose Tuchbestattung sieht der gefundene Kompromiss vor, dass in Baden-Württemberg künftig der Sargzwang gelockert wird.
Um den religiösen Bedürfnissen der Muslime entgegenzukommen, die üblicherweise in weiße Leintücher gehüllt ohne Sarg begraben werden, will mann die bereits in Hessen übliche Variante übernehmen. Wie dort besteht dann für den Transport der Leiche zum Grab weiterhin die Sargpflicht, bei der eigentlichen Grablegung kann der Deckel des Sarges abgenommen und neben dem Sarg ins Grab gelegt werden.
Trauerfeiern am offenen Sarg bleiben weiterhin verboten.
Hashtags:
Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:
Die deutsche Sprache kennt eine ganze Reihe hässlicher und schlimmer „Unworte“.
„Sargzwang“ gehört absolut dazu.
und was passiert anschliessend mit dem sarg?
die angehörigen werden ihn doch kaum behalten wollen,
oder stellt der bestatter eine art transportsarg zur verfügung?
@Biggi: Lies doch bitte nochmal den Artikel.
@biggi_aus_w:
„…bei der eigentlichen Grablegung kann der Deckel des Sarges abgenommen und neben dem Sarg ins Grab gelegt werden.“
Der Sarg wird mit beerdigt.
uuupppsss …
jetzt hab ich es auch verstanden, war wohl noch nicht auf
betriebstemperatur, sorry …
1. Muss dann das Grab größer (breiter) ausgehoben werden, damit auch der Deckel daneben passt? => höhere Kosten, breitere Grabstätte?
2. Wieso sind Trauerfeiern am offenen Sarg verboten? Aufbahrung mit offenem Sarg ist erlaubt, aber zur Trauerfeier muss er geschloßen werden? Oder ist das von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich?
Fragen über Fragen…
Und wie ist das dann mit den Liegezeiten? Mit offenem Sarg verwest der Leichnahm sicherlich langsamer, oder?
Werden die Liegezeiten dann dran angepasst, oder liege ich mit der Vermutung falsch?
Ich denke nicht, daß es erforderlich ist, die Gräber anders auszuheben. Es ist immer an den Seiten noch etwas Platz. Für gewöhnlich werden muslimische Verstorbene nicht ganz mittig ins Grab gelegt sondern eher an der Seite der Grube. Dann werden zumeist Bretter schräg darüber gelegt, weil keine Erde direkt auf den Leichnam fallen soll.
Hierdurch entsteht um den Körper auch ein gewisser Raum, der einem Sarg ähnlich ist und deshalb keine großartigen Unterschiede im Verwesungsprozess mit sich bringt.
Es ist zu berücksichtigen, daß Muslime in aller Regel auch Gräber für die Ewigkeit haben. Gräber werden nicht nach kurzer Zeit wiederbelegt. In unseren Gefilden bedeutet daß, das man sich entweder mit dem Gedanken der Wiederbelegung abfindet oder die Gräber immer wieder neu anmietet.
In manchen Kommunen werden aber extra muslimische Gräberfelder angelegt, die nicht wiederbelegt werden.
Und tatsächlich ist es je nach Bundesland und dem jeweiligen Bestattungsgesetz unterschiedlich.
Warum sind denn Trauerfeiern am offenen Sarg nicht erlaubt? blödfrag
@ 9: Ich kann mir vorstellen, dass nicht jeder Trauergast den Verstorbenen sehen möchte. Wenn nun der Bestattungspflichtige eine Trauerfeier mit offenem Sarg wünschen würde, müßten alle Anwesenden dies hinnehmen. Auch eine besorgte Mutter, die sich ansonsten durchgerungen hätte ihre Kinder an der Feier teilnehmen zu lassen. Daher gibt es fast immer noch vor der Trauerfeier genügend Zeit für jene die es möchten und denen es der Bestattungspflichtige gestattet, am offenen Sarg Abschied zu nehmen. Hier können auch dafür offene Mütter oder Väter ihre Kinder begleiten. So herum ist es auch keine „Zurschaustellung“ des Toten.
Witzig, ich wollte dir gestern per Mail genau dazu eine Frage stellen. Nach de.wikipedia.org/wiki/Bestattung#Islamische_Bestattung wird in der Praxis der Leichnam bis unmittelbar ans Grab in einem Sarg transportiert, dann ohne Sarg, nur in den Leichentüchern, ins Grab gelegt. Nun beschreibst du es hier etwas anders.
Meine Frage wäre gewesen: Wird für diese Zwecke dann ein Sarg geliehen? Und was würde das dann kosten?
Was beschreibe ich denn anders? Ich beschreibe doch gar nicht wie laut islamischer Tradition bestattet wird, sondern welcher Kompromiss den Muslimen in Baden-Württemberg angeboten wird.
Wenn Muslime nur im Tuch bestattet werden, übernehmen das in der Regel muslimische Bestatter. Zu uns verirrt sich einmal im Jahr höchstens mal jemand.
Was ich da halt nicht verstehe ist, dass auf der einen Seite der Deckel danebengelegt werden soll, dafür aber schräge Bretter aufgelegt werden, dass keine Erde an den Leichnam kommt. Worin besteht der Vorteil oder Unterschied in der Auswirkung?
@MacKaber: Jetzt muß man einfach abwarten, ob dieser Kompromiss angenommen wird und was dann daraus gemacht wird.
Bislang ist es so, daß der Transport in die Heimat und die Bestattung z.B. in Anatolien oft günstiger sind, als eine Bestattung bei uns.
Dieser Kompromiss sieht mir so aus, als wollte man irgendetwas für Muslime tun, aber dabei bloss nicht die Sargindustrie und alle an den Särgen verdienenden verärgern. (Lobbyisten am Werke ?)
Was macht der Sarg mit dem Deckel daneben für einen Sinn ?
In „Sarg ohne Deckel“ könnte man ja vielleicht noch einen gewissen Sinn sehen, aber Deckel daneben legen?
@ undertaker
Wie Manfred aus Downunder schreibt: Die von dir geschilderte Fassung ist ein Zugeständnis an die Erdmöbelfabrikanten. Wiki schreibt, dass Muslime ohne Sarg bestattet werden müssen (und auch so bestattet werden. Daher meine Frage zum Miet- bzw. Leihsarg).
„Erdmöbelfabrikanten“
Muhaha, Danke! YMMD!
Von Allah kommen wir und zu Ihm ist die Rückkehr
Antrag
Der Türkische Kulturverein e.V. und die hier ansässigen Muslime beantragen für ihre verstorbenen Angehörigen, die in Messkirch beheimatet sind, eine islamische Bestattungsmöglichkeit auf den städtischen Friedhof in Messkirch.
Nach Gestaltungsaspekten können dabei die islamischen Gräber mithilfe von Hecken oder einer Mauer vom der restlichen Friedhof abgegrenzt sein. Im Vordergrund steht die Durchfühurng der Bestattung nach der islamischen Vorschriften, d.h. die Ausrichtung der Grabstätten in Richtung Mekka sowie die Beisetzung in Lainen ohne einen Sarg. In Baden-Württemberg ist dennoch eine reine, sarglose Bestattung lt. Bestattungsgesetz §39 nicht möglich.
Hierbei bitten die muslimischen Mitbürger der Stadt Meßkirch um Berücksichtigung der Tatsache, dass sie Abgaben an die Stadt Messkirch entrichten, den Friedhof bzw. dessen Erhalt dadurch mitfinanzieren und somit eine Bestattungsmöglichkeit nach den islamischen Aspekten erwünschen.
Antragsteller
Türksicher Kulturverein e.V.
die Muslime, die nicht Mitglied des Türkischen Kulturvereins sind
Präambel
Die temporäre Arbeitsmigration von Muslimen, vor allem aus der Türkei, in den 60er und 70er Jahren entwickelte sich im Rahmen der Familienzusammenführung zu einer großen türkischen Gemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland, somit auch in Messkirch. Inzwischen besitzen viele türksichstämmige Jugendliche und junge Familienangehörige die deutsche Staatsbürgerschaft. Zur Zeit werden die hier Verstorbenen in Ihre Heimat überführt und dort bestattet. Dies bringt vermehrt soziale Schwierigkeiten mit sich, weil die Kinder von islamischen Migranten den Bezug zu den Herkunftsländern ihrer Familien verlieren. Dadurch wächst der Wunsch nach einer Bestattung in Deutschland, so dass von einem Anwachsen muslimischer Bestattungen in Deutschland auszugehen ist. Schon heute existieren einge muslimsche Friedhöfe in Deutschland, z. B. in Berlin, Hamburg, Aachen/Hüls, Esslingen, Spaichingen, Aldingen und demnächst in Nagold.
Begleitung in der letzten Stunde
In der Regel wird der sterbende Muslime bis zum Eintritt des endgültigen Todes von seiner Familie, den Verwandten und Freunden begleitet. Gemäß dem islamischen Glauben sollte der Verstorbene umgehend beerdigt werden – möglichst noch am Todestag, aber spätestens nach drei Tagen. Weil die deutsche Gesetzgebung eine 48-Stunden-Frist bis zur Beisetzung vorschreibt, ist daher eine Beerdigung frühestens nach 2 Tagen möglich.
Die Waschung des Toten
Das Waschen des Leichnams ist eine vorgeschriebene islamische Pflicht. Somit hat jeder verstorbene Muslim das Recht von der muslimischen Gemeinde gewaschen zu werden und das Totengebet verrichtet zu bekommen. Dabei handelt es sich um eine Ganzkörperwaschung nach den rituellen Vorschriften. Bei Frauen wird die Waschung von Frauen, bei Männern von Männern durchgeführt; meist wird die Waschung von einem Imam (islam. Vorbeter) und den Verwandten durchgeführt. Danach wird der Verstorbene in drei weiße Lainen (Leichentücher) gehüllt und in einen schlichten Sarg aus Vollholz gelegt. Wichtig hierbei ist die Ergänzung, dass der Sarg lediglich zum Transport des Verstorbenen bis zur Grabstelle dient (Transportmittel), der dann – in Lainen komplett verhüllt – aus dem Sarg entnommen und in sein Grab gelegt wird.
Die Andacht
Die Andacht wird im Islam mit der Verrichtung des Totengebets vor der endgültigen Beerdigung vollzogen. Der Sarg mit dem Verstorbenen wird auf einen Podest mit der rechten Körperseite nach Mekka hingestellt. Die versammelte, muslimische Gemeine stellt sich in Reihen hinter den Sarg auf und verrichtet stehend das Totengebet und verabschiedet sich vom Verstorbenen. Diese Andacht dauert ca. 10 Minuten. Anschließend fahren oder tragen die Anhörigen den Sarg je nach Entfernung auf ihren eigenen Schultern bis zur Grabstätte, was als letzte Ehre gegenüber dem Verstorbenen darstellt.
Beisetzung
Die muslimischen Bestattungsflächen müssen in Richtung Mekka ausgerichtet sein. Der in Leichentücher verhüllte Verstorbene wird aus dem Sarg entnommen und mit der rechten Seite Richtung Mekka liegend ins Grab gelegt. Üblicherweise wird im Grab mit Hilfe von schräg eingelassenen Bretter eine kleine Kammer eingerichtet, so dass die Erde nicht direkt auf den Leichnam geschüttet wird. Aufgrund des Sargpflichtes in Baden-Württemberg, wird der verstorbene mit dem Sarg in das Grab mit Seilen hinabgelassen. Anschließend steigt ein Verwanter oder städt. Bediensteter in das Grab, öffnet den Sargdeckel, dreht den Verstorbenen auf die rechte Seite und verschließt den Deckel erneut. Die Umsetzung und die Beisetzungsprozedur wurde ausführlich mit Hrn. Txxx und Fr. Sxxx besprochen.
Skizze:
Abbildung 1: Grabmal mit dem Verstorbenen nach isl. Vorschrift, Schnittdarstellung
Normalerweise ist die sarglose Erdbestattung ist im Islam die einzige erlaubte Bestattungsart. Jede andere Art ist den Muslimen nur im Notfall als Ausnahme – zum Beispiel bei Seuchen-, Überschwemmungs- oder Erdrutschgefahr – erlaubt. Auch in einigen Bundesländern wird die sarglose Bestattung seit über zwanzig Jahren, wie in Aachen, problemlos durchgeführt, welche in Baden-Württemberg noch nicht erlaubt ist.
Neubelegung
Die Neubelegung eine Grabes ist normalerweise im Islam nicht vorgesehen. Da aber in Ballungszentren die Friedhofplätze limitiert sind, werden die Überreste des ersten Leichnams gesammelt und hinter dem Verstorbenen in dem gleichen Grab wiedergebettet. In eine anderen Art wird der zweite Leichnahm etwas höher begraben. Die gewohnten Feldgrößen und Abmessungen können für die muslimischen Grabfelder beibehalten werden.
Grabschmuck
Die Grabesruhe darf nicht gestört werden. Aus Achtung vor der Totenruhe verzichten Muslime nahezu auf jegliche Form des Grabschmucks, wie z.B. die Bepflanzung und Pflege der Grabstätten, wie es im christlichen Brauch üblich ist. In manchen Ländern ist es üblich entweder nur einen Grabstein/Holzbrett oder auch eine Grabanlage zu erstellen. Dabei sollte das Grab nicht vollständig verschlossen werden; es wird empfohlen, die Freifläche nur mit Gras zu bepflanzen und den Toten in seiner Ruhe zu belassen.
Abbildung 2: Grabsteinentwürfe für muslimische Grabstätten (Quelle: Fa. Lxxxx, Fa. Kxxx)
Mit der Firma Kxxxx und der Firma Lxxx wurden bereits Grabsteine entworfen, die sowohl den geltenden dt. Gesetzen als auch den muslimischen Vorstellungen Geltung verschaffen. Dabei haben die beiden Firmen jeweils drei Grabsteinmodelle von günstig bis exklusiv (Preise von EUR 1600.- bis EUR 3700.-) entworfen, welche für die Angehörigen des Verstorbenen eine große Hilfe in der Not der Stunde darstellen. Weiterhin ist den Firmen bekannt, worauf es bei den muslimischen Grabstätten wichtig ist und welche Bedingungen eingehalten werden sollten.
Trauer um Tote und Besuch von Gräbern
Zum Thema Trauer gibt es Aussagen des Propheten Muhammend, Friede sei mit ihm: “Zu uns gehört nicht derjenige, der seine Wangen schlägt, sein Hemd zerreißt und das Brauchtum, wie in der Zeit der Unwissenheit vor der Islam, heraufbeschwört!“. Es war dem Propheten zutiefst verhasst, in Lautstärke zu weinen oder aus Trauer seine Kleider zu zerreißen. Vielmehr wird Trost in dem Gedanken „von Allah kommen wir und zu Ihm ist die Rückkehr“ gefunden. Die tiefe Trauer soll drei Tage andauern, wobei in dieser Zeit die Familie des Verstorbenen durch Beileidsbesuche von Verwandten, Freunden und Bekannten trost finden. Die künftigen Gräberbesuche verlaufen indes ruhig, gefaßt und in stillen Gebeten für den Verstorbenen.
Kapazität
In Messkirch und Umgebung leben ca. 120-140 muslimische Familien bestehend aus zwei Elternteilen und durchschnittlich drei Kindern. Die erste Generation mit 20 Mitgliedern ist entweder verstorben oder lebt schon in der Türkei. Von den 120 Familien stellen ca. 80 Familien die zweite Generation dar. Die restlichen 40 Familien setzen sich aus der dritten Generation sowie den anerkannten Flüchtlingen, wie z.B. aus Bosnien, Albanien, Türkei oder anderen Ländern, zusammen.
In den nächsten 10 Jahren wird höchstwahrscheinlich die erste Generation vollständig, die zweite Generation zur Hälfte und die dritte Generation nur noch zu 10% in die Heimatländern begraben werden. Nicht zu vergessen sind auch Fehl- bzw. Totgeburten, die leider auch noch in die Türkei überführt werden müssen. Für die 350-400 Muslime in Meßkrich ergibt sich hieraus, in Hinblick auf das Ableben durch natürlichen Todes, ein Bedarf an Grabstätten von ca. 1-3 Stk. in den nächsten 3 Jahren, ca. 10-15 in den nächsten 10 Jahren und ca. 20-30 Stk. in den nächsten 20 Jahren. Wobei der Bedarf an muslimischen Grabstätten in Meßkirch zunehmend wachsen wird.
Das Totengebet wird normalerweise außerhalb des Friedhof auf einen Vorplatz einer Moschee verrichtet. Da dies in Messkirch nicht möglich ist wird der obere Parkplatz für die Verrichtung des Totengebetes als geeignet angesehen. Die Waschung des Verstobenen kann in dem vorhandenen Leichenhaus durchgeführt werden; alle notwendigen Leinentücher, Hygieneartikel u.ä. für die Totenwaschung werden vom Türkischen Kulturverein e.V. zur Verfügung gestellt und aufbewahrt.
Abbildung 3: Möglicher Belegungsplan der islamischen Gräber
Anschließend ist noch ein akutelles Satellitenbild der Messkircher Friedhofs abgebildet um die Verhältnisse und Gegebenheiten besser abschätzen zu können.
Abbildung 4: Satellitenbild vom Messkircher Friedhof, Quelle: Google Map
Stichworte
Muslimische Grabstätte auf dem Messkircher Friedhof, Integration und Gleichbehandlung der muslimischen Mitbürger, Wirtschaftliche Förderung der örtlichen Firmen, Erhöhung der Belegung des Friedhofs.