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Dem Dietz

Meine Frau und ich lassen unseren Kindern schon eine Menge durchgehen, finden wir. Gaaaanz fürchterlich strenge Eltern sind wir, finden die Kinder. Gerade unser Großer ist jetzt mitten in der Pubertät, eher noch am Anfang, und er empfindet zunehmend, daß wir ja von der wirklichen Welt überhaupt gar keine Ahnung haben.
Manchmal fühlt man sich regelrecht gekränkt wenn so ein Halbwüchsiger einem das Mitspracherecht an den Themen Freizeit, Geld und Liebe ziemlich vorlaut abspricht, weil er der Meinung ist, so „alte Leute“ brauchen weder das eine, noch das andere und Liebe schon gar nicht.

Dennoch muß ich sagen, daß dieser Konflikt eigentlich noch gar keiner ist und bislang für uns ganz glimpflich abgelaufen ist. Wenn ich mir das Zickengedöns anschaue, das er als seine Freundin bezeichnet und wie dieses verzogene Gör mit ihren Eltern umspringt…, na dann können wir uns glücklich schätzen.

Bei allem was der Große und unsere Kinder überhaupt so anstellen und wie die auch miteinander umgehen, denken wir oft, daß uns das alles ganz gut gelungen ist. Dabei setzen wir auf die Methode unserer Eltern und regieren liebevoll aber mit harter Hand. Wie sagt man so schön: Auf einem Schiff das dampft und segelt, gibt’s einen der die Sache regelt.
Und das scheint wirklich gut zu funktionieren, denn jedermann bestätigt uns, wie wohlerzogen und anständig unsere Kinder doch seien.

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Doch eine Sache, die lassen wir keinem unserer Kinder durchgehen, nämlich wenn einer den anderen als „Behinderten“ bezeichnet. Es scheint irgendwie aus der Schule mit herüber geschwappt zu sein und gilt im Moment nicht nur bei unseren Kindern als chic, den anderen als Mongo, Behindi oder Krüppel zu beschimpfen.

Dem Dietz liegt bei uns unten im Keller auf einer Edelstahlplatte, abgedeckt nur mit einem weißen Leintuch. Dem Dietz ist 40 Jahr alt geworden und er hinterlässt seine über 80 Jahre alten Eltern und einen Bruder von Mitte Sechzig.

Mit den Totenpapieren in der Hand stand Herr Böckling bei uns vor der Tür und klingelte. Es kommt manchmal vor, daß Leute einfach so zum Bestatter gehen, aber für gewöhnlich rufen sie doch vorher an. Wenn so ein alter Mann mit den uns nur zu gut bekannten Unterlagen in der Hand zu uns kommt, dann rechnen wir natürlich zuerst damit, daß seine Frau gestorben sein könnte. Vom Alter her ist das jedenfalls anzunehmen und wahrscheinlich.

„Dem Dietz ist tot“, sagte Herr Böckling und streckte mir in einer etwas hilflos wirkenden Geste die Papiere hin. Ich bat ihn erst mal rein, bot ihm einen Platz an und warf dann einen Blick auf die Papiere.

„Ihr Sohn?“ fragte ich und er schaute mich ein wenig verwundert an und sagte dann mit einem leicht zweifelnden Unterton in der Stimme: „Dem Dietz? Dem Dietz ist tot!“
Er sagte das so, als setzte er voraus, daß jedermann schon bei der bloßen Erwähnung des Namens Dietz sofort wissen müsse, um wen es sich da handelt.

„Aha“, sagte ich, das passt in solchen Fällen immer, ist unverbindlich und führt, wenn man dabei ein wenig die Augenbrauen hochzieht, leicht den und offenstehen lässt und einen fragenden Gesichtsausdruck macht, meist dazu daß die Leute von sich aus erzählen.

Das tat Herr Böckling auch, aber er begann mit seiner Geschichte vor vierzig Jahren, als seine Frau mit dem Dietz schwanger geworden war.

Man könne sich ja gar nicht vorstellen wie sehr sie sich damals gefreut hätten, als das mit dem Schwangerwerden doch noch geklappt hatte. Da war Jürgen, ihr erster Sohn, schon zu Hause ausgezogen. Daß seine Frau schon über Vierzig war und damit Risiken verbunden sein könnten, nein das habe ihnen eigentlich niemand gesagt.
Dieses ‚eigentlich‘ machte mich etwas stutzig, aber ich sagte nichts.

Als dem Dietz dann geboren wurde, schien jedem sofort klar gewesen zu sein, daß mit dem Kind etwas nicht stimmte, auf den ersten Blick war jedem klar, daß der Junge das Down Syndrom hatte, früher sagte man noch dazu, die Kinder seien mongoloid. Heute wird gern so getan, als sei das eine Beleidigung der Betroffenen, zu dieser Zeit vor vierzig Jahren, dachte sich niemand etwas Böses dabei, man kannte diese Behinderung gemeinhin einfach nur als Mongolismus. Wenn ich nicht irre, hatte der Entdecker dieser Krankheit ihr diese Bezeichnung selbst gegeben und erst nachträglich hat man ihr den nach eben diesem Entdecker, John Langdon-Down, benannten Namen Down-Syndrom gegeben. Wohl aus Rücksichtnahme auf die Menschen in der Mongolei.

„Im Grunde genommen haben wir uns damals selbst was vorgemacht. Aber wir wollten das nicht wahrhaben, das mit dem Dietz, wissen Sie? Wir haben Schachteln mit alten Fotos rausgesucht und wollten den Ärzten und Schwestern beweisen, daß in unserer Familie alle Babys ein bißchen mandeläugig aussehen und so runde Köpfe haben. ‚Das wächst sich aus‘, hat meine Frau immer gesagt und ich habe mir sogar Fotos von noch anderen Babys aus der ganzen Familie besorgt, nur um etwas zu beweisen, was man nicht beweisen konnte. Im Grunde haben wir uns nur was vorgemacht.“

Lange erzählte mir Herr Böckling von ihrer Weigerung, die Behinderung ihres Kindes anzuerkennen und er tat mir fast ein wenig leid, so wie er da saß und diese Art der Lebensbeichte abegte.
„Wir haben uns damals sogar mit meinem Bruder und mit einem Schwager zerstritten. Die wollten einfach nicht verstehen, daß wir dem Dietz als ganz normales Kind behandelten. Am Liebsten hätten die gehabt, wenn wir dem Dietz gleich in ein Heim gebracht hätten. Einer hat uns sogar die Schuld gegeben und uns Vorwürfe gemacht, daß wir so einen Schwachsinnigen in die Welt setzen, der nun sein ganzes Leben der Allgemeinheit auf der Tasche liegen wird. ‚Sowas läßt man doch wegmachen“, hat eine Wildfremde zu meiner Frau gesagt, als die mit dem Kinderwagen auf den Spielplatz kam. Eine andere hat gesagt: ‚In der Tierwelt ist das besser geregelt, da beißt die Mutter so eine Missgeburt einfach tot und frisst sie auf.‘ Können Sie sich vorstellen, wie uns das verletzt hat?
Vor allem aber hat es uns bestärkt allen zu beweisen, daß dem Dietz doch ein ganz normales Kind ist.
Wir sind dann gar nicht mehr zum Arzt mit dem, wir konnten das nicht mehr hören. Stellen Sie sich vor, als wir mit dem Dietz das erste Mal zum Kinderarzt kamen, da erwarteten wir, daß der uns zu unserem Sohn gratuliert und die typischen Untersuchungen und Impfungen vornimmt. Aber was macht der? Der guckt sich kurz das Kind an und sagt dann zu meiner Frau: ‚An dem werden sie aber nicht viel Freude haben, der wird sowieso nicht alt.‘
Was glauben Sie, wie es meiner Frau da zumute war? Ich habe fast zwei Tage gebraucht, um sie wieder zu beruhigen, so fertig war die!“

Ich sah, daß Herrn Böckling ein paar Tränen der Wut in den Augen standen und schüttelte nur den Kopf. Ich meine das ist jetzt gerade einmal vierzig Jahre her und nicht vierhundert. Hat sich wirklich soviel verändert?

„Nee, damals war das teilweise noch so. Glauben Sie mir, die haben uns fertig gemacht und jeder meinte, er könne uns unaufgefordert sagen, beim Hitler hätte man das besser gemacht, da seien solche Parasiten weggekommen. Nein, alles sei ja nicht in Ordnung gewesen bei den Nazis, das wäre ja aber alles nicht so schlimm gewesen, wenn der Hitler das mit den Juden nicht gemacht hätte. Aber daß der Hitler die Schwachsinnigen weggemacht hätte, das wäre zwar schlimm, aber letztenendes doch gut für alle gewesen. Jetzt frag ich Sie: Wie kommen die Leute dazu, sowas zu sagen? Wie können die unseren Dietz für weniger lebenswert halten als andere Menschen?
Natürlich waren nicht alle so, das muß ich jetzt auch mal sagen, aber wir hatten ja das Problem, daß die einen uns rotzfrech ins Gesicht gesagt haben, so alte Leute sind doch selber Schuld wenn sie so einen Idioten zeugen und die anderen, die uns vielleicht sogar helfen wollten, die haben wir nicht gewollt, weil wir doch immer noch alles verdrängt haben. Für uns war dem Dietz ein schönes Kind, er ist doch unser Sohn…“

„Warum sagen Sie immer ‚dem Dietz‘? wollte ich von Herrn Böckling wissen und er nickt, zeigt Verständnis für meine Frage und antwortet: „Das war das Einzige was Dietz richtig sagen konnte. Er konnte sprechen, aber nicht so ganz richtig, Fremde haben ihn oft gar nicht verstanden, wir verstanden jedes Wort und sein Schnabel hat ja auch nicht stillgestanden. Aber wenn es um ihn ging, wenn er seinen Namen sagte oder wenn er sagen wollte, daß ihm dieses oder jenes gehört, dann sagte er immer ganz klar verständlich: ‚dem Dietz‘. Fragte man, wie man das bei Kindern immer so macht: ‚Na, wie heißt du denn?‘, dann kam wie aus der Pistole geschossen: ‚dem Dietz!‘.“

Ich nickte verstehend und schenkte Herrn Böckling Kaffee ein, den die gute Seele des Büros, Frau Büser, hereingebracht hatte.

Dietz entwickelte sich nicht so, wie sich die Böcklings das vorgestellt hatten und es zeigte sich natürlich binnen kürzester Zeit, daß die Ärzte mit ihrer Diagnose recht hatten. Dietz war behindert, seine geistige und körperliche Entwicklung blieb zurück, verlief ganz anders und bald schon konnten auch die Böcklings sich selbst nichts mehr vormachen.

„Jetzt hatten wir uns aber ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Einmal hat eine Frau beim Metzger zu meiner Frau gesagt: ‚So Bekloppte muß es ja auch geben, irgendeiner muß ja später auch mal die Drecksarbeiten machen und einen Besen wird er ja wohl halten können.‘ Meine Frau hat sich dann zu der Frau umgedreht und gesagt: ‚Sie sind noch jung und werden eines Tages auch mal Kinder haben, wer weiß, vielleicht ist mein Dietz dann der Lehrer ihrer Kinder‘.“

Ich mußte schlucken, einerseits wegen der frechen und respektlosen Aussagen der Leute und andererseits wegen der verwegenen Aussage von Frau Böckling.
Aber Herr Böckling merkte das, lächelt kurz und meinte dann: „Ja ja, sagen sie nichts, wir waren damals so. Der Dietz ist ein absolutes Wunschkind gewesen und wir wollten es einfach nicht wahrhaben, daß er behindert war. Die Frau vom katholischen Kindergarten, die hat uns sehr geholfen, die hat sich gar nicht auf die Behinderung und unsere Einstellung eingelassen sondern einfach nur ein Kind gesehen und lapidar gesagt: ‚Für Kinder sind wir da, der Dietz kann gerne zu uns kommen, aber bitte erst in einem Jahr.‘
So haben wir es dann auch gemacht und ich kann Ihnen sagen, das war sehr sehr gut so. Die in dem Kindergarten, die hatten da noch eine alte Nonne, die Schwester Barbara, und die hat den Dietz vom ersten Tag an geliebt und umhegt. Die hat sich richtig Zeit für dem Dietz genommen und ihm auch mal den Hintern abgewischt, wenn das mal wieder nicht geklappt hat. Wenn Dietz die Schwester Barbara nicht gehabt hätte…, nee, nicht auszudenken.“


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Lesezeit ca.: 13 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 22. August 2009 | Revision: 28. Mai 2012

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Christopher
15 Jahre zuvor

Tragische Geschichte, habe auch ähnliche Fälle in der Bekanntschaft…

Aber warum musste ich bei der Überschrift als erstes an radio 1Live denken!? Wie sich sowas doch ins Hirn einbrennt…

15 Jahre zuvor

Boah… Das geht mir ans Herz… Wenn ich das aus meinem Blickwinkel als Rehapädagoge betrachte, kann ich sagen, dass sich da nichts geändert hat. Im Gegenteil: Heute sucht man nach Methoden wie man Behinderung pränatal (vorgeburtlich) besser erkennen und „wegmachen“ kann. Dabei kommt es oft zu Fehleinschätzungen. Auf Grund dieser wird dann das Kind im Mutterleib versucht zu töten, was aber auch nicht immer klappt, und dann kommen erst die wirklichen Behinderungen zu stande. Auf Grund einer Fehldiagnose!!! Auch wenn ich mit den Kindern unterwegs bin… Was man sich da – selbst hier in Berlin – so anhören muss… Wahnsinn… Leider scheinen auch hier die Jugendlichen den Begriff „behindert sein“ etc (wie Tom beschrieb) sehr oft zu benutzen. Mal sehen, ob mich das irgendwann nicht mehr schockiert… Denn ich denk dann immer „Seid froh, dass ihr euer Leben so habt wie es ist und nicht behindert seid…“

15 Jahre zuvor

Hach, schön. Endlich mal wieder eine Cliffhangergeschichte. 🙂

Sonja
15 Jahre zuvor

Ich arbeite mit Kindern wie dem Dietz. Und nein, auch heute hat sich noch nicht in allen Köpfen etwas geändert. Man staunt immer wieder, welche Frechheiten man an den Kopf geworfen bekommt weil man sich „mit solchem Unrat“ auf die Straße oder gar in Schwimmbäder und Freizeitparks wagt.

Anni
15 Jahre zuvor

Die Gedankenlosigkeit und Kälte der Menschen kennt keine Grenzen. Das war nicht nur vor 40 Jahren so, das ist auch heute noch nicht ausgestorben!
Meinen Respekt vor allen, die ein Kind mit Down – Syndrom nicht einfach „wegmachen“ lassen, sondern es als ein sehr liebenswürdiges Familienmitglied aufnehmen!!!

Rena
15 Jahre zuvor

Wie viele Menschen kommen gesund auf die Welt und werden durch einen Unfall oder eine Krankheit behindert? Soll man die dann auch einfach „wegmachen“?
Ich kann es auch nicht leiden, wenn meine Kinder jemanden „behindert“ nennen. Dann sage ich zu ihnen, dass ich auch eine Behinderung von 30 % habe. Da sie wissen warum, überlegen sie es sich doch nochmal.

Bärbel
15 Jahre zuvor

An den Sprüchen, die meine Tochter in Sachen Leben und Tod raushaut, kann man sich schon manchmal Hände und Füße wärmen. Sie ist da nicht zimperlich. Definitiv Schluss ist aber bei Menschen, die auf irgendeine Art beeinträchtigt sind. Da kennt sie auch andern gegenüber keine Gnade. Ich glaube, der integrative Kindergarten hat ihr damals sehr gut getan. Sie hat viel gelernt, was Respekt gegenüber diesen Menschen betrifft.

Tim
15 Jahre zuvor

Menschen sind nicht behindert, Menschen werden behindert. Gerade Menschen mit Down-Syndrom haben oft gute Fähigkeiten, ein selbstständiges Leben aufzubauen und zu führen, wenn man sie früh genug fördert und fordert. Manche schaffen sogar einen Universitätsabschluss wie z.B.der Spanier Pablo Pineda und die Japanerin Aya Iwamoto.

Stef
15 Jahre zuvor

Ich bin auch behindert und habe nichts gegen die Benutzung dieses Wortes.

Ich habe allerdings etwas dagegen, wenn es als Schimpfwort benutzt wird. Einen meiner Kollegen konnte ich neulich deutlich machen, dass er andere Leute damit beschimpft, so zu sein wie ich. Er wertet mich als behinderten Menschen damit ab und außerdem ist eine Behinderung nichts, wofür man sich schämen muss. So konnte ich erreichen, dass er darüber nachdenkt. Aber normalerweise reagieren die Menschen mit Unverständnis und mit „War doch nicht so gemeint“.

Zum Begriff Down-Syndrom: Der alte Down soll ein ziemlicher „Herrenmensch“ gewesen sein und hat Menschen mit dieser Behinderung als minderwertig betrachtet. Ich kenne einige Personen, die sich darum gegen diesen Begriff verwehren. Lieber wäre ihnen die korrekte Bezeichnung „Trisomie 21“.

15 Jahre zuvor

Andersrum gehts auch. Eine Bekannte von mir ist auch körperbehindert. Sie kann sich nicht bewegen, irgendwas ist mit ihren Gelenken. Als die damals ein Kind erwartet hat, war auch der Teufel los. Das ging bis hin zu massivem Druck dass sie abtreiben sollte.

Schlimm sowas. 🙁

Pu der Zucker
15 Jahre zuvor

Gar so unrecht hat Frau Böckling da nicht mit ihrer Aussage im Metzgerladen. Wer Leute wie „dem Dietz“ als Idiot, Mongo und quasi Abfall bezeichnet, der hat einfach keine Ahnung! Wer sich die Mühe macht und nicht ausschließlich „die Behinderung“ sieht, der merkt recht schnell, dass dahinter Persönlichkeiten stehen mit einer unglaublichen Lebensfreude, Energie und Wahrhaftigkeit, wovon sich ein guter Teil der ach so „gesunden“ Gesellschaft eine gehörige Scheibe abschneiden könnte. Ich habe von den „Behinderten“, mit denen ich zu tun habe, viel gelernt und lerne täglich noch dazu.

Norbert
15 Jahre zuvor

Ich bin selbst behindert und als an Multipler-Sklerose-Patient steht wohl noch die eine oder andere zusätzliche Behinderung an. Da ich Behindertenpädagogik studiert habe, kenne ich den Komplex auch aus einer professionellen Sicht. Ich würde schon sagen, dass sich im Laufe der letzten Jahrzehnte einiges geändert hat. Das Tempo dieser sozialen Entwicklung sollte man allerdings besser nicht mit dem der Technik vergleichen. Wenn Jugendliche Begriffe wie „Krüppel“ verwenden, ist das zwar nicht zu tolerieren, sollte aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass solche Äußerungen eben auch gedankenlos gemacht werden. So paradox es scheint: Auch behinderte Schüler verwenden solche Begriffe. Wenn Erwachsene Sprüche wie die oben zitierten verwenden ist das – unzivilisiert (das letzte Wort steht nicht in Anführungszeichen). Folgenreicher noch als solche Beleidigungen sind der ständige Mix aus Unter- und Überforderungen. Wenn die Familie dem Dietz die Behinderung aus Gründen des Selbstschutzes (um nicht zu sagen Eigennutzes) abspricht, wird es ihr Kind überfordert haben. Eine Betreuung wird dem Dietz vielleicht unterfordert haben, indem sie ihm noch Dinge abnahm, die er gut selbst erledigen konnte. Das von… Weiterlesen »

bee
15 Jahre zuvor

[quote]Ich meine das ist jetzt gerade einmal vierzig Jahre her und nicht vierhundert. Hat sich wirklich soviel verändert?[/quote]

Ja, es hat sich tatsächlich viel verändert in der Zeit. Zum Glück. Ich entsinne mich noch auf ein Biologiebuch, das wir vor ca. 25 hatten, in dem (sinngemäß) Sätze standen wie: „Bei guter Betreuung sind Mongoloide gelehrig und reinlich und können sich selbständig beschäftigen.“ Und das in der gymnasiale Oberstufe. Heute kriegt man eine Gänsehaut, wenn man nur daran zurückdenkt.

Heute hätten die Eltern es einfacher, ein trisomiekrankes Kind gesund großzuziehen und gesundheitliche Risiken wie z. B. einen Herzfehler in den Griff zu kriegen. Heute hätten sie es auch viel einfacher, den Jungen zu fördern und in eine Regelschule zu bekommen. Vor dem Hintergrund muss man den Eltern hohe Anerkennung zollen, weil sie begriffen haben, dass man jemanden nicht einfach „in die Anstalt stecken“ kann. Erst recht nicht ein Kind.

bee
15 Jahre zuvor

@12 Norbert:

Da magst Du Recht haben, dass Dietz nicht die Förderung bekommen hat, die er gebraucht hätte (Stichwort Unterforderung). Aber bedenk auch, dass wir nicht von heutigen Maßstäben ausgehen dürfen. Vor 40 Jahren hätte es einfach bedeutet, den Jungen aus seiner Familie zu nehmen und ihn in einem Heim unterzubringen. Dass er Eltern, Geschwister und Freunde braucht, um nicht emotional zu verarmen.

Andrerseits muss man auch sehen, dass gerade in den letzten zehn, fünfzehn Jahren die Forschung über genetische Erkrankungen große Fortschritte gemacht hat; heute weiß man, dass sich hinter Trisomie 21 ein ganzes Bündel sehr unterschiedlicher Syndrome verbirgt, die man individuell behandeln kann. Man hat das früher über einen Kamm geschoren und ist auf den einzelnen Menschen gar nicht eingegangen. Auch das siehst Du ja als Behindertenpädagoge.

Wir brauchen einfach eine Gesellschaft, die mit Behinderten völlig normal umgeht. Betonung auf [i]einfach[/i]…

Christians Ex
15 Jahre zuvor

Unzivilisiert – eine ausgezeichnete Wortwahl für so ein intolerantes Verhalten.
Es ist ja gerade ein Zeichen unserer Zivilisation, wenn Leute mit einem mehr oder minder starken Handikap möglichst normal in unserer Mitte mitleben.

ein anderer Stefan
15 Jahre zuvor

Hinter der Ausgrenzung von Behinderten (welchen angemessenen und nicht hingequälten Ausdruck gibt es eigenlich dafür?) steckt zum einen vielfach die Angst vor allem, was anders ist. Dazu muss es ja keine Behinderung sein, dafür reicht eine andere Hautfarbe oder ein anderer Dialekt schon völlig aus. Alles, was nicht innerhalb der Toleranzgrenze der Norm liegt, wird als potentiell gefährlich oder bedrohlich angesehen. Dazu hat sich diese furchtbare Formulierung von „lebensunwertem Leben“ anscheinend sehr in vielen Köpfen festgefressen. Nicht zuletzt ist jeder in unserer Leistungsgesellschaft, der keine „normale“ Leistung bringen kann, weniger wert, im Gegenteil, er kostet ja die „Gemeinschaft“ womöglich noch Geld. Dass die meisten Leute, die so denken, sich am liebsten nicht mehr an den Gemeinschaftskosten beteiligen würden, weil sie im Wortsinne dabei sind, Asozial zu werden, ist eine andere Sache. Zivilisiert? Ich kann nicht beurteilen, wie sog. „primitive“ Gesellschaften mit Behinderten umgehen – bei schweren Behinderungen haben sie dort wahrscheinlich wirklich eine sehr geringe Überlebenschance. Wenn sie aber überleben, werden sie eine Aufgabe finden, die es ihnen ermöglicht, ihren Teil zur Gesellschaft und zu… Weiterlesen »

Wolfcrow
15 Jahre zuvor

Ich kann zu diesem Thema nur den Film Ben X empfehlen, der Junge leidet zwar unter dem Asperger, nicht unter dem Down-Syndrom aber es zeigt dennoch, wie heutzutage noch mit behinderten umgegangen wird.

Und ja, es ist traurigerweise so.

TickleMeNot
Reply to  Wolfcrow
12 Jahre zuvor

Leidet er wirklich? Leidet man unter Aspberger, Downsyndrom und anderen genetischen Veranlagungen, die übrigens keine Krankheiten sind, da man damit ja schon geboren wird?

Nun gibts bei Aspbergers natürlich auch solche und solche. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, kommen gut mit sich und ihrem Leben klar und sind Teil der Gesellschaft, so wie du und ich.

Michael
15 Jahre zuvor

„Am Liebsten hätten die gehabt, wenn wir dem Dietz gleich in ein Heim gebracht hätten“ Aus meiner Zivildienstzeit habe reichlich Erfahrung mit Behinderten eine Trisomie haben und auch Behinderten mit anderen Geistigen Erkrankungen sammeln können. Ich halte die Unterbringung als Kind in einem Heim für die beste Lösung, zum einen für die Eltern, zum anderen jedoch auch für das Kind. Ein Behindertes Kind wird für die Eltern zum Lebensmittelpunkt und beherrscht jegliche ihrer Aktivitäten und dies oft bis zum Tod. Viele Eltern sind dadurch überfordert, Soziale Spannungen zwischen den Partner und Schuldzuweisungen sind oft die Folge, diese Spannungen werden oft wenn auch indirekt auf das Kind übertragen. Die Eltern vergessen leider auch oft das sie selbst und das Kind älter werden, es ist nuneinmal nicht möglich als 80 Jähriger ein 100Kg Kleinkind zu versorgen. Für das Behinderte Kind bringt zum einen die Betreuung in einem Heim den Vorteil unter gleichen zu sein, was ihm ermöglicht statt der Rolle des Pflegefalles „normale“ Soziale Kontakte zu pflegen. Desweiteren kommt oft der Tag an dem die Eltern vor… Weiterlesen »

amaryllis
15 Jahre zuvor

… ich finde jedes Kind hat das Recht bei seinen Eltern aufzuwachsen… und die Eltern müssen dabei in einem Ausmass unterstütz werden, der ihnen und dem Kind das ermöglicht. Wenn dann das (behinderte) Kind in ein Alter kommt, in dem andere Kinder flügge werden und eigene Wege gehen sollten ausreichende betreute Wohneinrichtungen für diese Menschen bereitstehen und natürlich auch weiterhin ein enger Kontakt zur Familie gehalten werden… so wie das halt bei „normalen“ Kindern auch ist…
Ich bin ja schon gespannt wielange es noch dauert bis „Trisonomie 21“ aus irgendeinem merkwürdigen Grund zum Unwort erklärt wird.. ich bin 37 und immerhin ist das die dritte Bezeichnung die ich für diese Behinderung als korrekt erwiesen hat seit ich im Alter von 5 Jahren das erste mal einem Betroffenen begegnet bin… man darf gespannt sein was als nächstes kommt… das Leben soll ja nicht langweilig werden.

Tobias
15 Jahre zuvor

Aus der Beobachtung betroffener Eltern im Umfeld habe ich auch manchmal das Gefühl, dass sie darunter leiden und ein gutes Heim die bessere Lösung wäre.

Das ist aber natürlich eine Laienmeinung.

15 Jahre zuvor

Ich durfte letztens auch beobachten, wie eine junge Frau allein in der S-Bahn sitzend die Erzählung eines offensichtlich behinderten Mannes unterbracht mit den Worten „Für dich haben die wohl extra Harken erfunden!“. Er erzählte seinem Betreuer, dass er in den Ferien seinen Eltern beim Laubfegen geholfen hat. Da konnte ich auch nur noch den Kopf schütteln. Wie soll man auf sowas reagieren?

Rena
15 Jahre zuvor

Vorallem: ab wann ist man „behindert“? Jemand, der eine Brille braucht, ist behindert. Jemand, der einen Gehstock braucht, ist behindert. uswusf
Ich befürchte, dass bei der Mehrheit der Menschen andere mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung als behindert gelten. Kann man nur hoffen, dass es „denen“ mal nicht selbst so ergeht.

Norbert
15 Jahre zuvor

@bee (14):

Stimmt, ich wollte auch nicht vergessen, dass vor 40 Jahren noch ganz andere Meinungen über behinderte Menschen herrschten. Auch der professionelle Zugang war ein schlechterer.

Aber wenn die Familie von dem Dietz sagt: „Für uns war das ein normales Kind“, kann das nicht nur bedeuten, dass das Kind gut in der Familie integriert war. Es kann(!) auch bedeuten, dass an den Dietz Ansprüche gestellt wurden, die der Junge nie erfüllen konnte. Gleichzeitig nahm man ihm anderswo vielleicht überflüssiger Weise das Brotmesser weg, „weil er das ja nicht kann“ (obwohl er’s kann und stolz darauf ist). Diese Wechselseitigkeit aus steter Unter- und Überforderung setzt zu.

Speedmann
15 Jahre zuvor

Also einiges was ich hier lese treibt mir doch die Zornesröte ins Gesicht… Die Kinder Pauschal von ihren Eltern wegzunehmen und ins Heim zu „stecken“ ist das falscheste was man meiner Meinung nach tun kann… Ich habe selbst viel Kontakt zu behinderten (einige der engsten Freunde der Familie sind Körperlich und auch teils Geistig behindert.) und auch habe ich Kontakt zu Jugendlichen. Wenn man diesen Jugendlichen ihre Eltern „wegnehmen“ würde. Sie würden eingehen. Ich habe großen Respekt vor den Eltern und auch vor allen Menschen die mit behinderten im Kontakt stehen. Aber auch und vor allem vor den betroffenen selbst. Dieses Jahr auf Jugendfreizeit der Kirchengemeinde. Wir hatten jemanden dabei der angeblich nichts selber konnte… Aber nach der ersten Woche mit uns, hat er sehr vieles sehr selbständig geschafft (Ich weiß nicht welche Behinderung er hatte, aber das tut auch nichts zur Sache). Und er hatte spaß dabei. Er hatte spaß daran, dass er z.B. selber spülen durfte… Auf dieser Freizeit konnte ich auch sehen wie andere Jugendliche mit Behinderungen umgehen. Wir hatten viele dabei… Weiterlesen »

fuzzy
15 Jahre zuvor

In unserer Gegend wurde vor ca. 15 Jahren bei Verdacht auf Mongolismus noch zum abtreiben geraten. Und ich sehe mit Schrecken, dass immer mehr Menschen von Ärzten zur Pränatal-Diagnostik getrieben werden. Die Zukunft läuft, wissenschaftlich gesehen, auf das Designer-Kind hinaus. Wir sind auf dem besten Weg dahin.

Cari
15 Jahre zuvor

Jetzt muss ich doch mal wieder was schreiben. 😉 Eigentlich wollte ich doch nur mitlesen. Ich arbeite selbst in einer Wohngemeinschaft von geistig behinderten Menschen, darunter gut die Hälfte mit Trisomie 21. D. h. in dem Fall 11 Menschen, bei denen die Ausprägung so unterschiedlich ist, wie man sich das wohl als Mensch, der damit noch nie näheren Kontakt hatte, kaum vorstellen kann. Bei uns leben junge und nicht mehr ganz so junge Erwachsene. Die meisten sind bei ihren Eltern aufgewachsen, einer bei den Großeltern, einer im Heim, einer hat eine Internatsschule besucht. Meiner Meinung nach sollte man bei jedem Kind ganz individuell entscheiden, welche Förderung richtig ist, dabei sowohl Unter- als auch Überforderung vermeiden. Die Unterstützung, die Eltern heute bekommen können, sind immer noch nicht optimal, allerdings Lichtjahre von dem entfernt, was früher üblich war („Geben sie das Kind ins Heim, sie ersparen sich eine Menge Kummer, älter als 20 Jahre wirds eh nicht“). Gerade in den ersten Lebensjahren ist für ein Kind kaum etwas wichtiger als die Förderung durch die Eltern. Behindert oder… Weiterlesen »

bee
15 Jahre zuvor

@23 Norbert:

Eben deswegen ist es gut, dass es heute Behindertenpädagogen wie Dich gibt 🙂 Der richtige Weg sollte imho sein, dass man

1. noch individueller auf die Behinderung eingeht und die Stärken und Schwächen erkennt, damit man gezielter auf den einzelnen eingehen kann. Behinderte haben wie jeder andere auch Stärken, die man fördern kann, wenn man jemandem damit mehr Selbstbewusstsein gibt, haben wir schon viel gewonnen und viel erleichtert.

2. partnerschaftlicher miteinander umgeht, zuerst zwischen Familie und Fachpersonal; es ist besser, wenn man sich die Erziehung und Ausbildung teilt, als wenn beide Seiten von verschiedenen Seiten an einem Kind zerren und es jeweils in ihrem Sinne „prägen“ wollen. So viel Familie und normales Lebensumfeld wie möglich, aber auch offene Einrichtungen, in denen behinderte Kinder [i]und[/i] ihre Eltern qualifizierte Unterstützung von Pädagogen und Pflegekräften bekommen.

Ob das zu viel verlangt ist? Ich denke, das geht.

Laemmchen
15 Jahre zuvor

Ich finde es erschreckend dass es diese Diskussionen und Meinungen immer noch gibt.

Laemmchen
15 Jahre zuvor

Ich finde es erschreckend dass es diese Diskussionen und Meinungen immer noch gibt. Ich meine natürlichdie negativen…

MacKaber
15 Jahre zuvor

Im Kindergarten war bei uns Karlchen K.
So kannten wir ihn von klein auf, und grüßten und freudig, wenn wir uns in der Stadt trafen. Später kam er „irgendwo“ in ein Heim, weiter weg, denn wir waren nur ein kleiner Landkreis, der nicht jede
Einrichtung hatte. Sein Vater war zwischenzeitlich pensioniert und hatte selbst mit körperlichen Beeinträchtigungen zu kämpfen. Denke ich an meine Kigazeit zurück, so tauchen Karlchen K. und Tante Margot stehts in den Erinnerungen mit auf.

Winnie
15 Jahre zuvor

Junge Leute sagen oft solche Sachen wie: „Bist Du behindert?“ oder „Bist Du besoffen?“ Im Laufe einer Diskussion meiner Tochter mit Ihresgleichen kam ich dazu und auf eine Bemerkung von mir fiel ihr ebenfalls „Bist Du behindert?“ aus der Lippe. Dazu sagte ich nur, „Ja sicher, das weißt Du doch. Auch wenn man es nicht direkt sieht. Wieso fragst Du?“ Sprachlosigkeit und ein gepflegter Farbwechsel waren die Folge, gefolgt von einer Entschuldigung. Wir haben doch damals in der Schulzeit auch immer standart Sätze wie: „Was willst Du Spasti denn?“ gasagt. Einfach ohne nachzudenken und trotzdem haben wir alle Behinderten oder wie man gelegentlich heute auch sagt körperlich/geistig Benachteiligten respektiert und ihnen geholfen, wenn es nötig war. Wir haben solche Menschen auch verteidigt, wenn sie wirklich, wie in Toms Bericht und einigen Kommentaren geschrieben, beleidigt oder gehänselt wurden. Das war halt selbstverständlich und auch heute ist es genauso wie ich schon oft erleben konnte. Schlimmer ist es da z. B. wie es meinem Bruder vor Jahren erging, als er noch selbstständig war. Er und meine Schwestern… Weiterlesen »

15 Jahre zuvor

Ich finde unheimlich traurig, dass Behinderte Menschen damals und auch heute noch wie Menschen 2. Klasse behandelt werden. Es sind doch auch Menschen wie du und ich. Trisomie21 Erkrankte haben sich ihre Behinderung nicht ausgesucht, aber sie machen mit Hilfe ihrer Eltern und Erzieher das beste daraus. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen wegen Äußerlichkeiten abzuwerten. Manch einer ist nicht ganz richtig im Kopf, lebt in einer eigenen Welt und kommt nicht so 100% alleine zurecht. Denoch kann es ein ganz toller Mensch sein und oft sind es gerade die Behinderten, die unheimlich lieb sind und kompromisslos für ihre Freunde und Lieben da. Ich bin gerade wieder schwanger und wurde vom Arzt natürlich auch nach der Diagnostik gefragt. Ich habe es nicht machen lassen und ich lasse es nicht machen. Trisomie21 ist für mich kein Grund abzutreiben. Mir kann kein Diagnoseverfahren sagen, ob es ganz schlimm ausgeprägt ist, sodass wir selbst damit nicht klar kommen und das Kind in einem Heim besser versorgt wäre, oder ob das Syndrom nur schwach ausgeprägt ist und das… Weiterlesen »

Sonja
15 Jahre zuvor

Was Tolleranz angeht, können so einige Leute noch was lernen. Es ist nach wie vor bei vielen leider so, dass alles, was nicht exakt normal (was auch immer „normal“ sein soll) ist, unangenehm und unpassend ist. Meine Eltern haben Menschen in ihrem Bekanntenkreis, die im Park mit den Enkelkindern spazieren gehen und nix dabei finden, wenn sich da ein Hetero-Paar mehr schlecht als recht vor kindlichen Augen verdeckt vergnüngt. Aber wehe ein schwules oder lesbisches Pärchen kreuzt Händchen haltend den Weg! Und genauso geht es vielen auch heute noch mit Behinderten, nur dass es nicht mehr ganz so offen rausposaunt wird, wenn man damit ein Problem hat, wie noch vor ein paar Jahren. Aber Rena hat recht, wo fängt die Behinderung an? Als Kind habe ich hier ein Theaterstück für Kinder und Jugendliche gesehen, in dem es genau darum ging. Im Prinzip ging es um eine Familie, deren einer Sohn im Rollstuhl saß. Die Idee dahinter war aber, dass jeder in dieser Familie auf die ein oder andere Weise behindert war und der Junge im… Weiterlesen »

christian
15 Jahre zuvor

Also, ich muss hier mal eine Lanze für die Jugend brechen. Als Lehrer an einem eher ländlichen Gymnasium habe ich eine Umfrage veranstaltet, in der die Jugendlichen sich dazu äußern sollten, welche Schimpfwörter und Titulierungen akzeptabel, bzw. nicht akzeptabel sind. Ein Ergebnis war, dass die von TOM genannten Begriffe völlig inakzeptabel sind. Jemanden als „Spasti“ oder „Krüppel“ zu bezeichnen ist also zumindest an meiner Schule überhaupt nicht drin.

Ansonsten kann ich mich vielen Negativerfahrungen der Vorposter anschließen. Als Zivi an einer „Schule für praktisch Bildbare“ habe ich das oft genug auch erfahren.

Andre
15 Jahre zuvor

Ich habe lange Zeit ehrenamtlich mit jungen und erwachsenen Menschen mit Down-Syndrom zusammengearbeitet und sie waren in ihrer Art allesamt menschlicher, ehrlicher und angenehmer als alle anderen Personen um mich herum.
Ich hab noch nie so viel Spass mit andern Menschen gehabt wie in dieser Zeit!

Levia
15 Jahre zuvor

Echt furchtbar, dass wir in unserer heutigen Zeit z.T. nicht wirklich weiter sind als im Dritten Reich. Dass die Jugendlichen aber z.T. sagen „Ey, bist du behindert oder was?“ darf man allerdings auch nicht überbewerten, das ist genauso wie meine Generation (bin jetzt 27) das schon in der Schule gesagt hat und auch „Piecks, du hast jetzt Aids.“, was ja nicht weniger blöde ist. Mein Freund hat allerdings mal auf so eine Frage „Ey, bist du behindert?“ mit „Ja!“ geantwortet weil er es (nicht sichtbar) ist. Da hat der Teenie aber blöde geschaut *gg*

LG levia

Emz
15 Jahre zuvor

Stimmt Levia, das scheint ein wenig pubertärer Zeitgeist. Wobei die Jugendlichen sich so ja nicht nur gegenseitig titulieren. Wenn es kein hitzefrei gibt, oder die Lieblingsserie Sommerpause hat, ist das „voll behindert“. Gern auch beliebig ersetzbar durch „voll schwul“, was genauso negativ gemeint und wahrscheinlich mit „voll scheixxe“ gleichzusetzen ist. Mit unserer heute 25jährigen Tochter hatten wir schon vor mehr als 10 Jahren eine heiße Diskussion darüber, was das eigentlich soll. Ergebnis war, dass wir ihr verboten haben, diese Begriffe so in unseren Haus zu benutzen. Wozu ich auch immer noch stehe. Ob, warum und wo sie diese Begrifflichkeiten nutzt(e) war egal und eh nicht wirklich nachvollziehbar, nur eben nicht in unserer Gegenwart. Heute schämt sie sich dafür und ist froh, dass wir ihr ein paar moralische Werte vermittelt haben. Sie sieht selbst bei ihren Kommilitonen, wie viele absolut „wertfrei“ erzogen worden sind und findet das ziemlich erschreckend. Ihr Bruder ist jetzt übrigens 15 und ob er sich außerhäusig so artikuliert kann ich nicht sagen, denn Zuhause formuliert er seine Abneigungen fast vorbildlich 😉 Liegt… Weiterlesen »

15 Jahre zuvor

@18 Das hier finde ich komplett ziemlich daneben. „Aus meiner Zivildienstzeit habe reichlich Erfahrung mit Behinderten eine Trisomie haben und auch Behinderten mit anderen Geistigen Erkrankungen sammeln können. Ich halte die Unterbringung als Kind in einem Heim für die beste Lösung, zum einen für die Eltern, zum anderen jedoch auch für das Kind. Ein Behindertes Kind wird für die Eltern zum Lebensmittelpunkt und beherrscht jegliche ihrer Aktivitäten und dies oft bis zum Tod. Viele Eltern sind dadurch überfordert, Soziale Spannungen zwischen den Partner und Schuldzuweisungen sind oft die Folge, diese Spannungen werden oft wenn auch indirekt auf das Kind übertragen. Die Eltern vergessen leider auch oft das sie selbst und das Kind älter werden, es ist nuneinmal nicht möglich als 80 Jähriger ein 100Kg Kleinkind zu versorgen.“ Erst einmal, weil es bei kaum einem Problem „die beste Lösung“ für alle gibt. Schon garnicht bei etwas, was so unterschiedliche Erscheinungsformen hat, wie Trisomie 21 das geht von Paplo Pineda (ist lehrer) bis hin zu Leuten, die erhebliche Probleme auf vielen Feldern haben. Außerdem weiß ich nicht,… Weiterlesen »

der Glöckner
15 Jahre zuvor

Ich möchte hier die herzerfrischende französischen Tragikomödi „Le huitième jour“ (Am achten Tag) von 1996 mit Daniel Auteuil und Pascal Duquenne erwähnen, der sich ohne Berührungsängste mit dem Thema auseinandersetzt.

Astrid
14 Jahre zuvor

„Doch eine Sache, die lassen wir keinem unserer Kinder durchgehen, nämlich wenn einer den anderen als „Behinderten“ bezeichnet. Es scheint irgendwie aus der Schule mit herüber geschwappt zu sein und gilt im Moment nicht nur bei unseren Kindern als chic, den anderen als Mongo, Behindi oder Krüppel zu beschimpfen.“

Hmm…wenn ich so zurückdenke, da müsste ich vermuten, dass die Geschichte an die 15-20 Jahre zurücklegen muss. Oder es ist so, dass jederzeit, egal wann, Kindern es lustig erscheint, sich gegenseitig als behindert zu beschimpfen. Owohl das mittlerweile ja wohl zu „Du Opfer“ mutiert zu sein scheint.




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