Geschichten

Der Fleck an der Deck -III-

Wir haben nur die Läden wieder zu gemacht, auf Schlitz, wie man so sagt; die Fenster hatten wir offen gelassen.
Frau Zimmermann weinte und am Liebsten hätte ich die zierliche, alte Frau in den Arm genommen. Das kann ich nämlich gut, aber ich wollte niemanden anfassen, sondern unbedingt so bald wie möglich meine Hände waschen.

Ehrlich gesagt wollte ich am Liebsten alle meine Kleider abwerfen und ein heißes Vollbad nehmen…

So wie es aussah, hatten wir es mit einem klassischen Messie zu tun, einem jener Menschen, die in ihrem eigenen Unrat verkommen und ganz offenriechlich war Herr Krause schon vor Jahren dazu übergegangen, ich muß es mal so hart und deutlich sagen, in alle Ecken und Winkel seiner Wohnung zu pissen und zu kacken. Sau!

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Wie kann man es in einem solchen Dreck nur aushalten, wie kann man da leben, essen, schlafen, trinken?

„Vielleicht kommt er ja wieder“, gab Frau Zimmermann ihrer Hoffnung Ausdruck, denn offensichtlich hätte sie lieber weiter mit dem Dreckspatz unter einem Dach gelebt, statt die Polizei vor und in dem Haus zu haben. So sind alte Leute manchmal.

„Wo soll der denn sein?“ fragte ich zweifelnd und während wir an Frau Zimmermanns Küchentisch saßen, kamen wir dann zu dem Ergebnis, daß wir mal beim Ordnungs- oder Gesundheitsamt anrufen könnten.
Das taten wir dann auch und der Mann beim Ordnungsamt gab sich am Telefon einsilbig, scheinbar uninteressiert und ich hatte auch den Eindruck, als sei er gerade dabei etwas zu essen, während er sich umständlich unseren Namen und die Adresse notierte. Wir würden dann von ihnen hören, zack, das war’s.

Nee, das war’s nicht und es kam genau so, wie Frau Zimmermann es eigentlich nicht hatte haben wollen.
Etwa eine gute halbe Stunde später klingelten gleich vier uniformierte Polizisten an der Tür, im Gefolge waren zwei Sanitäter, vielleicht war das sogar ein Notarzt, dann kamen noch zwei Damen dazu und am Ende gingen dann sechs oder acht Leute nach oben in die Wohnung des Herrn Krause.

„Da is‘ keiner“, war die Auskunft des Polizisten und dann übergab er sich über den Zaun in eine Regentonne.
Die zwei Damen stellten sich als Frau Meier-Enkenmeier vom Ordnungsamt und Frau Dr. Gitz vom Gesundheitsamt vor. Tja, da könne man jetzt nichts machen, da sei ja niemand, das sei jetzt mal Sache der Polizei, ob der denn Verwandte habe, ob wir wirklich nicht wüßten wo der sein könne und ja, man könne die Fenster ruhig auflassen und sei ganz richtig gewesen, daß wir uns gemeldet hätten.

Die Retter und die Damen zogen wieder ab, der eine Streifenwagen auch und die anderen beiden Polizisten notierten sich recht uninteressiert so allerlei Informationen und versprachen dann, sich bei Frau Zimmermann zu melden, sobald man irgendetwas wüßte.

Das war dann am nächsten Tag schon der Fall.
Herr Krause hatte nämlich einen Betreuer, das hatte man schnell herausgefunden und dieser Betreuer, von dem Frau Zimmermann gar nichts wußte, hatte Herrn Krause schon vor acht oder zehn Wochen ins Krankenhaus gebracht, nachdem er in einem Park betrunken aufgefunden worden war. Vom Krankenhaus aus hatte man Herrn Krause in ein Heim gebracht. „Der konnte doch unmöglich wieder in seine Wohnung zurück, sagte der Betreuer zu Frau Zimmermann und die fragte berechtigterweise zurück, warum er sich denn nicht mal bei ihr gemeldet habe.
„Wollte ich ja, ganz bestimmt sogar, aber ich bin da gar nicht zu gekommen, ich habe 52 Fälle und da kommt alles immer der Reihe nach.“

Ja wie es denn jetzt weitergehe, wollte Frau Zimmermann wissen und der Betreuer sagte nur: „Geld hat der ja keins, der hat ja gar nichts. Das bißchen Rente was der kriegt, das geht ja jetzt alles fürs Heim drauf und den ganzen Rest zahlt das Sozialamt. Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, daß die Miete seit Monaten von mir überwiesen worden ist?“

Nein, Frau Zimmermann hatte das nicht mitbekommen, die Miete war immer eingegangen und mehr hatte sie nicht interessiert.

„Tja“, soll der Betreuer gesagt haben, „die Renovierung der Wohnung wird wohl das Sozialamt bezahlen. Ich kümmer‘ mich darum, bestimmt, ganz bestimmt.“


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 6. Oktober 2010 | Revision: 16. Juni 2012

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Stefan
13 Jahre zuvor

„Ich kümmer‘ mich darum, bestimmt, ganz bestimmt.“ – Aber immer schön der Reihe nach, wir sehen uns dann in 15 Jahren oder so.

Sozialamtsmensch
13 Jahre zuvor

Nein, zahlt es nicht^^

Die Aussage des Betreuers ist einfach nur dämlich und falsch.

Auch wenn das für die alte Frau ein herber Schlag ist und sie mit einer Wohnung allein gelassen wird, wo man wohl am ehesten einen Bagger und einen Container bräuchte: Das ist nichts, was die Allgemeinheit übernimmt.
Und ganz ehrlich: Das ist auch ok so.

Wenn sich Menschen zusammentun und etwas miteinander vereinbaren (hier ein Mietverhältnis), dann ist das zunächst die Sache der beiden Menschen. Wenn der eine Mist baut (hier: die Wohnung verdreckt), hat der andere die Möglichkeit (zumindest theoretisch), sich dagegen zu wehren.
Klar, praktisch sieht es so aus, dass die alte Dame allein mit diesem Mist fertig werden muss. Doch bei allen Schwierigkeiten und bei allem Mitgefühl: Das ist nichts, was die Allgemeinheit aus Sozialhilfemitteln bestreiten sollte – und auch nicht wird.

Klaus
13 Jahre zuvor

Also wenn das Amt die Renovierung zahlt, dann hat sie ja nochmal Glück gehabt!

Verena
13 Jahre zuvor

Oh man, die alte Dame und auch Du 😉 tun mir leid.
Ich hoffe jemand (keine Familie von dem Herrn vorhanden?) übernimmt es und sie muss es nicht aus eigener Tasche zahlen, aber ich ahne schlimmes… 🙁

Liebe Grüße

Michael
13 Jahre zuvor

Da stellt sich die Frage ob man den Betreuer nicht ein Pflichtversäumnis nachweisen kann. Er scheint ja über Jahre die Wohnung nicht betreten zu haben und keine Kenntnisse von den Lebensumständen gehabt zu haben.

Als Vermieter hat man aber eigentlich immer die Arschkarte, zuerst wird man den Mieter nicht los und danach bleibt man auf allen Kosten sitzen, welche exorbitant hoch sind weil man die Mieter lange nicht los wurde.

Tzosch
13 Jahre zuvor

Solche Betreuer bräuchten einen Betreuer!

Helmut
13 Jahre zuvor

Auch wenn es hart ist, für die alte Dame, das ist das was man „unternehmerisches Risiko“ nennt.

13 Jahre zuvor

Das „unternehmerische Risiko“ kann auch schon mal Existenzen vernichten. Das war zwar bei meinr Mutter icht der Fall, hat aber trotzdem die Ersparnisse fast komplett aufgefressen. Die Wohnung war zwar nicht genz so schlimm verwüstet, wie im bschriebenen Fall, aber die Weiderherstellung eines bewohnbaren Zustandes _ohne Anspruch auf irgendwelchen Komfort_ hat auch heftigst Geld gekostet. Darüberhinaus enstand durch mehrere Diebstähle des Mieters und seiner polizeibekannten Komplizen ein weiterer Schaden von einigen Tausend EUR, der, da sich die Verbrecher in einer konzertierten Aktion trickreich einen Nachschlüssel besorgt hatten und daher nicht „einbrechen“ mussten, noch nicht einmal von der Versicherung gedeckt war. Dafür durfte meine (damals 87 jährige) Mutter dann im Gerichtsverfahren sich nochmal der für sie sehr belastenden Konfrontation mit den rotzfrechen Angeklagten aussetzen. Auf allen Kosten blieb sie selbstverständlich sitzen. Die Angeklagten wurden zwar verurteilt verließen den Grichtssaal aber als freie Menschen und haben ihre Sozialstunden zum Teil bis heute noch nicht geleistet. Dafür hat das Päärchen bereits eine weitere Wohnung verwüstet und mit Mietschulden hinterlassen und steht wegen weiterer Diebstähle und Betrügereien vor Gericht.… Weiterlesen »

Norbert
13 Jahre zuvor

„Betreuung“ klingt ja immer nach waschen, pflegen, füttern. Aber ein Betreuer kann vom Betreuungsgericht auch nur darauf angesetzt sein, sich um das Finanzielle zu kümmern. Dann macht der auch nur das und nichts weiteres.

Big Al
13 Jahre zuvor

Kall, wie kannst du Opferschutz verlangen?
Wichtiger ist doch die Wiedereingliederung der armen armen sozial entgleisten Verbrecher, denn da hängt ein ganzer Wirtschaftszweig an Sozial-und sonstigen Arbeitern dran!
Wenn ich mal im Zorn jemanden erschlage sage ich hinterher auch dass ich in meiner Kindheit vom Wickeltisch fiel und daher auf „Schuldlos“ und Wiedereingliederung bestehe…
B. A.

Doris Gray
13 Jahre zuvor

Also, wenn ich als Betreuer die Miete für eine meiner zu Betreuenden überweisen und letztlich wohl auch zahlen müsste -der Herr hatte ja lein Geld mehr- , dann wäre bei mir „Vermieterin Informieren/ Wohnung kündigen“ bei mir ganz vorne in der Reihe…

Verena
13 Jahre zuvor

Fällt mir gerade noch ein wegen Betreuer:
Ich glaube es gibt genug Betreuer die selbst betreut/überwacht werden sollten… Klar, sind sicherlich Ausnahmen, zum Glück ist nicht jede/r so…

Aber ich sah es vor Jahren bei der Oma meiner Geschwister.
Die Oma lag eines Tages in der Wohnung, was genau passiert war weiß ich nicht, kam ins KH, lag im Wachkoma, danach kam sie ins Pflegeheim wo sie letztendlich dann auch leider kurz darauf verstarbt.
Zuvor (als sie noch lebte) schwatzte ihr diese ‚Betreuerin‘ Kleinigkeiten (Sekt, Pralinen) ab (bekamen wir mit). Die ‚Betreuerin‘ fing damals als erste an die Wohnung auszuräumen nach dem Tod der Oma.
Oma hatte Fotos von ihrem Schmuck (nicht wenig und nicht günstig) in der Schublade (wieso auch immer, alte Dame halt) aber der Schmuck selbst war nie auffindbar…
Verschenkt hätte sie ihn nie, da er eigentlich vererbt werden sollte an die Enkel.

Liebe Grüße




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