Fundstücke

Der herzlose Bestatter und die Turbobeisetzung

Seebestattung

Ein Bestatter hat die Kinder nicht an der Beisetzung ihres Vaters teilnehmen lassen. In Windeseile hat er die Asche in einer Art Turbobeisetzung im Meer versenken lassen.

Das zumindest war der Eindruck, den die Leser des „Bürgerkuriers“1 bekommen mussten, als in den „Nachrichten für den Kreis Rhein-Westerwald-Sieg“ über eine Bestattung berichtet wurde.

Alles Humbug, alles Blödsinn, alles nur eine Zeitungsente, das sagt das Bestatterweblog dazu.

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Die Berichterstattung im Bürgerkurier erscheint mir als ein Paradebeispiel für überhastete Berichterstattung nur einseitig informierter Journalisten, die sich nicht die Mühe gemacht haben, die Sachverhalte nachzurecherchieren.

Es ist für jeden Journalisten verlockend, wenn er eine vermeintlich sensationell anmutende Geschichte erfährt, schnell darüber zu berichten, bevor es ein anderer tut. Einen Scoop2 zu finden, ist besonders schwer, bringt aber auch viel Aufmerksamkeit ein.

Doch gilt die Maxime, dass gerade der Scoop, also eine Exklusivmeldung, die man vor allen anderen bringen kann, ganz besondere Risiken in sich birgt und deshalb außerordentlich gut nachzurecherchieren ist. Denn sonst geht es einem am Ende so, wie dem STERN mit seinen berühmten Hitler-Tagebüchern3.

Was also hatte der Bürgerkurier berichtet?

Am 13. Juli 2025 schrieb das regionale Informationsmedium darüber, dass den Kindern eines Verstorbenen aus Horhausen, von der neuen Frau ihres Vaters und dem beauftragten Bestatter die Teilnahme an der Seebestattung ihres Vaters verweigert wurde. Als die sieben Kinder herausfinden wollten, wo sich die Urne des Vaters befindet, ließ die Stiefmutter in einer Audio-Message an ihren Nachbarn verlauten, die Urne sei bereits am Samstag (12.7.2025) im Meer versenkt worden.

Hieraus machte der Bürgerkurier:

Herzloser Beerdigungsunternehmer macht dicken Reibach mit Turbo Seebestattung

Urne schnellstens ins Meer versenkt. – Nach der Abholung aus einem Hospiz wurde den drei Kindern des Verstorbenen keine Möglichkeit mehr gewährt Ort und Zeit zu erfahren um am Grab des Vaters zu trauern. Die Stiefmutter hatte wohl offensichtlich viel Geld in die Hand genommen damit binnen vier Tagen die Urne mit der Asche im Meer versenkt werden konnte.

Üblicherweise vergehen … etliche Tage ehe eine Bestattung stattfinden kann. Hier aber wurde die Verzweiflung der Trauernden arglistig des Geldes wegen einfach ignoriert und die Urne bereits vier Tage nach dem Tod des Vaters im Meer versenkt.

Der Normale Weg per Post hätte 32 Euro gekostet. Für eine Überführung ans Meer stehen schlappe 2.000 Euro zu Buche, lässt ein Neuwieder Kollege wissen. Unschöne Machenschaften zwischen einer Stiefmutter und einem geschäftstüchtigen Bestatter. Zurückbleiben drei verzweifelte Menschen, die keinen Ort für ihre Trauer haben und wenig Verständnis für die Hauruckbestattung aufbringen.

Sollte ein solider Bestatter nicht eigentlich wissen, wie sehr in diesem Fall Menschen leiden, denen der letzte Weg und der Abschied für immer vorenthalten wird. Offensichtlich war diesem Unternehmer klar, dass man einer berechtigten, gerichtlichen Verfügung zuvorkommen müsse. Mit diesem perfiden Schachzug hat der Unternehmer zwar jede Menge Geld verdient, aber auch große Verzweiflung im Leben von trauernden Menschen zu verantworten.

Mit dem Verhalten ist nicht nur die Familie des Verstorbenen bitter enttäuscht worden sondern auch ein Imageschaden bei seinen fürsorglichen Kollegen im vorderen Westerwald entstanden. Im Nachlassfall sollte eigentlich Vertrauen Ehrensache sein.

Quelle: Bürgerkurier.de4

Was ist der Sachverhalt?

Die Ehefrau des Verstorbenen ist nicht die Mutter der (erst mit drei, dann mit sieben angegebenen) Kinder des Verstorbenen.
Offenbar gab es Zerwürfnisse in der Familie, die die bestattungsberechtigte Ehefrau dazu veranlasste, die Kinder nicht bei der Beisetzung dabeihaben zu wollen.
Das haben wir nicht zu bewerten, weil wir die Verhältnisse in der Familie nicht kennen. Wir wissen auch nicht, ob die Witwe damit einen Wunsch des Verstorbenen umgesetzt hat.
Der Bürgerkurier moniert, dass der Bestatter im Auftrag der Ehefrau die Urne nicht für 32 Euro per DHL versandt hat, sondern die Urne selbst für angeblich 2.000 Euro zur Seebestattungsreederei gebracht hat.
Offenbar, um Verwirrung zu stiften und falsche Informationen zu säen, hat die Witwe einem Nachbarn gegenüber behauptet, die Seebestattung sei schon erfolgt.

Das bringt die Journalisten des Bürgerkuriers dazu, den Bestatter als herzlos zu bezeichnen. Er wird als jemand dargestellt, der „einen dicken Reibach“ macht, was gemeinhin dafür steht, dass jemand unverhältnismäßig viel für eine Arbeit berechnet. Dem Bestatter wird die Schuld daran gegeben, dass „Menschen leiden“, dass „verzweifelte Menschen keinen Ort für die Trauer haben“ und ihm wird eine „Hauruckbestattung“ unterstellt.
Ja, der Bürgerkurier geht sogar so weit, dem Bestatter zu unterstellen, er habe „einen Imageschaden bei seinen fürsorglichen Kollegen“ verursacht.

Das sind alles Sachen, die schon sehr nahe an den Tatbestand der Schmähkritik heranreichen, wie ich finde.

Man darf nicht vergessen: Der Bestatter ist ein Dienstleister und führt die Aufträge seiner Kunden durch. Er ist vertragsgemäß an die Weisungen seiner Kunden gebunden.
Selbst wenn es dem Bestatter persönlich nicht gefällt, Angehörige von der Beisetzung auszuschließen, muss er sich diesbezüglich an die Weisungen seiner Auftraggeberin halten.
Wenn die Kundin wünscht, dass die Urne schnellstmöglich per Auto überführt werden soll, muss der Bestatter das so machen. Dass eine zweitägige Fahrt mit dem Bestattungswagen ordentlich was kostet, liegt selbstverständlich auf der Hand und hat mit Reibach überhaupt nichts zu tun (zumal die genannte Summe auch wieder nur Hörensagen ist, denn diese Info hat der Bürgerkurier „von einem Neuwieder Kollegen“).

Frech ist die Aussage: es sei „auch ein Imageschaden bei seinen fürsorglichen Kollegen im vorderen Westerwald entstanden“.
Da höre ich doch den konkurrierenden Bestatter, den der Bürgerkurier befragt hat, förmlich über seinen Konkurrenten schimpfen, so scheint mir das wenigstens.

Nun sieht sich die Webseite „Bürgerkurier“ aber zu einer Richtigstellung veranlasst5.
Es handele sich um eine „Fake-Nachricht“, wird nun gesagt und dann schreibt man:

„Bei so viel unterschiedlicher Information ist es schwer eine korrekte Richtigstellung zu verfassen. Richtig ist, dass der Bestatter die Urne, nicht wie sonst üblich für kleines Geld mit der Post zur Reederei geschickt hat. Ob er wirklich einen dicken Reibach mit der zweitägigen Tour ans Meer gemacht hat, wird sich an der späteren Rechnung zeigen, die eben diese ausgesperrten Familienmitglieder, die notariell auch die Erben sind, zahlen müssen. Denn auch, wenn, wie fälschlich berichtet wurde, die Stiefmutter angeblich schon viel Geld in die Hand genommen und zusammen mit dem Bestatter dem Rest den Angehörigen von der Bestattung ausgeschlossen hatte, bleibt der Vorwurf, bei den Trauernden unsägliches Leid verursacht zu haben. Die Geschichte, die hier das Leben schreibt, bleibt also weiter spannend.“

Leute, das ist keine Entschuldigung für diesen journalistischen Bockmist.
Wenn es „Viel unterschiedliche Informationen“ gibt, dann muss man sich hinsetzen und die sortieren, nachfragen, nachrecherchieren und der Wahrheit auf den Grund gehen. Man kann dann nicht einfach mal eben so etwas schreiben, von dem man glaubt, es könne so oder so gewesen sein, und dabei einen Bestatter ungerechtfertigt in den Schmutz ziehen. Das beauftragte Bestattungsunternehmen hat nur das gemacht, wofür es da ist: Den Auftrag seines Kunden wunschgemäß umzusetzen.

Schon die Formulierung „die Stiefmutter angeblich schon viel Geld in die Hand genommen und zusammen mit dem Bestatter dem Rest den Angehörigen von der Bestattung ausgeschlossen hatte“ lässt es so erscheinen, als gäbe es da zwischen der Stiefmutter und dem Bestatter so eine Art Komplizenschaft, in der möglicherweise ungerechtfertigt viel Geld eine Rolle gespielt habe. Das ist aber gar nicht der Fall. Wie ich schon sagte: Der Bestatter bekommt einen Auftrag, führt diesen aus und bekommt dafür das Geld, das ihm zusteht, Punkt.

Die Fahrtkosten und der perfide Schachzug

Auch dieser Satz ist schlichtweg eine Frechheit: „Mit diesem perfiden Schachzug hat der Unternehmer zwar jede Menge Geld verdient“.
Wo ist denn das bitteschön ein „perfider Schachzug“? Ein Unternehmer bekommt von seinem Kunden einen Auftrag und erfüllt diesen. Was ist daran perfide? Was macht die zügige Auftragserfüllung zu einem „Schachzug“?
Und: Wo hat denn der Bestatter damit „jede Menge Geld verdient“?
Was ist überhaupt „jede Menge Geld“? Auf jeden Fall ist es keine Größe, die in ordentlicher journalistischer Berichterstattung eine Berechtigung hat.
Der Schreiber hat offenbar keine Ahnung davon, was Personalkosten sind, er weiß nicht, was Fahrzeugkosten sind und was Benzin kostet. Und: Er weiß ja noch nicht einmal ob dieser Betrag überhaupt stimmt!

Ich habe mal die Strecke vom Krematorium in Dachsenhausen und Kiel in den Falk-Routenplaner eingegeben, das hätte der Bürgerkurier auch mal machen können:

Daraus ergibt sich, dass die Strecke rund 630 km lang ist, hin und zurück also 1.260 Kilometer.
Für die Benzin- und Kilometerkosten kommt der Falk-Routenplaner auf 274 Euro, also 548 Euro für Hin- und Rückweg.
Die Fahrtzeit beträgt rund 6 Stunden. Das bedeutet, ich darf einen Fahrer nicht am selben Tag zurückfahren lassen und würde ihm auf jeden Fall eine Übernachtung zahlen müssen. Denn Bestattungswagen haben, anders als Fernlastzüge, keine Schlafkabine an Bord (bitte keine Witze über „Hintenreinlegen“ oder so). So eine Übernachtung mit Verpflegungspauschale kostet auch so um die 150 Euro.
Der Fahrer muss also, wenn ich jetzt nur die reine Wegzeit berechne, für 12 – 14 Stunden Lohn erhalten. Das sind auch so um die 250 Euro.
Wir kommen also, grob überschlagen auf knapp 1.000 Euro, die der Bestatter aufwenden muss, um den Transport durchzuführen. Eher dürfte es mehr kosten.

Und da Bestatter keine Behörden sind, keine wohltätigen Vereine und keine mildtätigen Organisationen, muss der Bestatter da auch noch einen Gewinn draufschlagen. Jawoll, das darf er, das muss er, das erwartet das Finanzamt von Kaufleuten. Und da er auch Steuern und Abgaben auf alles zu zahlen hat, verdoppelt sich so ein Betrag schnell, ohne dass ein fetter Reibach gemacht wird.
Die 2.000 Euro halte ich für durchaus realistisch. Wer so etwas bestellt, muss eben auch die hohen Kosten zahlen.

Übrigens: Wer das am Ende alles bezahlen muss, weiß hier keiner. Zunächst einmal steht die Auftraggeberin dem Bestatter für alle Kosten ein. Sie hat das bestellt und sie muss das auch bezahlen. Den Bestatter interessiert nicht, ob da am Ende noch jemand anders für die Rechnung geradestehen muss.
In den Berichten des Bürgerkurier habe ich es so verstanden, als ob die Kinder als Erben die Kosten übernehmen müssten. Das stimmt in gewisser Weise, weil das BGB es vorsieht, dass der Erbe die Bestattungskosten zahlt. Aber m.W. kann der Erbe bzw. können die Erben nur für eine angemessene, standesgemäße und würdige Bestattung in Anspruch genommen werden und nicht für aberwitzige Kinkerlitzchen, die jemand anders in Auftrag gegeben hat. Das haben wir hier im Bestatterweblog schon oft diskutiert.

Und eins ist sicher: Es ist absolut unüblich, eine Urne mit einem Bestattungsfahrzeug quer durch die Republik zu fahren. Üblich ist der DHL-Versand.
Allerdings wird das immer wieder gemacht, wenn es mal schnell gehen soll oder wenn die Angehörigen auf keinen Fall einen Verlust der Paketsendung riskieren möchten.

Ob das Ganze schön für die anderen Angehörigen ist, ob die in ihrer Trauer gestört sind oder ob das Ganze moralisch schlecht zu bewerten ist, hat der Bestatter nicht zu bewerten und zu entscheiden.
Wenn ein Fahrgast in ein Taxi steigt und nach Prutzelmannshausen gefahren werden will, muss es dem Taxifahrer auch egal sein, ob er es in Prutzelmannshausen schön findet.
Wenn sich ein Kunde in einer Konditorei Senf auf seinen Bienenstich schmiert, geht das den Konditor nichts an. Und wenn jemand bei einem Schreiner runde Türen bestellt, macht der Schreiner ihm die wahrscheinlich und schreibt dann eine Rechnung dafür.

• Der Fall zeigt exemplarisch, wie sensibel, konfliktträchtig und missverständlich Bestattungsangelegenheiten sein können, wenn es an Transparenz, Kommunikation und klaren Zuständigkeiten mangelt.
• Familiäre Spannungen (Patchworkfamilien, Stiefverhältnisse, Erbfragen) verschärfen die emotionale Lage zusätzlich.
• Der Vorwurf an Bestatter und Stiefmutter bleibt nicht ohne Gewicht: Sie haben offenbar wesentliche Angehörige bewusst ausgeschlossen oder zumindest schlecht informiert.
• Zugleich bleibt die Frage offen, ob der Bestatter durch eine unnötige Reise „abkassiert“ hat – das wird sich wohl erst mit der Rechnung zeigen.

Der Skandalbericht vom 13. Juli („Turbobestattung“) war voreilig, basierend auf Hörensagen.

Datum Ereignis
Vor dem 12. Juli 2020 Ein Verstorbener aus Horhausen wird kremiert. Die Urne ist beim Bestatter. Die sieben leiblichen Kinder des Verstorbenen aus erster Ehe recherchieren den Verbleib der Urne, nachdem sie offenbar von der Stiefmutter (zweite Ehefrau) von der Beisetzung ausgeschlossen wurden.
12. Juli 2020 (Sonntag) Die Stiefmutter behauptet in einer Audiobotschaft an einen Nachbarn, die Urne sei „heute“ (also am Sonntag) im Meer beigesetzt worden.
13. Juli 2020 (Montag) Der Bürgerkurier berichtet unter dem Titel „Herzloser Beerdigungsunternehmer“ über eine angeblich überstürzt durchgeführte „Turboseebestattung“. Die leiblichen Kinder des Verstorbenen werden darin als von der Beisetzung ausgeschlossen dargestellt.
15. Juli 2020 (Mittwoch) Neue Wendung: Die Witwe (Stiefmutter) erklärt in einem Telefongespräch, sie sei noch in Kiel und warte auf die Nachricht der Reederei, wann die Beisetzung stattfinden solle. Die Urne sei also noch nicht im Meer.
20. Juli 2020 (Montag) Der Bestatter selbst meldet sich und teilt mit: Die Urne befindet sich noch im Westerwald – also weder bei der Witwe in Kiel noch bereits beigesetzt.

Bildquellen:

  • routenplaner: © Falk
  • seebestattung-1: Peter Wilhelm KI

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Bürgerkurier #seebestattung #Turboseebestattung

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(©si)