Bei uns im Haus habe ich zwangsweise die Rolle des Beschützers inne. Ich bin für die Abwehr von Tigern, Haien und Riesenschlangen ebenso verantwortlich, wie für die Beseitigung der allergrößten hier lauernden Gefahr: der Spinnen!
Wird meine allerliebste Ehefrau auch nur der Ahnung einer Spinne ansichtig, so schreit sie in erstaunlich hohem Ton das Wort „Bär“, meint damit mich und deutet auf das Krabbelvieh. Ich muß es dann wegmachen.
Wir haben da so ein Ding, mit dem kann man Insekten und Spinnen davonschaffen, ohne sie zu töten. Ich persönlich würde ja irgendwelches Ungeziefer einfach tot treten oder hauen, aber auch wenn das so tief in meinen steinzeitlichen Trieben verankert ist, beschränkt der Auftrag meiner Frau sich mit den Worten: „Mach die weg, mach die sofort weg!“ lediglich auf die Entfernung des Untiers und nicht auf dessen Exekution.
Manchmal ist kein Stuhl da, auf den meine allerliebste Frau hüpfen könnte, dann stellt sie sich auf die Zehenspitzen und wenn das Tier besonders gefährlich scheint und meine Frau das Gefühl hat, das Ungeziefer mache Anstalten, sie demnächst zu vertilgen, dann kommen sogar noch die Zehennägel zum Einsatz.
An sich sieht es ja klasse aus, wenn sie sich so aufrichtet und streckt, das macht ein schlankes Bein und einen schönen Fuß…
„Hör auf zu glotzen, mach hinne!“ treibt sie mich dann an und brav wie ich bin, nehme ich den Ökomax 2000, stülpe ihn über das Raubtier, verschließe ihn unten und trage es dann weit hinten in den Garten zur Kompostkiste.
Neulich erst hatte sich eine Amsel tagsüber durch das weit geöffnete Fenster in unser Schlafzimmer verflogen und leider nicht mehr den Weg nach draußen gefunden. In ihrer Panik (vielleicht hat sie auch gesehen, was ich so neben meinem Bett alles liegen habe) ist die Amsel dann offenbar mehrfach mit voller Wucht gegen das große Fenster geflogen, was sie irgendwann mit dem Leben bezahlte. So oder ähnlich muß das abgelaufen sein, mehr gab die spätere forensische Tatortanalyse nicht her.
Nun stelle man sich vor, wie wir spätabends ins Schlafzimmer kommen und uns im Schein schwächlich leuchtender, aber mitunter fürchterlich erotisierender Wandlampen ins Bett begeben. Ich bin gerade mal nicht so fürchterlich erotisiert und drehe mich nach einem kurzen Gute-Nacht-Grunzen auf meine Schlafseite und sehe Morpheus schon mit weitgeöffneten Armen kommen, da greift die Allerliebste noch einmal neben ihr Bett, um wegen der Hitze eine überflüssige Decke abzulegen. Dabei streift etwas ihre Hand, genauergesagt streift sie mit der Hand irgendwas. Hm, merkwürdig, was mag das sein? Sie greift tastend zu und…
…ertastet die tote Amsel, die neben ihrem Bette am Kopfende tot auf dem Rücken lag.
Der Schrei hat nicht nur mich geweckt, auch in der gesamten Nachbarschaft gingen die Lichter an und vermutlich unterstellen uns die Leute ringsherum, wir seien doch an diesem Abend ganz besonders erotisiert gewesen. Jedenfalls stand die Allerliebste auf Zehenspitzen, Zehennägeln, mit weit aufgerissenen Augen in ihrem Bett, deutete nur auf das Amselvieh und stieß in einem Rhythmus, der entfernt an S-O-S erinnerte, immer wieder spitze Schreie aus, während sie mit ihrem langen rechten Zeigefinger auf den Vogel deutete.
Ich versuchte meine Frau zu beruhigen, mußte doch abwarten, bis sich die suchend aus den Fenstern gestreckten Köpfe der Nachbarschaft wieder zur Ruhe legten und habe dann den Vogel mit spitzen Fingern an einer seiner Krallen gepackt, bin auf die Terrasse und habe ihn sehr pietätvoll und gaaaanz vorsichtig in Richtung unserer Kompostkiste geschleudert.
Nun bin ich, das gebe ich zu, kein besonders guter Amselschleuderer und so kommt es, daß Nachbar Nasweis-Lästig seit dieser Nacht nur noch mit durchgeladener Waffe unter dem Kopfkissen schläft. Er hat mir unter dem Schwiegel der Versiegenheit erzählt, alte Seilschaften aus längst vergangenen Zeiten hätten ihm eine unmißverständliche Drohung in Form eines toten Raben zukommen lassen, den sie nächtens durch sein Schlafzimmerfenster geschleudert hätten.
Sowas aber auch!
Gut, ich bin der Mann und ich bin für die Bekämpfung und Beseitigung von unerwünschtem Getier verantwortlich.
Das ist so und ich erfülle diese mir von der Natur zugedachte Rolle nicht gerne aber mit Stolz und großer Zuverlässigkeit.
Vorgestern hatte die Schwiegermutter Geburtstag und wir waren bei ihr eingeladen. Vom üppig überreichten Blumenschmuck, der die Wohnverhältnisse der alten Dame bei weitem überstrapazierte, hat sie einigen Besuchern besonders häßliche Gebinde mitgegeben. „Nehmt Euch was von den Blumen mit, die gehen mir ja sowieso alle ein.“
So gelangte die blaue Grotte in unser Wohnzimmer. Es handelt sich dabei um ein kleines Körbchen, das ihr Cousine Susanne und ihr spanischer Mann Pedro überreicht hatten. In dem Körbchen wächst irgendeine mediterrane Primel, flankiert vom einem Gebilde aus zusammengeklebten Strandmuscheln. Daneben reckt sich eine kleine Grotte aus chinagetöpfertem Kalkgries auf, die innen blau angemalt ist und einer etwa 6 Zentimeter großzügigen, beleuchteten Abbildung der Mutter Gottes in Technicolor, ein würdige Heimstatt bietet.
Mit anderen Worten: So einen abgrundtief häßlichen Scheiß habe ich schon lange nicht mehr gesehen…
…obwohl: neulich erst ist mir die Birnbaumer-Nüsselschweif bei der Gemüsefrau begegnet…
Nun denn, nach dem langen Tag bei Schwiegermuttern landete die Leuchtmadonna zunächst auf dem Wohnzimmertisch und wir schauten uns als Absacker noch ein Uraltfolge Columbo an.
Und während sich der kautzige Inspektor mal wieder am Kopf kratzte, warf sich die Allerliebste urplötzlich in ihrem Fernsehsessel nach hinten, das führt automatisch unten die Beinstütze aus, und schrie: „Ein Mutant! Ein Mutant!“
Im ersten Moment wußte ich gar nicht, was sie von mir will, dann sah ich in Richtung ihres ausgestreckten Fingers und entdeckte das Ungeziefer. Ein etwa 5 Zentimeter langer bräunlichgrauer Raupenwurm, der überdies auch noch etwa ein Dutzend langer hakeliger Beinpaare hatte und sich erschreckend schnell fortbewegen konnte, war aus der Blumenkatastrophe gekrochen, über den Wohnzimmertisch gelaufen und befand sich jetzt auf dem Fußboden auf dem Weg unter unsere Kommode.
„Mach es weg! Ein Alien! Ein Mutant!“
Gut, ich gebe zu, ich muß in diesem Moment lächerlich gewirkt haben, wie ich da auf Zehenspitzen und mit vor Schreck geweiteten Augen auf den Zehenspitzen auf meinem Sofa gestanden habe… aber dann besann ich mich meiner naturgegebenen Rolle in der Familie und begann mit der Taschenlampe nach dem mit vollkommen unbekannten Insekt zu suchen.
Da kam der eklige Beinwurm auch schon wieder unter der Kommode hervor und steuerte zielstrebig auf meine nackten Füße zu. Mein Schrei muß markerschütternd (für Klugscheißer: euroerschütternd) gewesen sein, denn sogar meine von Todesangst geplagte Frau unterbrach ihr Ängstlichsein für eine kurzen Moment und warf mir einen ganz erstaunten Blick zu: „Mach es weg!“
Ein Sprung rettete mich in Richtung meiner Schlappen, das Tier mir auf den Fersen, ich war mir sicher: dieses Vieh will mich töten!
Mit seinen langen stakeligen Beinen erreichte es eine atemberaubende Geschwindigkeit und wollte gerade unter meinem Sofa verschwinden, da ereilte es sein Schicksal. Einer meiner Schlappen traf es, natürlich nur zum Betäuben, direkt im Genick.
Jetzt habe ich Schuhgröße 47 und leider korrespondiert diese Schuhgröße nicht so ganz mit der Nackenbreite dieses Drecksviechs, weshalb wir kurz darauf das urplötzliche Ableben des Störenfriedes betrauen mußten.
Um die Wahrheit zu sagen, es hatte sich in eine mit vielen drahtigen Beinen verzierte grünliche Schleimspur verwandelt.
Gut, ich bin nicht stolz darauf, ein Lebewesen getötet zu haben, aber meine Frau war mir dann doch sehr, sehr dankbar, daß ich ihr einmal mehr das Leben gerettet hatte.
Wer mag, kann sich hier und hier über dieses Scheißvieh informieren.
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