Mann“, sprach die Allerliebste eines Tages zu mir und ich reagierte, wie es für einen eheerprobten Mann geziemt, ich stellte meine Ohren auf Durchzug. Dabei verfällt mein Gehirn in einen „Die-Frau-redet-Modus“ und ich kann dabei im Kopf ganze Romane entwerfen oder Schillers Glocke rückwärts aufsagen. Gleichzeitig sorgt mein vegetatives Ehesystem dafür, daß mein Kopf in etwa 20-sekündigen Abständen nickt, und mein Mund sagt „Ach was?“ oder „Was Du nicht sagst?“ und fragt „Und sonst?“. Und wenn der Redefluß verebbt, sagt mein Mund den abgespeicherten Satz:
„Oh Liebste, ich vernahm Deine wohlgesetzten Worte, finde Dich gar liebreizend, und was immer Du auch anziehen magst, es wird Dich kleiden, wie keine andere. Das was Du mich zu tun batest, werde ich gewissenhaft erledigen und Du wirst in allem keinen Grund zu Schimpf und Beischlafentzug finden. Gehabe Dich fürweil wohl, mein holdes und geliebtes Weib.“
Wiegesagt, ich kann dabei im Kopf den ganzen Conrad-Katalog herunterbeten, Primzahlen deklinieren und lateinische Verben multiplizieren.
So, nun gibt es aber so einen Schwachpunkt, der auch Ihnen, meine lieben Leserinnen und Leser, sehr bekannt ist. Ich habe eine Schwäche für alles, das piepst, blinkt und das mit Batterien gefüttert wird.
Kurzum, fließt Strom durch, ist es meins.
So drangen durch die Deklination der Conrad-Bestellnummern die Worte Solar und Strom an mein Fischhirn und es vermeldete an die Großhirnrinde: Peter, das Weib spricht interessant!
Die Ohren gingen auf und eine Millisekunde später empfing mein Verstand die Botschaft der Allerliebsten.
Die bestand darin, daß das Stromwerk bei ihr angerufen hatte und uns eine Solaranlage aufs Dach prömpeln wollte.
Das veranlaßte mich dann dazu, selbst dort einmal anzurufen, denn unter anderem hatte die Botschaft des Weibes den Satz enthalten: „Wir müssen dafür alle unsere Speisen bei denen abgeben.“
Nein, so war es dann doch nicht. Herr Bolderheimer vom E-Werk erklärte mir, daß wir an einem Pilotprojekt teilnehmen könnten.
Man würde uns Solar-Panels aufs Dach zimmern und wir könnten davon so viel Strom selbst verbrauchen, wie wir möchten. Den Rest, also den ungenutzten Solarstrom, müßten wir allerdings ohne Gegenleistung ins Netz einspeisen. Dafür würde die Anlage nichts kosten und nach 12 Jahren in mein Eigentum übergehen.
Das klang doch interessant. Also vereinbarte ich einen Besuchstermin.
Zur verabredeten Zeit, zwei Tage später, kam dann ein junger Mann auf einem Fahrrad. Ja, er sei der Jonas Pitsch und komme in Vertretung des Herrn Bolderheimer.
„Is‘ ja klar, daß mein Chef bei dem Wetter das Auto genommen hat, das hat nämlich Klima. Und ich muß das Dienstfahrrad nehmen. Boah, ist das heiß!“
„Möchten Sie einen Schluck trinken?“
„Au, das wär‘ geil.“
Also holte ich ihm eine Karaffe frisch gefilterten Trinkwassers, schön gekühlt, mit zwei Scheiben unbehandelter Zitrone.
„Wie, Cola haben’se keine?“
Das fand ich nun ein wenig dreist und ließ mich zu der Bemerkung hinreißen: „Nee, nur Kaffee. Aber wenn Sie den mit dem Zitronenwasser mischen, könnte das so ähnlich sein wie Cola.“
Herr Pitsch glotzte mich an und seine Lippen formten meine Worte nach.
„Was ist denn jetzt mit den Solar-Panels?“, wollte ich wissen.
Im Wesentlichen wiederholte Herr Pitsch die Worte des Herrn Bolderheimer, fügte aber noch hinzu: „Aber wenn mein Chef das erklärt, dann klingt das viel zu kompliziert. Hätten’se doch gleich bei mir angerufen. Der Bolderheimer hat keine Ahnung. Ich weiß gar nicht, wie der seinen Job bekommen hat. Wahrscheinlich hat er die frigide Alte vom oberen Boß gebumst, der kriegt nämlich keinen mehr hoch.“
Ich nickte nur, was soll man sonst auch tun? So ein respektloser Pimpf!
Mit einem Laserdings vermaß Herr Pitsch von einem Dachfenster aus unsere Dachflächen. „Wissen Sie, ich mach das lieber mit Laser. Mein Chef guckt ja immer auf Google-Earth, vergrößert die Aufsicht und mißt dann dort nach. Laser is‘ besser, viiiel besser!“
Sein Laserdings piepste, blinkte und auf dem Display standen viele schöne, leuchtende Zahlen. Eine tolle Maschine!
Herr Pitsch turnte schwitzend durchs Gebälk unseres Dachbodens, piepste hier, piepste da und sagte dann: „So, ich hab‘ jetzt mal alles ausgemessen.“
„Darf ich auch mal?“, fragte ich.
„Was?“
„Na, piepsen!“
„Nee, neee, neee, ne, das ist ein amtliches Gerät und ich bin nicht befugt, Ihnen das zu geben. Das gehört in diesen Koffer da drüben und da ist noch ne Wärmebildkamera und eine Endoskopkamera drinne.“
Na denn.
Zurück unten im Büro schrieb sich Herr Pieps, äh, Herr Pitsch so einiges auf, schimpfte nochmals über seinen Chef und meinte: „Der Bolderheimer hat ja sowieso keine Ahnung. Wenn’se noch was wissen wollen, dann rufen’se gleich mich an. Hier ist meine Karte.“
Mit diesen Worten überreichte er mir eine Visitenkarte. Die lautete auf Jens Bolderheimer, nur war der Name durchgestrichen und mit Kuli stand Jonas Pitsch drauf.
„Hinten statt der Drei eine Fünf wählen, dann kriegen’se mich.“
„Gott bewahre!“, entfuhr es mir.
„Was?“
„Ach nichts.“
Der Mann mit dem Fahrrad entschwand wieder. Drei Tage später hatte ich ein Angebot im Briefkasten. Doch das klang dann irgendwie anders, als vorher versprochen.
Einige tausend Euro sollte ich pro Jahr an Miete für die Anlage bezahlen; und zwar einiges mehr, als wir jemals für unseren Strom bezahlt hatten. Uninteressant!
Sechs Monate später:
Im Rahmen meiner vierteljährlichen Spinnenvernichtungsaktion mußte ich auf den Dachboden.
Daß ich Spinnen töten muß, darauf besteht meine Allerliebste.
Sie hat eine panische Angst vor diesen Tieren und ihr Geschrei, wenn sie einer ansichtig wird, ist nicht auszuhalten. Ich überlebe das nur, weil mein Gehirn dafür sorgt, daß sich meine Ohrmuscheln sofort nach innen rollen und den Gehörgang verstopfen.
Also muß ich alle drei Monate, bewaffnet mit einer Spraydose Gift und diversen Stielbürsten, sowie eines Staubsaugers den Keller und den Dachboden inspizieren und alle Spinnen töten.
Die Durchführung dieser Aktion besteht im Wesentlichen darin, daß ich mich bei laufendem Staubsauger und eingekrempelten Ohrmuscheln auf einen umgedrehten Eimer setze und Mark Twain lese.
Ich mach mir dann noch ein bißchen Kellerdreck auf die Wangen und nach einer halben Stunde geh ich wieder in die Wohnung: „So, jetzt haben wir einige Wochen Ruhe.“
Ich mach‘ doch keine Spinnen tot! Die fressen Geziefer und sogar Ungeziefer!
Dieses Mal saß ich also so auf dem Eimer vor mich hin, döste und las, da fiel mein Blick auf einen der Dachbalken. Oh!
Was erblickten meine spinngewebten Augen?
Das lag das Köfferchen von Herrn Pitsch!
Mit Wärmebildkamera, Lasermessgerät und Endoskopkamera.
Wow!
Ich schrieb ihm nächstentags eine Mail.
Die kam mit einer Abwesenheitsnotiz zurück: „Bin leider bis zum 12. März nicht erreichbar. Jonas Pitsch, Praktikant, Stadtwerke“
Nur war der 12. März schon ein Vierteljahr vorbei.
Ich schrieb noch eine Mail, diesmal an den angeblich so unfähigen Chef, Herrn Bolderheimer. Der rief mich dann an. Der Pitsch habe überall Zeug vergessen und verrechnet habe der sich auch immer. Den habe man schnell wieder weggeschickt. Ja und den Koffer? Ja, den würde er bei Gelegenheit abholen lassen.
Gut so.
Ich hab den Koffer heute noch – zwölf Jahre später.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: kopf, mann, worte
Ich liebe Deinen Wortwitz!
Herrlich geschrieben.
Den verlinkten Podcast kannte ich zwar schon, habe ihn mir aber nochmal angehört: Einsame Spitze.
Was für eine Stimme!!!!
Ha, den Praktikanten kenne ich. Der arbeitet jetzt bei uns. 😀
Ich lieg am Boden 😀 … ich will ein Bild von den eingekrempelten Ohrmuscheln sehen !!!!
Die Ohrmuscheln würde ich auch gerne sehen. Und haben…
Welchen Stil haben eigentlich die spinnenvernichtenden Stilbürsten? 😉