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Der Sprechapparat

Pfarrer Neubert kam gestern mit einer Neuanschaffung auf den Friedhof. Nach der Trauerfeier in der Friedhofskapelle verschwand er kurz im angrenzenden Pfarrerzimmer. Während die Sargträger den Sarg hinausschoben und die Trauergäste sich aufbauten, legte er seinen neuen „Sprechapparat“ an.

Das ist ein Lautsprecher mit eingebautem Verstärker zum Umhängen und ein Wangenmikrophon. So ausgestattet marschierte er vor dem Trauerzug zum Grab und nestelte die ganze Zeit an den diversen Knöpfen seiner portablen Verstärkeranlage. Ganz offensichtlich ist er noch nicht lange im Besitz dieses Gerätes, denn es gelang im nur mühsam die Würde und das immer wieder einsetzende Pfeifen unter Kontrolle zu halten.
Der Web zum Grab war lang, Pfarrer Neubert ist, sagen wir es mal vorsichtig, unschlank und sein Schnauben wurde schön über den umhängenden Lautsprecher verstärkt. Es hörte sich ein wenig an, wie eine kleine Dampflokomotive. Zisch, Püh, pfffft, zischzisch, püh, pfffft…

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Am Grab angekommen drehte er etwas am Regler und begann dann seine Zeremonie. Das dunkelfleischfarbene, kugelige Mikrophon, das von einer biegsamen Stange am Ohr gehalten wurde, sah aus wie eine dicke fette Warze. Ja fast schon wirkte das wie die Warze von diesem rumänischen Singzwerg, wie heißt der noch gleich?

„Auuuuus aus aus Aschh schhh schhhe aus aus aus aus Staub aub aub aub“, schallte es aus dem Sprechapparat und das Echo hallte über den ganzen Friedhof, dann wieder war gar nichts zu verstehen, nur am Wackeln der rumänischen Warze erkannte man, daß Pfarrer Neubert was sagte, dann setzte der Verstärker wieder ein: „solllst sollst sollst Du du dududududududu werden den den den den.“

Irgendwie, so scheint es, hatte er die Technik noch nicht so ganz im Griff, jedenfalls gehört die Formulierung „du du du du du“ meines Wissen nicht zum katholischen Grabritus.

Jetzt dreht er sich noch mehr zur Seite, macht den Platz frei, will etwas sagen, öffnet den Mund und – die Sprechwarze rutscht von ihrer Position leicht oberhalb der Oberlippe an der Wange ruckartig nach unten. Offenbar stand die unter Spannung und ein kleiner Tropfen Schweiß hatte sie flutschig werden lassen, jedenfalls befand sie sich nunmehr genau im Mundwinkel und wenn er jetzt den Mund zu gemacht hätte, dann hätte er das rumänische Teil zerbissen, verschluckt oder sonstwas damit angestellt.

Ein unwilliger Blick, ein Griff, eine Kopfbewegung und Pfarrer Neubert hatte die Sprechgarnitur mitsamt Verstärker abgelegt und einem seiner Ministranten in die Hand gedrückt.
Ich wette, der bringt das Ding nie wieder mit.

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#sprechapparat

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