Menschen

Der Starrer

Ich stehe an einer Bushaltestelle, es ist noch recht früh und ich träume noch vor mich hin, als eine etwas spitze, mädchenhafte Stimme an mein Ohr dringt:

„Was starren Sie mich so an?“

„Wie bitte?“

Werbung

„Sie starren mich an.“

Oh nein, durchaus nicht, ich habe geträumt und ganz allgemein in diese Richtung geschaut.“

„Wissen Sie nicht, daß es sehr unhöflich ist, andere Menschen anzustarren.“

„Ich habe Sie nicht bewußt angestarrt, ich schaute bloß so.“

„Warum schauen Sie nicht woanders hin.“

„Mach ich jetzt ja auch.“

„Aber vorher haben Sie mich angestarrt. Sehr unhöflich ist das.“

„Ich habe nicht gestarrt, ich habe herumgeträumt und gar nicht wahrgenommen, wo ich hingeschaut habe.“

„In meine Richtung!“

„Mag sein, aber ohne Absicht.“

„Man schaut doch nicht nur einfach so.“

„Doch, manchmal mache ich das.“

„Ach, und dann schauen Sie immer fremde Frauen an?“

„Manchmal schon, wenn sie mir gefallen.“

„Also schauen Sie doch absichtlich hin.“

„Manchmal so und manchmal so, also manchmal mit Absicht und manchmal auch einfach nur so.“

„Und immer nur bei Frauen, die Ihnen gefallen?“

„Das weiß ich ja erst, wenn ich geschaut habe.“

„Ach, und Männer gucken Sie nie an.“

„Weniger.“

„Sie schauen also ab und zu auch Männer an und Frauen nur, wenn sie Ihnen gefallen?“

„Könnte man so sagen. Ich schaue ja eigentlich immer, ich kann ja schlecht mit geschlossenen Augen herumlaufen. Und dabei sehe ich sowohl Männer als auch Frauen. Und bei hübschen Frauen schaue ich gerne nochmals hin.“

„So wie bei mir?“

„Bei Ihnen habe ich nicht geschaut, ich habe bloß träumend meinen Blick in Ihre Richtung schweifen lassen.“

„Also gefalle ich Ihnen nicht?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Wenn ich Ihnen nicht gefalle, warum haben Sie dann geschaut.“

„Ich habe ja nicht gesagt, daß Sie mir nicht gefallen, ich habe lediglich jetzt gerade nur ganz zufällig und allgemein in Ihre Richtung geschaut.“

„Dabei habe ich heute ein neues Kostüm an – und neue Schuhe!“

„Sehr hübsch, die Sachen stehen Ihnen.“

„Danke.“

„Bittesehr.“

„Und der Rest?“

„Der Rest wovon?“

„Na, zum Beispiel meine Jacke und meine Handtasche?“

„Auch sehr hübsch.“

„Aber sie stehen mir nicht?“

„Doch, doch.“

„Und warum sagen Sie das nicht?“

„Wie bitte?“

„Zu meinem Kostüm und meinen Schuhen haben Sie gesagt, sie seien hübsch und würden mir stehen, von meiner Jacke und meiner Tasche haben Sie aber nur gesagt, daß Sie sie hübsch finden.“

„Ihnen steht alles sehr gut und es sieht hübsch aus.“

„Und das haben Sie festgestellt, indem Sie nur mal so, ganz zufällig und allgemein in meine Richtung geträumt haben?“

„Nein, das habe ich jetzt gerade eben festgestellt, als wir ins Gespräch gekommen sind.“

„Sprechen Sie öfters wildfremde Frauen an?“

„Ich habe Sie nicht angesprochen, Sie haben mich angesprochen!“

„Aber nur weil Sie mich angestarrt haben.“

„Ich HABE Sie nicht angestarrt!“

„Werden Sie bitte nicht laut! Erst fremde Damen belästigen und dann noch laut werden.“

„Da kommt der Bus.“

„Gott sei Dank! Ach, was ist der voll, da haben Sie ja jede Menge zu tun, da gibt es viel anzustarren.“

„Ich nehme sowieso den nächsten Bus, der muß ja auch gleich kommen.“

„Na, dann noch viel Spaß beim Frauenanquatschen.“

„Tschüß!“

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)