Soziale Brennpunkte, Ablehnung durch den Bestatter
Heute Morgen am Krematorium: Ich erlebe eine Riesenüberraschung (mehr darüber in einem anderen Text) und treffe auf einen Kollegen, der sich sichtlich freut, jemanden zum quatschen zu haben, während er wie ich kurz warten muß.
Er wirft einen Blick auf meine Unterlagen, tippt mit dem Finger auf die Adresse: „Da hast Du jemanden geholt? Dann pass aber auf, daß Du auch Dein Geld kriegst!“
Der Tote stammt aus der Lietzenstraße, einer sehr langen Straße, die mit einem Schrottplatz anfängt und dann ins „Land der flachen Dächer“ übergeht. Das sind Einfachbauten, im Volksmund auch Baracken genannt. Offene Treppenhäuser, um keine Schlupfwinkel für Gesindel zu bieten, zur Straße offene Laubengänge und eine Tür neben der anderen. Schon am Abstand der Türen zueinander erkennt man, daß die Wohnungen nicht besonders große sein können.
Dort leben die sozial Schwächsten, teilweise mit acht und mehr Personen in kleinen Wohnungen; Leute die ihre Miete woanders nicht mehr zahlen konnten, Sozialhilfeadel der dritten Generation, wiedereingestiegene frühere Nichtsesshafte, Menschen, die einfach Pech hatten und erstaunlicherweise: Leute, die da gar nicht mehr weg wollen.
Ich hatte noch niemals Probleme dort. Die herumlungernden Jugendlichen in der Außenanlage tun immer nur so, als ob sie auf Krawall aus seien, die Leute begegnen jedem Fremden mit Skepsis, wenn man aber nicht wie ein Arschloch daherkommt, wird man auch nicht so behandelt.
Die Fälle dort werden sowieso alle vom Sozialamt bezahlt und die allermeisten Toten werden ohnehin vom kommunalen Bestattungsinstitut abgeholt. Aber eben nur die allermeisten, ein paar bleiben auch für uns.
Was die Leute wollen: Sie wollen ganz normal behandelt werden, sie möchten, daß man Klartext redet und sie wollen, daß man ihre finanzielle Situation berücksichtigt. Wenn man das macht, hat man auch keinen Ärger.
Aber dieser Verstorbene, um den es heute Morgen geht, kommt gar nicht aus dem Land der flachen Dächer, sondern wohnte etwa 300 Meter weiter. Dort schließt sich nämlich eine Blockbebauung an, Dutzende von Reihen gleichförmiger fünfgeschossiger Häuser aus den 60er Jahren, eine Wohnung wie die andere, Sozialbau.
Hier ist das Publikum sehr durchwachsen. In der einen Wohnung erwartet einen das blanke Elend, in der nächsten türmt sich halbmeterhoch der Müll und in der nächsten wohnen alte Leute.
Viele Ausländer, man sieht oft schon an der Haustüre und am Zustand der Briefkästen, in was für ein Haus man kommt.
Manche Häuser sind sehr gepflegt, die Leute wohnen dort schon 30 Jahre oder länger, denen geht es finanziell oft besser als manchem Häuslebauer in der Stadt. Man wohnt eben schon immer dort und ist auch nicht weggezogen, als es einem finanziell etwas besser ging.
„Nee, da fahr‘ ich gar nicht erst hin. Die zahlen nie ihre Rechnungen. Wenn bei mir so Leute von dieser Straße hier anrufen, egal von welcher Adresse, dann lehne ich ab“, sagt der Bestatterkollege.
Irgendwas muß der falsch machen, ich hatte dort nur ein einziges Mal Ärger und das lag daran, daß die Leute einfach einen postnatalen Knall hatten, also von Geburt an doof waren. Und auf solche Leute kann man überall treffen.
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Erschreckender , ist das viele Leute , wie dein Mitbewerber reagieren.
Da werden einfach alle Leute aussortiert, die aus Problem Viertel kommen, egal worum es sich handelt.
Wenn der Bestatter so gut aufgestellt ist, dass er auf Kundschaft verzichten kann, ist das sein gutes Recht als Kaufmann. Schließlich muss er niemanden mit seiner Dienstleistung beglücken. Wenn er also freiwillig auf einen Teil des Kuchens verzichtet, bleibt mehr für die anderen.
Ich wohne in einem Viertel mit überwiegend Hartz-IV-Bewohnern. Durchaus freiwillig, weil es da viel lebendiger und lustiger ist als in „seriösen“ Vierteln. Ich habe einen festen Job, ich habe keine Unterhaltsverpflichtungen.
Man glaubts nicht – in der Schufa werde ich als unsicherer Kandidat eingestuft, mein „Scoring“ sagt scheinbar, dass ich aufgrund meiner Wohnlage meine Rechnungen nicht bezahlen werde.
Das zieht sich inzwischen durch alle Branchen, dass die Leute nach Wohnorten beurteilt werden. 🙁
[i]In der einen Wohnung erwartet einen das blanke Elend, in der nächsten türmt sich halbmeterhoch der Müll und in der nächsten wohnen alte Leute.[/i]
Ich hoffe, dass das keine Steigerung darstellen sollte… 🙂
Betreuungseinsätze in diesen Vierteln dauern oft länger, sind umfangreicher jedoch meißt persönlicher als in sogenannten „besseren“ Wohnlagen. Hier ging ich schon oft mit dem zufriedenen Gefühl nach Hause, meine Zeit nützlich verbracht zu haben.