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Die Party

Tja, da wird er also nun 18. Das ist ja irgendwie was, wenn man bisher immer nicht-volljährig war. Da stellt man sich ja vor, das Leben beginne mit einem Schlag zu brausen und zu sausen und wie von Zauberhand ändere sich nun alles.
Ha! Wir alle wissen das besser, meine Frau und ich wissen das besser, selbst seine kleine Schwester weiß das besser. Aber gut, lassen wir unserem Sohn sein Illusionen, lassen wir ihn mal gleich in den nächsten Handyladen rennen und nächtelang fortbleiben. Man wird nur einmal 18 und wenn man so gar nicht auf die weisen Worte der Grufties, die ja sowieso von nichts eine Ahnung haben und dem prallen Leben nur im Wege stehen, hören will, dann muß man wahrscheinlich erst einmal hier und da eine blutige Nase bekommen, um zu verstehen, daß die Vollendung des 18. Lebensjahres eben leider nicht mit vollautomatischem Paradies und Schlaraffenland einher geht.

Eine Party sollte es also sein. Eine gute Freundin meiner Frau hat ein wunderschönes, riesengroßes Gartengrundstück mit einer Laube. Schön abgelegen, trotzdem gut erreichbar und auch übernachtungsgeeignet.
Dort soll also gefeiert werden, so mit -keine Ahnung- wieviel Leuten. Aber um 20 Uhr soll’s losgehen. Das wenigstens weiß man schon. Essen? -Keine Ahnung-. Trinken? Ja klar, da muß es dies und das und jenes sein, das weiß man ganz genau.
Tische? -Keine Ahnung-
Stühle? -Keine Ahnung-
Schlechtes Wetter -Keine Ahnung-
Deko? -Keine Ahnung-
Planung? -Fehlanzeige-

Um 20 Uhr soll’s losgehen, das weiß man schon genau. Wahrscheinlich hätte das Bürschlein um 19.30 Uhr mit den Vorbereitungen begonnen.

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Dem muß Einhalt geboten werden, da ist eine kleine Lektion fällig.

Also mischen wir uns ein.
So zwei Wochen vor dem Start des Ganzen tun wir so, als wollten sie dem Bürschlein hilfreich unter die Arme greifen.
Papa -das bin ich- schlägt vor, man könne doch einen „Wet T-Shirt Contest“ mit den jungen Hühnern machen. Nasserotische Nippelschau nach amerikanischem Muster. Der Sohn ist entsetzt und schaut hilfesuchend zur Mutter -das ist meine Frau und die Allerliebste ist mit allen Wassern gewaschen-.
Die steigt sofort drauf ein und findet das supergut. „Wet T-Shirt für den Papa und ich mache mit den Jungs Flaschendrehen, da sind so einige drunter… O la la!“

Entsetzen macht sich im Gesicht des Noch-nicht-ganz-18-Jährigen breit. Das können seine Eltern doch nicht ernst meinen!
Doch, sie meinen; und sie schlagen auch noch vor, daß auch alle alten Onkels und Tanten und die Großeltern kommen könnten und der dicke Freddy mit seiner Polka-Band.
Der Junge stirbt tausend Tode.
Er will die Party absagen, sofort, auf der Stelle und komplett. Nein, er will für alle Zeit ins Ausland auswandern, wenn auch nur ansatzweise etwas Derartiges auf seiner Party passiert.

„Eine 70er-Jahre Mottoparty könnten wir machen!“ schlägt die Allerliebste vor. „So mit Wuschelperücken und Hot Pants.“

Und ich lege nach und beschließe, daß es nur Eierlikör zu trinken gibt und man wunderbar auch die schönen Partyspiele Eierlaufen und Topfschlagen integrieren könnte, das habe uns doch früher immer so viel Freude gemacht. Die Allerliebste zählt unterdessen die Namen der Freunde meines Sohnes auf, die sie an diesem Abend alle zu vernaschen beabsichtigt.
„Papa!“ ruft der Junge entsetzt: „Willst Du denn gar nichts unternehmen? Das ist doch Deine Frau, die will’s mit anderen treiben!“

„Ach, an so einem Tag, da läßt man Fünfe gerade sein und ich hab sowieso keine Zeit, mich um die Mama zu kümmern, ich nehme mir die Mädels vor, eine nach der anderen…“

Panik!

„Die Platten von Peter Krauss könnten wir auch mal wieder spielen!“

„Bibo der Clown mit seinem lustigen Luftballonknoten!“

„Onkel Klaus kann auf dem Kamm blasen!“

„War Tante Uschi nicht vor dem Krieg Tänzerin?“

„Wenn Opa die Zähne rausnimmt…“

„Wir könnte auch was Lustiges vorlesen.“

„Mama und Papa bringen Euch allen Tango bei.“

„Ob Oma wieder Striptease macht? Wenn die mal was getrunken hat…“

„Ab Mitternacht machen wir alle FKK, das wird ein Spaß!“

„Ja, aber vor der Party gehen wir alle in die Kirche.“

„Ach, früher hatten wir schon mit Fröscheaufblasen so einen Spaß!“

„Opa ist doch Ingenieur, da können wir so tolle Mathe-Ratespiele machen!“

„Alkohol gibt’s erst ab 21.“

„Um Mitternacht löschen wir alle unsere Facebook-Accounts.“

„Wir singen Fahrtenlieder aus der Mundorgel.“

„Jeder muß ein Gedicht aufsagen.“

Der Gipfel ist jedoch fast erreicht, als die Allerliebste eine hellblaue Schachtel mit einem rosa Schleifchen aus dem Schrank holt, in dem sie -wie ich weiß- ein paar Andenken an ihre Oma aufbewahrt, und behauptet: „Du, hier habe ich die ganzen Babybilder von Dir drin, nackig auf dem Eisbärfell, unter der Dusche, die könnten wir doch herumzeigen und dazu lese ich dann aus den vielen kleinen Briefen von Dir an Deine Mama vor, die Du immer so geschrieben hast, mit Herzchen und so.“

Die Allerliebste und ich malen den Ablauf der Party in immer bunteren Farben, denken uns immer neue Partyspiele aus, eins blöder als das andere und wollen jetzt auch noch Harry und die „Poppendorfer Volksmusikanten“ engagieren. Für die Polonaise.

Der Junge flüchtet, verläßt das elterliche Haus und ist verzweifelt.

Per SMS senden wir ihm die neuesten Ideen, von der Pornoparty bis hin zur Schwarzen Messe, in immer kürzer werdenden Abständen zu.

Gesteigerte Panik!

Dann kommt unser Vorschlag, den Abend mit einer Großleinwand zu verschönern und alle Sissi-Filme, sowie 14 Folgen der „Familie Hesselbach“ vorzuführen und der Junge ist der Verzweiflung nahe. Wie gesagt, die letzten Vorstöße unsererseits erfolgten per SMS.
Und tatsächlich: Der Bengel bricht seine abendliche Tour ab, kommt nach Hause um das Schlimmste zu verhindern, doch wir lassen nicht locker, spielen uns einen Ball nach dem anderen zu und das so glaubwürdig, daß der Arme nun wirklich kurz davor ist, die Party komplett abzusagen.

Aus seinen geplanten 30 „Kumpels“ sind an die 100 Onkel, Tanten, Opas, Omas und Freunde seiner Eltern geworden.
Vor seinem geistigen Auge sieht er seine weiblichen Bekannten alle mit hocherotischen nassen T-Shirts und seine Mutter mit seinen Freunden in der Laube…
Draußen läuft in Technicolor ein Sissi-Film nach dem anderen und Freddy und Harry machen Opa-Musik.
Seine Großeltern spielen mit den anderen Eierlaufen und er sitzt unter einem Baum und sieht die Welt untergehen.

„Tja“, sage ich, „Wie genau stellst Du Dir das denn vor?“

Und siehe da: Auf einmal hat der Kerl ganz genaue Vorstellungen, holt sich sogar einen Schreibblock und listet alle Ideen auf, macht eine Liste der benötigten Stühle, Bänke, Zeltplanen und wir können es kaum glauben, er rechnet sogar aus, was IHN das Ganze kosten wird.
Geht doch!

Gut, wir müssen den Druck aus der Sache nehmen und lösen das Theater auf, geben zu, daß wir nur Spaß gemacht haben.
Und? Was passiert? Erleichterung?

Hm, etwas ganz Merkwürdiges passiert: Der Junge ist halb erleichtert und halb enttäuscht.

Erleichtert deshalb, weil es nun vielleicht doch nicht so schlimm kommt, wie er befürchtet hat. Enttäuscht, weil er während unserer Spinnereien das Gefühl bekommen hat, daß die Alten vielleicht doch besser feiern können und mehr los machen.
Natürlich ohne Sissi und die Polka-Musik. Aber sonst so, mit Stimmung und Programm…
Nur so herumsitzen und Musik hören ist ja auch doof.
Doch schließlich baut sich die Enttäuschung ab, übrig bleibt die Erleichterung und ein Block voller Listen und Planungen.

Natürlich haben Mama und Papa den ganzen Plunder bezahlt und die ganzen Sachen auch dahin gekarrt. Selbstverständlich haben wir anstandshalber zu Anfang an der Party teilgenommen, aber dann haben wir der Sache ihren Lauf gelassen und, was soll ich sagen, die Party war ein voller Erfolg!
Bis morgens um Sieben!

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(©si)