Allgemein

Die Sarggeschichten

„Was würdest Du mit einem Sarg machen, der Dir ins Haus geliefert wird?“
So ungefähr lautete die bewußt nicht zu eng gehaltene Vorgabe für unseren kleinen Schreibwettbewerb, bei dem es schöne Buchpreise zu gewinnen gibt.

Insgesamt sind über 20 Geschichten eingegangen. Eine konnte ich nicht verwenden, da die Autorin die Nutzungsrechte zu stark eingeschränkt hat, eine Geschichte enthielt rassistische Äußerungen, die der Autor nicht nachbessern wollte und zwei Einsender haben nur in zwei, drei Sätzen beschrieben, was sie mit dem Sarg machen würden, das war ein bisserl wenig.

Vielen Dank aber an alle Einsender!

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Alle anderen Texte habe ich jetzt hier alle untereinander gestellt. Die Reihenfolge ist willkürlich gewählt, die Texte sind nicht namentlich gekennzeichnet, damit niemand aufgrund seines Namens oder seiner Bekanntheit als Kommentator bevorzugt wird. Selbstverständlich werden die Namen der Siegerautoren noch ausreichend gewürdigt.

Bei 19 angenommenen Einsendungen, die zum Teil in doch recht merkwürdigen proprietären Formaten eingesandt wurden, habe ich nur kopiert und nicht noch manuell Absätze eingefügt oder Zeilen umformatiert.

Man hätte die Geschichten auch einzeln präsentieren können, aber ich habe mir gedacht, daß das ein Wettbewerb von Leseratten für Leseratten ist und daß richtige Leseratten sich schon durch die lange Aneinanderreihung von Texten durchwühlen werden.

Erst mal lesen, eine Möglichkeit zum Abstimmen kommt in den nächsten Tagen.

Viel Spaß!
Lest mal schön

GESCHICHTE Nr. 1

Eine Sarggeschichte

Es war ein warmer Morgen mitten in den Sommerferien, als der Lieferwagen
von Sturmholz-Fichtennadel um die Ecke kurvte und brüsk anhielt, um das
Garagentor nicht zu beschädigen. Zwei Männer stiegen aus, öffneten die
Hecktüre und luden ohne jegliche Hast und Lust den Sarg aus und stellten
ihn ans Garagentor.

Einer der Mannen im dunkelgrauen Anzug tapste schwerfällig durch den
Vorgarten, um an der Tür zu klingeln. Die Mutter von Sophie und Nicolas,
die ungläubig diese Anlieferung beobachteten, öffnete die Türe und
begrüsste die Sarglieferanten.

„Tut uns leid, so eilig und ohne Ankündigung zu kommen. Wir erfuhren vom
Krankenhaus die traurige Mitteilung, dass die Mutter Ihres Mannes bald
sterben wird“, sagt der Fahrer.

Die Mutter schaut entsetzt die Männer an. Sophie schaut ratlos ihre
Mutter an. Die Männer sehen ratlos die Mutter an.

„Sie wissen, wir sind ein nach ISO 9001 geprüfter Betrieb. Wir legen
Wert auf Qualität und Effizienz. Deshalb haben wir Ihnen den Sarg schon
heute geliefert. Das Krankenhaus möchte Ihre Schwieger möglichst bald
loswerden, und wir haben auch…“.

„Entschuldigen Sie aber…“, versuchte die Mutter einzuwerfen.

„Wissen Sie, getan ist getan, so sagt das Sprichwort“, meinte der Mann
ohne die Quelle nachzuweisen. „Die Rechnung senden wir Ihnen morgen, sie
müssen gemäss unserer Richtlinien auch Zeit zur Trauer haben.“

„Ähh… Danke.“

Die Männer von Sturmholz-Fichtennadel entfernte sich wieder vom Haus.
Der McNamara-Sarg, die etwas preiswertere und leichtere Variante des
Modells „Kennedy“, stand immer noch am Garagentor angelehnt.

Die Mutter verschwand im Haus, um das Krankenhaus anzurufen. Dort
bestätigte man ihr die Sargbestellung, aber nicht den Tod ihrer
Schwiegermutter, das müsse vom diensthabenden Abteilungsarzt bestätigt
werden.

Energisch kämpfte sie gegen die gar nicht kränkliche, durchaus lebhafte
Bürokratie, während es vor dem Haus laut polterte.

„Was machst du damit?“, fragte Sophie.

„Ich versuche“, was mit einem weiteren Scheppern ergänzt wurde, „einen
Schlitten zu bauen.“

Abergläubig guckte Sophie ihren älteren Bruder an. „Was meinst du, wer
braucht diesen Sarg? Wer ist gestorben?“

„Gar niemand“, blaffte Nicolas zurück. „Oder hast du den Pfarrer
gesehen? Wir bauen uns jetzt einen Schlitten.“

Gebaut wurde nicht viel und ebensowenig wurde die nächste Beichte bei
jenem Pfarrer durchdacht. Der McNamara stand jetzt über dem Abhang, der
sich unter dem Haus eröffnet.

Die Mutter suchte die Nachbarn auf.

„Hallo Norbert, etwas ganz seltsames ist geschehen. Da haben die einen
Sarg angeliefert…“.

„Ich habs gesehen, mein herzliches Beileid.“

„Gestorben ist niemand, Norbert.“ Er atmete auf. „Aber warum erhalten
wir einen Sarg?“

Vielleicht hätten sie die Adresse verwechselt. Vielleicht hat es mit den
neu hinzugezogenen Satanisten zu tun, die am Ende der Strasse in einer
Hütte hausten. Aber das war ja nicht möglich, denn diese zeigten sich
tagsüber gar nicht. Oder mit dem Direktor der Staatsoper, die hin und
wieder ihre Requisiten benötige. Aber der zeigte sich ja gar nie, nachts
ist der an der Oper und tagsüber in einer anderen Stadt, wo die
Journalisten ihn nicht kennen.

„Aber warum…?“. Die Mutter ging wieder nach Hause und versuchte ihren
Mann zu erreichen.

„Sophie, klapp mal das hintere Ende zu.“

Der McNamara war gar nicht so schwerfällig, das kam den Kindern zugute.
Der Sarg kam ins Rutschen, Nicolas stoss an, rutschte schneller,
Kieselsteinchen scharrten am Holz, Nicolas sprang hinein. Der Schlitten
polterte auf einen Ahornbaum zu, wurde von einem Stein umgelenkt, ein
weiterer aus dem Boden ragender Stein liess den Sarg wieder in die Luft
schmettern, der Ahorn war umfahren.

Aber die Kinder waren plötzlich nass und lagen im Wasser. Der Sarg
schwamm jetzt im Fluss, und Nicolas konnte noch gerade den Sarg
erreichen, obwohl ihm das Wasser fast bis zum Kinn stand.

Sophie sagte gar nichts und schaute sich das vorbeiziehende Wasser an.
Nicolas schob den Sarg ans Ufer, so dass er auf einem Stein ruhte und
nicht davonschwamm.

Zusammen mit Norbert ging die Mutter wieder zu ihrem Haus. War das ein
schlechter Traum? Gibt es das, übereifrige Bestatter, die einen Sarg mir
nichts dir nichts vors Haus stellen?

Vor dem Haus stand kein Sarg mehr. Es musste ein schlechter Traum sein.

„Wo ist der Sarg jetzt?“ fragte Norbert. Wohl ein schlechter Traum also.

„Ich weiss nicht… vielleicht meine Kinder… aber fahren wir mal zum
Krankenhaus. Und unterwegs rufen wir meinen Mann an.“

„Wollen wir Boot fahren?“ fragte Nicolas.

„Ich weiss nicht.“ antwortete Sophie. „Was sagt wohl Papa? Mir ist
schlecht dabei.“

„Ach komm. Hinauf zum Haus können wir das sowieso nicht schleppen.“

Nicolas holte zwei Stöcke, mit denen sich das Boot so halbwegs steuern
liess, und er stiess das Gefährt vom Ufer ab. Sophie wagte keinen
Einwand zu äussern, die Flucht war das naheliegendste. Zu was Papa die
Kiste wohl verwenden wollte? Die Strömung ergriff das Boot, Nicolas
bewegte den Sarg auf die Flussmitte zu.

„Was ist jetzt mit Anna los?“, klagte die Mutter. Der Arzt stammelte
etwas über Leberwerte und etwas feinfühliger über Lebenswerte, und dass
der Zustand von Anna leider sehr bedauerlich sei. In der Eile hätte man
das Amt informiert, und das Amt wiederum Sturmholz-Fichtennadel, weil
sie für die Gemeinde das günstigste Angebot seien.

„Tut mir leid, aber ich hoffe, das mit dem Sarg lässt sich klären.“

Die Mutter zog mit Norbert von dannen und dann riefen sie ihren Mann an.
Er zeigte sich erstaunt, aber besorgt wegen den Kindern. Und dass der
Sarg, der so plötzlich geliefert wurde, wieder verschwand.

„Haben die ihn wieder abgeholt? Kann sein, wenn sie sich in der Adresse
geirrt hatten…“

„Aber dann hätten sie auch an der Türe geklingelt…“

„Aber nicht doch, wenn ihnen der Fehler so peinlich war.“

„Sturmholz-Fichtennadel ist doch nichts zu peinlich.“

Womit Mutter in ihrer Funktion als Ehefrau auch wieder recht hatte. Wozu
klingeln, wenn man den Sarg einfach wieder mitnehmen könnte?

Beim Anblick des schwimmenden Sarges verschwand ein Reh im Unterholz.
Eine Eule bekam Kopfschmerzen. Aber die beiden Kinder genossen die Fahrt
unter den schattigen Weiden-Ästen, sahen ab und zu eine Forelle unter
dem Boot vorbeihuschen, ein Graureiher glitt vom Ast in die Lüfte.

„Hmmm, Nicolas… ist das nicht etwa ein Sarg? Wo man die Toten reintut?“

Nicolas drehte sich zu Sophie um.

„Ja, das ist ein Sarg…“ und dachte daran, wie viel Geld so einer
kosten könnte. War Nicolas ja nicht sehr pfleglich mit seinem Spielzeug
umgegangen bis heute. Und beide schwiegen weiter und liessen sich weiter
den Fluss heruntertreiben.

Stefan Sturmholz, Inhaber der Pietät, fuhr die Strasse entlang.
Nirgendwo stand ein Sarg. Hatten sie den Sarg schon ins Haus, in die
Garage, genommen? Hatte er sich selbst in der Adresse geirrt, in diesem
Viertel, in welchem er selten unterwegs war?

Die Mutter und Norbert trafen zeitgleich wie der Herr Sturmholz und
seinem Lieferwagen an der Strasse ein. Sie warfen dem Unternehmer einen
kritischen Blick zu.

„Wo ist unser Sarg?“

„Unser Sarg? Wo sind meine Kinder?“

„Wir sollten nach beidem suchen“, meinte der Vertreter des effizienten
Betriebes, „nach Ihren Kindern und unserem Sarg.“
Sie brauchten nicht zu streiten. Schnell fanden sie die Lackspuren auf
dem Vorplatz, die vom Sarg stammen mussten. Ebenso schnell kamen sie zum
Schluss, dass sie am Fluss unten sein könnten. Dass ein Teil des
Sargdeckels abgerissen auf dem Abhang lag, gerade vor einem Baumstrunk
liegend, gab Grund zu deutlicher Sorge.

Die Polizei wurde alarmiert, die Feuerwehr auch, und sie suchte den
Fluss ab und konnte die Kinder heil vom Fluss bergen. Das Wiedersehen
der Familie mit ihren kleinen Schifffahrern war ein sehr frohes, während
Sturmholz grummelnd davonfuhr. Bei der nächsten Mitarbeiter-Sitzung
werde er jedenfalls darüber reden, dass die Särge von zu hoher Qualität
seien. Grundwasserfest ja, aber nicht gerade seetauglich sollten sie sein.

Es sei jedenfalls gesagt, dass, als Anna einige Wochen darauf starb, die
Familie einen eigenen Sarg gezimmert hatte – mit dem Sturmholz wollten
sie sicher nichts mehr zu tun haben. Aus naturbelassenem Holz wurde der
Sarg gebaut, geschraubt, von Nicolas und Sophie bemalt. Nicht ohne Grund
mussten sie davon abgehalten werden, Bullaugen aufzumalen, aber
jedenfalls hatten sie so ihre Sühne geleistet.

Der zerkratzte Sarg mit einigen Wasserschäden wurde auf die Garage
gehievt, auf die Seite des Hauses, welches den Fluss überblickt und
dient fortan als Taubenschlag.

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GESCHICHTE Nr. 2

Mit einem schrillen „driiiiiiiiiing“ reißt mich die Türklingel aus meiner morgendlichen Lethargie. Seufzend schiebe ich meine Tasse weg und gehe zur Tür. An der Türsprechanlage meldet sich eine rauchige Männerstimme mit „Spedition Holzwurm, wir haben eine Lieferung für Sie“ und ich bin einen Moment perplex. Schnell werfe ich mir eine Jacke über den Schlafanzug und ich überlege hin und her, was ich bestellt haben könnte. In der Hand halte ich das Handy um gleich meinen Mann zu fragen, ob er vielleicht was bestellt hat. Keuchend kommen 2 bierbäuchige Männer in Latzhosen die Treppen hoch, zwischen sich tragen sie einen Sarg. Ein Sarg?? Wollen die zu mir? Ist das wirklich ein Sarg? Sicherlich nur eine originelle Verpackung für irgendwas. Wieso sollte ich einen Sarg bekommen?
In Sekundenbruchteilen rauschen tausende Fragen und Gedanken durch mein Gehirn, meine Gesichtsfarbe wechselt ständig zwischen puterrot und leichenblass hin und her. So fühlt es sich an und trotz der komischen Situation muss ich darüber schmunzeln, wie passend das Leichenblass doch gerade ist.
Die beiden Männer sind nun im 3. Stock angekommen, der Schweiß steht ihnen auf der Stirn. Sie sehen eigentlich wie in die Jahre gekommene Bauarbeiter aus: unrasiert, Tätowierungen auf den Händen und Unterarmen, in der Hose ein Schreinerbleistift und ein Zollstock und in der Brusttasche ein Kugelschreiber und Zigaretten. Sie sehen aus wie Männer, die ich nie in die Wohnung lassen würde wenn ich sie nicht kenne.
Mit einem „Rumms“ stellen sie den Sarg im Flur ab, ich höre schon den Rentner von gegenüber, wie er mal wieder versucht, mit seinem Krückstock zur Tür zu schleichen. Der Versuch scheitert wie üblich und ich höre wie er die Gardine vor dem Türspion wegschiebt. Zu meinem Glück steht der zweite Lieferant mit seinem breiten Rücken genau vor seiner Tür und verdeckt so die Sicht des Rentners auf den Sarg.
„ich habe hier eine Lieferung für Sie, Sie sind doch Frau Meier, oder?“ Wieder spüre ich die Hitze ins Gesicht steigen und ich antworte leise „ja, die bin ich, warum liefern sie mir sowas?“ und zeige auf den Sarg. „Das weiß ich nicht“ antwortet der Mann, zwischenzeitlich von mir Karl-Heinz getauft, „ich mache hier nur meine Arbeit. Hier auf dem Sarg steht die Artikelnummer, auf dem Lieferschein hier steht sie nochmal und ihre Adresse. Also hat alles seine Richtigkeit“ Während ich noch bei dem Wort Sarg zusammenzucke, wedelt Karl-Heinz mit einem verknitterten, gelben Blatt vor meinen Augen rum. Eindeutig eine Durchschrift mit Kohlepapier, sowas sieht man heute nicht mehr häufig. Sieht alles sehr offiziell und korrekt aus, dennoch antworte ich „Das muss ein Irrtum sein, ich habe sowas nicht bestellt und auch keinerlei Verwendung dafür.“ Karl-Heinz grinst schmierig und witzelt „ach, früher oder später brauchen Sie ihn sicherlich“ und sagt dann mit ernsterer Stimme „Nunja, wir haben die Kiste jetzt hier hoch geschleppt, sie sind zuhause also haben wir unseren Auftrag erfüllt. Unterschreiben Sie bitte den Lieferschein, dann verschwinden wir hier wieder“ Tja, in dem Punkt hat er Recht, er hat seinen Auftrag wirklich erfüllt. Ich will aber nicht unterschreiben, wer will schon einen Sarg haben zuhause? Ab und an habe ich zwar einen schwarzen Humor aber das wars auch schon wieder.
Karl-Heinz drückt mir seinen Kuli in die Hand und dreht mir seinen Rücken zum unterschreiben hin. In meinem Kopf rattert nur „Unterschreiben oder nicht unterschreiben? Unterschreiben oder nicht unterschreiben?“ wie in einer Endlosschleife. Karl-Heinz drängelt „nun machen Sie schon“ und ich kritzel ein unleserliches „Leck mich“ dahin. Vielleicht kann man das später als Annahme verweigert werten. Karl-Heinz und sein Kumpel wollen schon wieder die Treppen runterstürmen, ich pfeife sie zurück „Halt, tragt mir die Kiste wenigstens noch in den Wohnungsflur, alleine schaffe ich die hier nicht weg“ „§$%&%$§(&%§$%$§“ hört man nur von den beiden doch sie tun es. Offensichtlich erhofften Sie sich ein Trinkgeld aber da ich sie nicht erwartet hatte und ich meinen Morgenkaffee immer noch nicht getrunken hatte und daher nicht in der Lage war, so weit zu denken, mussten sie grummelnd ohne Trinkgeld abziehen.
Da stand ich nun, alleine mit einem Sarg in der Wohnung. Was zum Teufel macht man mit einem Sarg? Also klar, da packt man jemanden Totes rein aber das macht doch ein Bestatter, oder? Ich habe da keine Ahnung von, kenne aus Filmen nur die Szenen wo 2 schwarz gekleidete Herren einen Sarg durchs Treppenhaus in ihren extragroßen Kombi tragen. Und ich bin sicher, da hatte noch keiner den Sarg vorher daheim gehabt. Also, was tun damit?
Mir wird bewusst, dass ich in der linken Hand immer noch mein Handy halte und ich rufe meinen Mann Max an. Mailbox. Mist. Also später nochmal probieren.
Nun hat mich die Neugierde gepackt und ich versuche die Kiste aufzumachen. Nachdem ich eine Ecke gefunden habe, wo meine Finger unter den Rand passen, kriege ich den Deckel hoch. Drinnen liegt ein Tütchen wo ein paar Griffe drin sind. Muss man wohl selbst montieren. Aber das lasse ich mal lieber. Ich hab den Sarg nicht bestellt, mein Mann sicher auch nicht. Also wird wohl irgendwo ein Fehler unterlaufen sein und jemand holt die Kiste gleich wieder ab.

Neben der Tür fällt mir die Durchschrift vom Lieferschein in die Augen. Prima, so habe ich wenigstens die Adresse der Spedition. Auch beim 2. Lesen kann ich keinen Sargabsender finden, daher rufe ich erst einmal beim Spediteur an und lande in der Warteschleife. Während ich mir Ohrenquäler in der Endlosschleife anhöre und langsam einen Ohrwurm von dem schrillen „Für Elise“ bekomme, gieße ich mir einen frischen Kaffee ein.
Ah, endlich, nach 10 Minuten und 5 Tasteneingaben später erreiche ich einen echten Menschen. „Guten Tag, mein Name ist Ann-Kathrin Meier, ich habe eben eine unerwartete Lieferung von Ihnen bekommen, könnten Sie mir bitte den Absender sagen?“
Es knackt ein paarmal in der Leitung, dann ist sie tot. Motzend quäle ich mich wieder durch die Warteschleife und bringe diesmal deutlich ungehaltener mein Anliegen vor. Doch die Dame am anderen Ende hat leider keine hilfreichen Informationen für mich. Ansender sei eine Schreinerei in Polen. Sie gab mir die Nummer doch da ich kein Polnisch spreche, musste ich den Anruf nach „Sprechen Sie deutsch? English?….“ abbrechen. Da würde ich die Lösung also nicht finden.

Aber erstmal musste ich nun zur Arbeit, ich war schon viel zu spät dran. Im Büro musste ich den ganzen Tag an den Sarg denken. Alle Kollegen merkten schon, wie unkonzentriert ich deswegen war und um 17 Uhr war ich so schnell aus dem Büro raus wie selten zuvor.

Zuhause kam ich gerade noch Max zuvor, der gerade den Wohnungsschlüssel ins Schloss steckte. „Schatz, hast du was bestellt?“ Er schaut mich erstaunt an „ist meine DVD gekommen?“ also nicht. „Nein, keine DVD, es ist größer“ sage ich in dem Moment, wo die Tür aufgeht.
„Oh“ entfährt es ihm erstmal und dann schließen wir schnell die Tür denn unser Gegenüberrentner ist schon wieder am Spion. Der hat den ganzen Tag nichts besseres zu tun als seine Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken.
Im Flur steht er ungläubig vor dem Sarg. „also das ist nicht die bestellte DVD, soviel ist sicher“ schmunzelt er.
Max ist deutlich entspannter als ich, das merkt man. Kurz erzähle ich ihm, was sich heute morgen abgespielt hat. Gemeinsam überlegen wir, was nun zu tun ist. Tja, laut dem Lieferschein hat alles seine Richtigkeit, der Sarg wurde an „Meier, Bahnhofstraße 38, in 87341 Neustadt“ korrekt ausgeliefert, da ändert auch meine etwas ausgefallene Unterschrift nichts dran.
Max hat den Rechner angeschaltet und durchforstet das Internet nach Scherzlieferungen von Särgen. Aber auch da findet er nichts, was auf uns zutrifft und schließlich sagt er mit einem Seufzen „nunja, wir sind beide nicht in dem Alter, in dem wir einen Sarg voraussichtlich brauchen. Also?“ Ich zucke mit den Schultern, habe doch keine Ahnung was wir damit machen sollen. Ich weiß nur dass er da nicht im Flur liegen bleiben kann, da stolpern wir drüber.
Max macht plötzlich sein „Wickie hat eine Idee“-Gesicht und ich verdrehe die Augen. Wie ich das hasse, wenn er das macht. Es wird dauern bis er mir seine Idee mitteilt also wärme ich erstmal den Grünkohl auf. Freudestrahlend kommt mein Mann in die Küche und präsentiert mir die Lösung des Problems: Ein Ausdruck. Öhm, ja, ich erkenne erstmal gar nichts und Max erklärt „hier, das habe ich im Bestatterweblog gefunden, wir machen ein Regal daraus!“ Mir fällt der Kochlöffel in den Kohl „Bestatterweblog, was es nicht alles gibt. Na dann bastel du mal ein Regal daraus, aber mach das so, dass man nicht auf den ersten Blick erkennt, was das Regal eigentlich ist.“

Drei Tage später ist es fertig. Max hat das neue, selbst fertiggestellte Regal mit bunten Klebefolien bezogen, sodass man nur beim genauen hinsehen erkennt, dass das eigentlich ein Sarg ist. Das ist auch eine prima Idee gewesen denn meine Mutter kam zum Abendessen und bestaunte unser neues Regal
„Das hat aber eine merkwürdige Form. Woran erinnert mich das nur?“
Max kommt ihr zuvor und drückt ihr ein Glas Wein in die Hand. „das ist ein ganz teures Designerstück von Kalifalumpsi, das erinnert an nordaustralische Kängurubehausungen“
Beeindruckt schweigt Muttern und isst endlich, mit dem Rücken zu unserem neuen Designerregal, ihr Essen während ich mich vor Lachen nochmal ins Bad verkrümeln muss.

Es ist eine Woche vergangen seit wir unser tolles Designerregal vorgestellt haben. Ich habe mich mittlerweile dran gewöhnt und mag das teure Stück nicht mehr missen. Da klingelt es Samstags morgens wieder unerwartet an der Tür. Diesmal macht Max die Tür auf und ruft mir zu „Es ist eine Spedition Holzwurm oder so ähnlich“
Na sowas? Die bringen doch hoffentlich nicht noch einen Sarg? Ein Regal konnten wir ja gebrauchen aber dann muss mal gut sein.

Während Max schon laut überlegt, ob man sowas abdichten und zu einer Badewanne umbauen kann, kommen Karl-Heinz und sein Kumpel diesmal mit leeren Händen die Treppen hoch. „wir hatten da einen Fehler bei der Lieferung. Die Postleitzahl war so unleserlich geschrieben dass wir ins falsche Neustadt geliefert haben, wir nehmen die Kiste wieder mit“ Damit haben wir nicht gerechnet, doch Max strafft seine Schultern und erklärt: „Guter Mann, meinen Sie denn, wir bewahren hier für sie einfach mal knappe 2 Wochen einen Sarg für Sie auf, damit sie ihn dann wieder abholen als wäre nix gewesen? So geht es ja mal nicht. Was meinen Sie denn was sie uns damit beschert haben? Eine Menge Ärger und Arbeit, wir haben mehrfach in ihrer Spedition angerufen und niemand fühlte sich zuständig obwohl auch wir erst von einer Falschlieferung ausgingen.
Jetzt kommen Sie mal rein und schauen Sie. Hier ist der Sarg, wir haben ihn umgebaut“
Fluchend stellte sich Karl-Heinz vor den Sarg, sein Kumpel kratzte sich nur am Kopf. Dann zückte er ein Handy und rief in der Spedition an. Er murmelte unverständliches, sein Gesprächspartner wurde zwischendurch sehr laut doch schlussendlich hielt Karl-Heinz den Hörer zur Seite und fragte Max:
„Wollen Sie das Ding jetzt behalten oder wie?“
Wir wechselten Blicke und Max nickte, er hatte sein Werk lieb gewonnen. „Ja, wenns geht sehr gerne“ Karl-Heinz wechselte noch ein paar Worte mit seinem Gesprächspartner, dann nickte er uns zu.
„Der Sarg ist ja hin, den zahlt der Chef jetzt und wir sehen uns hoffentlich nie wieder“ Sprachs, zupft seinem Kumpel am Ärmel und rauscht mit ihm ab.
So kam es dass ein Designerregal von Kalifalumpsi bei uns einzog.

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GESCHICHTE Nr. 3

-Sekündlich vier Millionen Liter-
da dachte sich der schlaue Dieter:
„Wie komm ich da nur runter trocken?
Ohne nasses Hemd und Socken?“

Und beim Denken / Überlegen
fiel ihm ein das muss’s doch geben
in der allergrößten Not
fährt er da ab mit einem Boot.

Doch seine finanzielle Lage
– heut so klamm wie alle Tage –
ließ ihm keine andere Wahl
er bauchte Hilfe – wiedermal.

Zum Glück wir unseren armen Dieter
gabs im Bestatterblog nen Bieter
für eine topmoderne Kiste
die kam gleich auf Dieters Liste.

Kaum dass der Sarg dann angekommen
wurd ein Paddel schnell genommen
und ab hinab in den Schlund
Dieter das ist nicht gesund.

Ach es kommt wie’s kommen mußte
als ob der Dieter das nicht wußte
viel zu brüchig war sein Kahn
die ganze Abfahrt purer Wahn.

Seh ich nun eure Finger heben
mag ich zu Bedenken geben
diese Story ist Fiktion
ein tolles Buch mein guter Lohn!

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GESCHICHTE Nr. 4

Das Paket war riesig. Als der Paketbote damit vor der Tür stand, war ich nicht drauf gefasst, dass es so riesig ist. Er hielt mir dieses Gerät zum Unterschreiben hin und ich kritzelte abwesend und auf das Paket schauend irgendwas dahin. Ist ja auch egal, was ich da kritzle, kein Mensch auf der Welt kann auf diesen Teilen eine lesbare Unterschrift, die seiner Unterschrift auch noch ähnlich sieht, produzieren. Dann stand ich da vor diesem Paket und überlegte mir, wie ich es die Treppe herauf bekomme. Schieben? Ziehen? Nachbarn rufen? Warten bis der Ehemann von der Arbeit kommt? Nee, der darf davon gar nichts wissen. Er meint ohnehin, dass seine Frau viel zu viel Unfug macht – das hier muss er nicht erfahren. Also schob und zerrte ich das Paket die Treppe hoch und fing an es auszupacken. Ein wunderschöner Kiefernholzsarg kam zum Vorschein. Aber mir wurde schlagartig bewusst, dass ich mich mit den Maßen wohl sehr verschätzt hatte. Ein Tiersarg hätte es sein sollen, bei ebay günstig angeboten. Der Anlass war traurig genug, der alte Hund wird bald gehen müssen und ich wollte ihn würdevoll bestatten. Aber das was da geliefert wurde war viel zu groß. Ein Kindersarg ist so groß. Plötzlich fand ich das Teil sehr gruselig, da hätte wirklich auch ein Kind rein gepasst. Was in aller Welt mache ich mit einem Kindersarg?

Ich verfiel ins Brüten: „Was mache ich mit einem Kiefernholzsarg von einem Meter Länge?“. Mir fiel eine Menge ein, eine Idee dämlicher als die Nächste: Ein Regal für das Schlafzimmer, die Möbel sind da auch in Kiefer gehalten und es fehlt ein CD Regal. Oder ich verwende es als Truhe, eine Kiste wo ich meinen ganzen Kram rein packe, der im Schlafzimmer so rumsteht. Oder ein ungewöhnlicher Wohnzimmertisch? Eine Mini/wohl eher Maxibar der anderen Sorte? Aber nein, auch wenn alle Welt meint, Leute die schwarz tragen hätten einen Sarg in der Wohnung, ich fand den Gedanken dann doch eher grausig. Obwohl es ein wirklich schöner und schlichter Sarg war… damit musste sich doch was machen lassen?

Der Zufall kam mir zu Hilfe. Eine Mitarbeiterin vom Nagerschutz rief an und fragte, ob ich noch einen Hamsterkäfig habe, sie hätte schon wieder einen Goldhamster aufgenommen. Nein, der Dachboden war leer geräumt seit dem letzten großen Hamsternotfall. Geld für einen neuen Käfig hatten wir auch nicht, da wir unsere Tiere verhaltensgerecht unterbringen, bekommen sie alle mindestens 0,5 m² Grundfläche, diese Käfige sind sehr teuer. Und da kam mir die Erleuchtung: der Sarg! Ich drehte ihn um, nahm den Deckel (also den flachen Boden) ab. Schraubte an alle vier Ecken Stützpfeiler, oben Querlatten drauf und dann Volierendraht drumzu – schon war der Sargkäfig fertig. Der Boden wurde mit zwei Scharnieren oben befestigt und dient als Deckel. Der eigentliche Deckel war sehr hoch und gab so einen richtig tolle Hamsterbuddelkiste ab. Nach zwei Stunden war ich mit dem Umbau fertig. Ein wenig skurril sah der Käfig schon aus aber auf den ersten Blick erkannte man den Sarg gar nicht mehr. Nur wer genau hinschaute, der ahnte, woraus der Käfig gebastelt war. Den Hamster hat das nicht gestört, der fühlte sich in dem Käfig wohl. Seine neuen Besitzer waren von dem Käfig begeistert, denn sie hatten wirklich ein Faible für so gruftige Einrichtungsgegenstände. Und so verhalf der unbewöhnliche Käfig dem Hamster schnell zu einem neuen Zuhause.

Dem Hund geht es wieder besser. Er wird wohl doch ein biblisches Alter erreichen.

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GESCHICHTE Nr. 5

Service

Es war Samstagmorgen, die Frettchen waren für die nächsten Stunden abgefüttert und bespaßt – es konnte wieder ins Bett gehen; die Einkäufe konnten noch weitere 2 Stunden warten. Die Nächte waren irgendwie immer zu kurz.
Als es an der Tür klingelte dachte ich mit einem Seitenblick auf meinen Holden: “Bitte nicht wieder die Leute mit der netten Broschüre ‚ERWACHET’!“
Aber nein, es war eine andere, einschlägig bekannte Organisation mit großem Fahrzeugpark, die unbedingt ein Paket bei mit loswerden mochte.
Das Ding war – groß.
Der Absender war mir nicht bekannt. Das Gewicht auch nicht unerheblich. Aber gut, zu zweit bekamen wir das Ding in den Flur und legten es dort erstmal ab. Meinte da etwa jemand, dass ich einen neuen Schrank bräuchte? Größe und Gewicht konnten dafür sprechen. Wenigstens tickte es nicht.
Meine erster Gedanke war: „Edler Spender: ein Umschlag mit Geld wäre einfacher gewesen! Und hätte in den Briefkasten gepasst!
Der zweite: „Mutter, die Schränke sind schön und gut so! Und ein einzelner ist nicht wirklich hilfreich!

Auspacken halft, die Neugier zu befriedigen.
Mit vier Händen und massiver Mithilfe der vier Säbelzahnwürstchen die dann doch nicht mehr schlafen mochten, wurde die Verpackung abgeschält und was da zum Vorschein kam gab Anlass zum Nachdenken. Das ‚Ding’ entpuppte sich als Sarg.
Ok – ein schlecht gemeinter Scherz?
Erst auf den zweiten Blick bemerkte ich die Dokumententasche, die lieblos auf das Letztmöbel geklebt war.
Sie enthielt neben einer Pflegeanleitung und einer Probe Holzpolitur (für gewachste und geölte Möbel und Ziergegenstände) auch Griffe, diverse Schrauben und Sargfüße.
Und einen Rücksendeschein.
Nachdem ich die Überreste der Umverpackung entsorgt und so wieder ein wenig Platz in der Diele geschaffen hatte, schaute ich noch einmal in die Dokumententasche, auf der Suche nach einer Erklärung.
Ich fand darin noch ein Kuvert mit einem Anschreiben an den „glücklichen Empfänger“ dieser „fast einmaligen Gelegenheit“, einen Fragebogen und eine Anleitung, wie weiter verfahren werden sollte.

Laut Anschreiben handelte es sich um ein Pilotprojekt und der geneigte Nutzer war eingeladen, den im Folgenden beschriebenen Service kostenlos zu nutzen. Es sollte, laut Anschreiben, dem ganzen Vorgang mehr Zeit einräumen und den Anbietern eine bessere Kundenakquise ermöglichen.

Hier ein Auszug daraus:

– Bitte füllen Sie den Fragebogen aus.
Darin enthalten sind die Ausführung und Ausstattung des ihnen vorliegenden Sarges, Vorgaben zur Trauerfeier, Beerdigung und Grabstätte, einzuladende Gäste, sonstiges
Überlegen Sie sorgfältig, was Sie an gelebten oder vorgegebene Religions-/ Glaubensvorstellungen haben und teilen Sie diese im Fragebogen mit.
Erlaubt sind auch Vorschläge zum weiteren Verbleib der immateriellen Persönlichkeit im Feld Bemerkungen
– legen Sie den ausgefüllten Fragebogen zurück in das Erdmöbel
– verschließend Sie dieses mit den beigefügten Schrauben ‚S1’
– Verpacken Sie unsere Qualitätsprodukt Erdmöbel mit der im Deckel (!) verstauten Folie
– Kleben Sie den Rücksendeschein auf das Paket
– Senden Sie das Paket unter Zuhilfenahme der Organisation mit dem großen Fuhrpark an uns zurück

Wichtig: Die diesem Schreiben beigefügte Vollmacht bezüglich des weiteren Verfahrens mit ihrer materiellen und immateriellen Existenz legen Sie bitte nicht zusammen mit dem Fragebogen zurück in unsere Produkt, sondern führen sie bitte, unterschrieben, bis zum Erfüllungsdatum immer mit sich.

Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse an unserem Produkt und verbleiben

Mit freundlichem Gruß

*************** ********

D. Eibel (Kundenberater) G. Ottchen (Geschäftsführer)

P.S.: Bitte nutzen Sie für Ihre Unterschrift unbedingt die beiliegende Lanzette.
Vielen Dank.

Ich habe ja Angst mir weh zu tun und mein Blut sehen kann ich auch nicht – aber bei solch einem Angebot? Das unterschreib’ ich glatt! 😉

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GESCHICHTE Nr. 6

Der Sarg

An einem herrlichen Frühlingsmorgen wurde er ans Ufer des kleinen Flusses gespült.
Max, Finn und ihr Vater waren früh mit dem Hund aufgebrochen, sie wollten einen längeren Spaziergang machen und den ersten wirklich warmen und sonnigen Tag nach den langen Wintermonaten, der Kälte und der Dunkelheit nutzen, um ausgiebig frische Luft zu schnappen. Cooper tollte durch das noch feuchts Gras, stöberte hier und da im Gras und in den Büschen und hatte seine helle Freude daran, wenn er einen Vogel aufschreckte, den er verbellen konnte.
Sie waren schon fast eine Stunde unterwegs, als sie einen Ihrer Lieblingsplätze erreichten, eine verwitterte Bank stand unter einer riesigen Weide, von der Sonne beschienen und einen grandiosen Ausblick auf die Auen des kleinen Flusses bietend. Sie waren zügig gegangen und hatten sich ihre kleine Verschnaufpause redlich verdient. Sie setzten sich, redeten über dies und das, als Cooper plötzlich tief und grollend ein etwas ängstliches Bellen vernehmen ließ. Es war diese Art Bellen, das darauf schließen ließ, dass er etwas entdeckt hatte, was er nicht einordnen konnte.
Die beiden Jungs nahmen in Augenschein, warum der Hund dort anschlug, schreckten zurück und riefen nach ihrem Vater: „Papa, Papa, da ist ein Sarg im Fluss.“
Sofort fingen sie an Mutmaßungen anzustellen:
„Da ist bestimmt eine Leiche drin.“ – „Ach was, niemand wirft eine Leiche in einem Sarg in den Fluss. Den habe bestimmt ein paar Idioten irgendwo geklaut und dann ist er ihnen zu schwer geworden und sie haben ihn von einer Brücke in den Fluss geworfen.“ – „Und wenn da doch eine Leiche drin ist und so vor sich hin verwest?“ – „Du liest zu viele Gruselgeschichten, es geht doch keine Leiche mit Sarg verloren, ohne das jemand etwas merkt.“
Ihr Vater unterbrach sie: „Nun mal immer mit der Ruhe, jetzt werden wir das gute Stück erst einmal bergen, da im Fluss kann er ja wohl schlecht liegen bleiben. Ich denke, schon am Gewicht werden wir feststellen können, ob sich etwas darin befindet. Dann sehen wir weiter.“
Sie zogen ihre Schuhe aus und wateten in das flache Wasser. Ihr Vater zog, sie schoben und beförderten den Sarg ans Ufer und auf den Weg, während Cooper bellend um sie herumsprang.
Es war ein schlichter, aber schöner Sarg, aus dunklem Holz gefertigt, messingfarbene Beschläge und Scharniere und eine feine, aber aus ihrer laienhaften Sicht kunstvolle Schnitzerei im Deckel. Er war schwer, aber ihr erster Eindruck war, dass er leer sein musste und das Gewicht daher rührte, dass er nicht furniert war, sondern aus einem edlen Holz. Vorsichtig hoben sie den Sarg an einer Seite leicht an, um sich sicher zu sein, doch sie hörten keine Bewegung aus dem Sarg. Max und Finn sahen sich gespannt an, als Ihr Vater sie ein Stück beiseite nahm und sie bat, dort zu warten. Falls sie sich irrten, wollte er sicher sein, dass die Kinder nichts zu sehen bekamen, was sie in ihrem Alter vielleicht nur schwer verdauen konnten.
Ihr Vater fasste den Deckel behutsam an der offenen Seite und hob ihn leicht an, die Scharniere machten keinerlei Geräusch. Er spähte durch den Spalt und atmete erleichtert auf, der Sarg war leer – das heißt – nicht wirklich leer, aber es befand sich nicht das darin, was er befürchtet hatte. Er rief seine Söhne zu sich, die, so schien es ihm, sogar etwas enttäuscht waren, dass sich keine Leiche darin befand.
Gemeinsam trugen sie den Sarg das kurze Stück zu der Bank, um sich zu setzen und zu beratschlagen, was sie nun tun sollten. Sie wurden sich schnell einig, dass sie versuchen wollten, das Rätsel um den Sarg zu lüften. „ Der Sarg ist eine Fundsache, wie ein Portemonnaie oder ein Rucksack es auch wären,“, beschied ihr Vater, „daher werden wir ihn im Fundbüro abgeben. So etwas werden die da vermutlich auch noch nicht gehabt haben“, endete er lachend.
Er nahm sein Telefon, wählte die Nummer von zu Hause und berichtete in kurzen Sätzen, was geschehen war. Seine Frau sollte mit dem Wagen so nah als möglich an die Stelle heranfahren, den tragen wollten sie das gute Stück beim besten Willen nicht so weit.
Eine dreiviertel Stunde später hatten sie den Sarg ins Auto verladen und machten sich auf den Weg zum Fundbüro in der Stadt. Dort angekommen wollten sie erst einmal kurz vorfühlen, ob das Fundbüro den Sarg überhaupt annehmen würde. Sie schilderten kurz, wo und wie sie den Sarg gefunden hatten und sahen dabei in das zunehmend überraschte Gesicht der Mitarbeiterin des Fundbüros. Als sie geendet hatten, lachte diese auf: „ Manchmal schreibt das Leben doch die erstaunlichsten Geschichten. Vor noch nicht einmal 10 Minuten war ein älterer Mann hier, der genau einen solchen Sarg als verloren angab und sich erkundigte, ob sich jemand bei uns dazu gemeldet hat. Ich dachte, er sei vielleicht ein wenig senil – wer verliert den bitte einen Sarg. Und jetzt tauchen Sie hier auf und haben ihn gefunden, das glaubt mir doch kein Mensch.“
Der Mann hatte für alle Fälle seine Adresse hinterlassen und so war die Entscheidung, ihm den Sarg zurückzubringen, schnell gefasst.
Als sie die angegebene Adresse erreichten, fanden sie ein kleines Haus auf einem akkurat gepflegten Grundstück in einem der älteren Wohngebiete vor. Ein Schuppen stand nahe dem Haus, Holz und Bretter fein säuberlich gestapelt an der Wand. Als sie das Grundstück betraten, hörten sie ein Geräusch aus dem Schuppen, es klang wie ein Hobel, der über Holz gleitet. So traten sie an den Schuppen und klopften an die Tür.
Die Tür öffnete sich und sie sahen sich einem groß gewachsenen, grauhaarigen Mann gegenüber, das Gesicht von feinen Falten durchzogen, dessen Alter sie nur schwer einschätzen konnten. Er sah sie freundlich und etwas fragend an. „Ja bitte, was kann ich für sie tun?“
Sie schilderten ihm ihren Fund und dass sie den Sarg geborgen hatten und ein Leuchten ging über das Gesicht des Alten. Er bat sie in den Schuppen, in den sie das schwere Erdmöbel gemeinsam trugen. Der Schuppen entpuppte sich als kleine, aber ordentliche Hobbyschreinerei mit allem was dazu gehört. Eine Drechselbank stand in der Ecke, ein paar Teile aus denen offensichtlich ein Stuhl gefertigt werden sollte, lagen auf einer Arbeitsplatte, es roch nach Holz und Leim.
Der Alte bedankte sich herzlich bei den dreien und schilderte ihnen, da sie mit unverhohlener Neugierde fragten, wie er den Sarg verloren hatte. Er hatte den Sarg in einem Anhänger mit dem Auto transportiert und hatte erst am Ziel festgestellt, dass er wohl einen der Spanngurte nicht richtig festgezogen hatte, der Sarg jedenfalls war weg und auch nicht aufzufinden.
Max schließlich war es, der dann die Frage stellte, die die beiden Jungs besonders beschäftigte: „Warum haben Sie denn einen Sarg gefertigt und für wen ist der bestimmt?“
„Tja, Jungs, wenn man so jung ist wie ihr, dann macht man sich darüber natürlich keine Gedanken, aber wenn man erst einmal mein Alter erreicht hat und immer deutlicher spürt, dass das Leben endlich ist, dann fängt man an darüber nachzudenken. Ich bin jetzt 80 Jahre alt, mein Leben lang habe ich mit Holz gearbeitet, erst in der Schreinerei meines Vaters, dann habe ich sie irgendwann übernommen und als ich Rente gegangen bin, habe ich mir meine kleine Schreinerei hier zu Hause eingerichtet. Ich habe Möbel für das Leben hergestellt, Stühle, wie den dort drüben, Tische, Schränke, alles, was man sich vorstellen kann.
Ich war Jahrzehnte lang verheiratet, doch letztes Jahr ist meine Frau gestorben. Ich hatte, je älter ich wurde, immer mehr Angst vor dem Tod, daran, dass meine Frau vor mir sterben könnte, habe ich nie gedacht. Und als ich dann alleine da stand, dachte ich, ich habe immer mit Holz gearbeitet, die schönsten Möbel gefertigt, warum sollte meine Hilde jetzt in einem Sarg beerdigt werde, den irgendjemand anderes hergestellt hat.
So habe ich mich an die Arbeit gemacht, habe einen Sarg für sie gefertigt, ganz ähnlich diesem hier. Das hat mich zum einen abgelenkt, zum anderen gab es mir das Gefühl, meiner Frau einen letzten Dienst zu erweisen, sie mit etwas Vertrautem aus meiner Hand auf ihre letzte Reise zu schicken. Und dabei habe ich die Angst vor dem Tod verloren. Ich habe mein Leben gelebt, Kinder haben wir keine gehabt. Ich sehe dem Ende, das auch für mich irgendwann kommen wird, jetzt friedlich und gelassen entgegen, freue mich über die schönen Tage, die ich hier in meiner Werkstatt noch habe und bin doch bereit. Könnt Ihr das verstehen?“
Die drei hatten ihm gespannt zugehört, die Geschichte des alten Schreiners hatte sie bewegt, aber auf eine tröstliche Weise. Doch eine Frage blieb noch, die Finn mit leiser Stimme stellte:
„Aber wenn Ihre Frau doch schon beerdigt ist, für wen ist denn dieser Sarg bestimmt?“
Der Alte lächelte: „Für mich, wenn meine Zeit kommt!“

————-

GESCHICHTE Nr. 7

Hallo Tom,

was würde ich machen wenn mir morgen eine Spedition einen Sarg liefern würde?

Mich freuen das ich meiner Idee Räder verleihen kann.

Also los, was machst Du mit einem Sarg?

Ich würde ihn zu einen Sulky, wo man zwei Ponys vor spannen kann, bauen.

Da meine Nichte sich vorbereitet den Kutschführerschein zu machen, fehlt zu dem vorhandenen Kutschtier noch die Kutsche.

Was passiert?

Da so ein Sarg „breit“ genug ist um bequem nebeneinander zu sitzen, bietet sich ein Sarg doch dafür prima an. Also Sarg quer genommen, eine Seite + Deckel würden dann als Lehne dienen. Die andere Seite würde dann runter klappbar sein damit man ordentlich sitzen kann. Das eigentliche vorn und hinten beim Sarg, kämen dann die Räder dran bzw. wären dann zu sehen. Unter dem Sarg würden die Konstruktion für die Kutschendeichsel befestigt werden.

Zum Kutschefahren den Sargdeckel so wie die eine Seite aufklappen und schwupp kann die Fahrt los gehen.

Was hat es mit diesem Sarg auf sich?

Egal ob der Sulky grade von Ponys gezogen würde oder auf die nächste Tour wartet, er wäre ein Schmuckstück an Blickfang.

Für den eigentlichen Zweck, wofür der Sarg mal hergestellt wurde könnte er auch wieder her halten, Kutschendeichsel abmontieren und ab aufn Friedhof mit dem Erdmöbel.

Ist am Ende jemand drin?

Oh ja, der Kutscher und der Beifahrer.

Skizze des Sarg-Sulky im Anhang

————–

GESCHICHTE Nr. 8

Sarggeschichte
Heut morgen hat mir eine Spedition ein großes Paket geliefert. Leider in meiner Abwesenheit, ich hab nix bestellt. Auf dem Lieferschein steht nur: Geschenk !. Hm, wer das wohl war? Neugierig bin ich schon. Verdammt schwer ist das Teil. Paket aufgerissen – und dumm geguckt! Es ist ein Sarg! Ein wunderschöner, geschnitzter Sarg. Herrje, will mir jemand damit was sagen? Hoffen, dass ich vor Schreck mit einem Herzinfarkt umfalle? Das kann doch wohl nur mein Mann sein, der ewig treulose Lackl! Na warte, das gibt saures. Aber was mach ich nur mit dem Ding? Erstmal im Gartenschuppen verstecken…Mühselig transportiere ich den Sarg dorthin. Da fällt mir etwas geniales ein! Das Ding muß doch einen Nutzen haben! Und wo der schon mal da so schön steht, wird sich ja wohl bald ein Bewohner finden lassen! Mein Mann ist für 3 Tage auf einer „Dienstreise“, wahrscheinlich mit seiner Sekretärin, wie immer also Zeit genug für die Vorbereitungen. Der Garten ist geschützt, da kann keiner reingucken. Also nutze ich die Zeit und grabe ein tieeeeeefes Loch! Und stoße das Unterteil vom Sarg da hinein. Als mein Mann am dritten Tag spätabends von der „Dienstreise“ kommt, erwarte ich ihn schon im heißen Negligee , mit Kerzenschein, romantischer Musik und Rotwein. Sein Wein hat dabei eine Spezialzutat erhalten, von der er aber nichts weiß. Er ist verwundert, ob des Empfangs, setzt sich aber doch auf die Couch und wir prosten uns zu! Schon nach ein paar Minuten fallen ihm die Augen zu! Als er total bewußtlos ist, schleife ich ihn in den Garten und lasse ihn in den Sarg fallen! Deckel drauf und mit Erde aufgeschüttet! So, den wär ich los!!!

————–

GESCHICHTE Nr. 9

Ein klein wenig wie ein Star fühle ich mich schon. Eine lokale Berühmtheit,
sozusagen. Meine „Nachbarn“ hatten anfangs respektvollen Abstand von
mir gehalten, nachdem ich hier „eingezogen“ war. Mit der Zeit haben sie
sich an mich gewöhnt, und inzwischen passen sie sogar gern auf mein Hab
und Gut auf, wenn ich mal nicht „zuhause“ bin. Das müssen sie auch,
denn immer wieder kommen Fremde hierher zu uns unter die Brücke, die
mich neugierig anstarren und Fotos machen wollen. Und alles nur wegen
meinem Sarg.

Ich klammere mich immer noch an den Glauben, dass alles eine
Verwechslung war, ein dummes Versehen, das mir so unverhofft ein völlig
neues Leben beschert hat. Wirklcih böswillige Feinde hatte ich doch keine,
höchstens ein paar durchgeknallte Freunde, und keiner von denen, da bin
ich sicher, wäre so gedankenlos gewesen, mich in diesen Schlamassel zu
reiten.

Aber so ist das eben in einer Kleinstadt: Sobald man sich einen Namen
gemacht hat, spricht sich natürlich auch alles, was diesen Namen betrifft, in
Windeseile herum.

Meine kleine Versicherungsagentur war beliebt gewesen, soweit man das in
einem solchen Beruf von sich behaupten darf. Stets hatte ich darauf
geachtet, niemanden über den Tisch zu ziehen, keine unnötigen
Versicherungen aufzuschwatzen und in Schadenfällen schnellstmöglich zu
helfen. Das hatte sich, wie gesagt, herumgesprochen. Die lokale
Prominenz zählte bald zu meinen Kunden, Geschäftsinhaber, Stadtrat,
alles, was auf den Neujahrsbällen die guten Plätze im Saal bekam. Einer
dieser Plätze war bald auch für mich reserviert. Es war ein angenehmes
Leben, mit allem bescheidenen Luxus, den ich mir gönnte.

Leider sprach es sich dann aber ebenso schnell herum, als mitten in ein
Beratungsgespräch mit einem wohlhabenden älteren Ehepaar der Lieferant
einer Spedition platzte. Wo er denn den Sarg hinstellen sollte. Er war nicht
zu bewegen, seine Fracht wieder mitzunehmen, beharrte darauf, dass es
nunmal meine Adresse sei, an die er liefern müsse, und stellte schließlich
einen wuchtigen, dunkelbraunen Holzsarg genau vor der Tür meines Büros
ab. Hochkant. In der Fußgängerzone. Am Markttag.

Leider wollte man mir bei der Regionalzeitung am nächsten Tag nicht
verraten, welcher Scherzbold ein Foto gemacht hatte, und das Pseudonym
des Autors des Schmähartikels wollte man nicht preisgeben. Ich hätte sie
verklagen sollen. Am besten, bevor mein Vorgesetzter davon Wind bekam.
„Nicht mehr tragbar“, hieß es in der Begründung für die erstaunlich
schnelle Kündigung meines Vertrages.

Es ist beeindruckend, wie schnell ein früher wohlmeinender Vermieter
einen auf die Straße setzen kann, wenn man sich einen … sagen wir,
unangenehmen Ruf eingefangen hat.

Drei Monate lang hatte ich versucht, den Witz an der Sache zu entdecken.
Mein geliebter „bescheidener Luxus“ wurde mir zum Verhängnis: ich
musste schließlich meine eigenen Versicherungen kündigen, um den
Mahnungen und Zahlungserinnerungen nachzukommen. Ich fand den
Witz nicht.

Was mir schließlich blieb, bis auf wenige kleinere Habseligkeiten, war der
vermaledeite Sarg. Wie sollte ich den auch loswerden? Und so entschloss
ich mich, dem engstirnigen Kleinstadtleben zu entfliehen. Ich zog in die
Metropole. Unter „unsere“ Brücke.

Es ist eng in meinem Sarg, und die kleinen Luftlöcher, die ich in den
Deckel gebohrt habe, machen das Atmen nachts nicht gerade leichter –
aber es hält warm.

Vielleicht werde ich eines Tages ein Buch über all das hier schreiben.
„Warum ich in einem Sarg schlafe“, wäre das ein guter Titel?

————-

GESCHICHTE Nr. 10

Sargrileg!

Jimmys Handy spielte seine Lieblingsmelodie. Normalerweise ließ er das Handy einige Sekunden klingeln und pfiff die Melodie mit, bevor er abnahm. Heute war ihm nicht danach, das Gespräch anzunehmen. Schon gar nicht, wenn „Mutter“ auf dem Display aufleuchtete. Sein Tag war anstrengend gewesen und überaus erfolglos.

Er war als ausgeflippter Freak bekannt. Sein kleines, windschiefes Haus wirkte abbruchreif. Genau wusste niemand in seiner Straße, wie er überhaupt sein Leben finanzierte. Er arbeitete nicht und war selten außerhalb seiner Bruchbude zu sehen.

Meist waren die schiefen Fensterläden geschlossen und sperrten die Sonne aus. Besonders attraktiv war der Ausblick auf den verdorrten Rasen und den kaputten Zaun um sein kleines Grundstück sowieso nicht.

Jimmy saß fast den ganzen Tag an seinem alten Computer und zockte mit Menschen aus aller Welt. Das Spiel nannte sich Poker. Ununterbrochen fluchte er dabei und beschimpfte seine Mitspieler. Dabei lief der Aschenbecher über und dicke Rauchschwaden waberten durch das ungelüftete Zimmer.

Die Jalousie schloss nicht richtig, weil sie schief und verzogen in ihrer Schiene hing. Vereinzelte Sonnenstrahlen drangen hindurch und ließen die Rauchschwaden und die Staubpartikel aufglitzern.

Wenn Jimmy mal aufstand, stolperte er über Colaflaschen und Bierdosen oder trat in einen der vielen leeren Pizzakartons, die auf dem Boden herumlagen.

Heute hatte er spielen können, was er wollte. Alles ging schief und zu allem Überfluss war seine Internetverbindung heute instabil. Ständig flog er hinaus und natürlich genau dann, wenn er mal ein gutes Blatt hatte. Offenbar hatte das Schicksal etwas dagegen, dass er ein einziges Mal in seinem Leben Glück hatte. Andere wurden doch auch reich nur durch Pokerspielen!

Das Handy rockte vibrierend durch eine Colapfütze. Fluchend drückte er den Anrufer weg und stand auf. Vielleicht sollte er einfach mal ne Pause machen. Aufräumen wäre eine Alternative. Duschen könnte er auch mal wieder und nachsehen, ob noch ein sauberes Shirt im Schrank lag. Vielleicht sollte er einfach mal wieder etwas ganz anderes machen.

Er stolperte über seine Schuhe ins Wohnzimmer, als es heftig an seine Tür klopfte.

„Was?!“ schnauzte er unfreundlich. Er wollte keinen Besuch. Er wollte niemanden bei sich haben.

„Eine Lieferung für Sie! Ich brauche nur eine Unterschrift!“ rief ein Mann durch die Tür. Stirnrunzelnd öffnete Jimmy die Tür und betrachtete den Mann in seiner schicken blauen Speditionskleidung.

„Ich hab nix bestellt.“ maulte er den Lieferanten an. Der zuckte mit den Schultern und hielt ihm sein Pad entgegen.

„Ist aber Ihre Anschrift. Hier unterschreiben bitte.“ Jimmy linste ihm über die Schulter und griff nach dem Pad.

„Muss ich was zahlen? Dann nehm ichs nicht. Was ist es denn?“

„Nein, Sie müssen nichts bezahlen. Keine Ahnung, ich lad es gleich ab.“ Jimmy unterschrieb, nun doch neugierig geworden. Der Mann nickte, steckte das Pad wieder ein und marschierte zu seinem LKW zurück, wo ein Kollege auf ihn gewartet hatte. Gemeinsam kletterten sie in den Wagen, wuchteten eine lange Kiste heraus und schleppten sie zum Haus.

„Wohin damit?“ Jimmy starrte auf die Kiste. Was zum Teufel sollte das sein? Ein neuer Kühlschrank? Er deutete mit dem Daumen über die Schulter.

„Hinterm Haus in den Schuppen.“ verlangte er und folgte den Männern.

Den Schuppen hatte Jimmy erst letzte Woche entrümpelt. Eigentlich hatte er ihn abreißen wollen. Nun stand die seltsame Kiste aus zusammengenagelten Spanplatten und sinnigerweise mit einer dicken Folie umhüllt. Neugierig zog Jimmy die Folie herunter und begann die Holzkiste aufzuhebeln. Als die Bretter mit enorm viel Lärm auseinanderfielen, blieb Jimmys Kinnlade unten hängen. Vor ihm stand ein Sarg, aufwändig geformt, weiß lackiert und mit je drei Griffen aus gebürstetem Edelstahl pro Seite versehen.

Jimmy begann zu grinsen. Wer immer ihm das Ding geschickt hatte, musste Humor besitzen. Er fand den Sarg sogar recht schön. Der Deckel ließ sich leicht öffnen. Eine Duftmischung aus Holz, Lack und dezentem Parfum stieg zu ihm auf. Erstaunt sah Jimmy auf das Innere des Sarges. Er war mit einer weißen Polsterung bespannt und ein kleines, weißes Kissen mit hübschen Spitzenrändern markierte die Kopfseite.

Jimmy grinste noch breiter und dachte nicht weiter nach. Das Ganze war so einladend dass er mitsamt Schuhen und Kleidung hineinkletterte und bequem zurecht rutschte. Er faltete sogar die Hände auf dem Bauch. Es war so bequem hier drin, dass sein Lächeln blieb.

‚Kein Wunder, dass die Toten immer grinsen.‘ dachte sich Jimmy. Dann schlief er selig ein.

Als Jimmy die Augen aufschlug, war es schon später Vormittag. Er hatte über siebzehn Stunden geschlafen! Blinzelnd überlegte er, wo er war. Als es ihm einfiel, schoss er stolpernd aus dem Sarg heraus und starrte verwirrt hinein. Er hatte seit Jahren nicht mehr so lange und erholsam geschlafen!

Kopfkratzend schlurfte Jimmy ins Haus zurück. Was, zum Teufel, war mit ihm los? Nur ein Irrer schlief freiwillig in einem Sarg!

Aus reiner Gewohntheit griff er im Vorbeigehen in den Kühlschrank und holte eine kalte Flasche Cola heraus, die er auf dem Weg ins Arbeitszimmer zur Hälfte austrank. Seine Kippen lagen noch am Computer, das Handy war in der Colalache festgeklebt und blinkte. 10 Anrufe in Abwesenheit, alle von seiner Mutter… wie üblich. Der Rechner war noch an und zeigte eine stabile Internetverbindung.

Jimmy zündete eine Zigarette an und setzte sich. Mit wenigen Klicks war er in seiner gewohnte Pokerrunde und zog sein letztes Echtgeldguthaben in seinen Stack.

Er fühlte sich fit, ausgeruht und konzentriert. Und er spielte wie noch nie. Die Cola neben ihm wurde langsam warm. Er vergaß sogar zu rauchen. Tief konzentriert spielte er, ruhig, diszipliniert und ohne zu fluchen.

Eine Stunde später hatte er über tausend Dollar gewonnen. Jimmy machte keine Pause. Er spielte 6 Stunden ohne Unterbrechung. Sein Internet hielt, seine Glückssträhne ebenfalls. Als er sich verabschiedete, spielte ein ungläubiges Lächeln auf seinen Lippen. Er hatte fünfunzwanzigtausend Dollar gewonnen.

Jimmy ließ sich sofort das Geld auf sein Konto überweisen und lehnte sich müde zurück. Soviel Glück hatte er noch nie gehabt. Er hatte sagenhafte Hände gehabt, die Karten waren ihm regelrecht nachgelaufen. Wenn sie mal nicht so gut waren, setzte er erfolgreiche Bluffs an. Etliche Mitspieler hatten ihn bereits beschuldigt, ein Cheatprogramm zu benutzen. Jimmy lachte darüber.

Beim Zurücklehnen knisterte es in seiner Hosentasche. Jimmy hatte den Briefumschlag mit seiner Anschrift, der auf der Folie des Sarges geklebt hatte, gedankenlos in seine Gesäßtasche geschoben. Nun holte er ihn heraus und drehte ihn in seinen Händen. Schließlich machte er ihn auf und fand darin eine Art Lieferschein und einen neuen, noch auszufüllenden Lieferschein im Anhang. Der Absender ließ ihn die Stirn runzeln. Joshua Nigel. Der Name sagte ihm irgendetwas.

„Schick ihn an den Menschen, den du am meisten hasst! Füll den beiligenden Lieferschein gleich aus.“ Las er auf dem Zettel.

Während er einen Schluck abgestandener Cola trank und nach einer Zigarette griff, fiel es ihm wieder ein. Ein alter Klassenkamerad hieß Joshua Nigel. Ein fetter, schwitzender Junge, der von allen ausgelacht und ausgegrenzt worden war. Er selbst hatte Josh mit steigender Fantasie geärgert. Ausgerechnet Josh schickte ihm nun einen Sarg?

Jimmy schüttelte den Kopf und erhob sich. Er wollte sich den Sarg noch einmal genauer ansehen. Doch als er vor dem Sarg stand, konnte er kaum aufhören zu gähnen. Das Spielen hatte ihn unendlich müde gemacht und der Sarg sah mehr als einladend aus.

Jimmy schnippte die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Dann kletterte er in den Sarg, rutschte zurecht und schlief mit einem Lächeln ein.

Am nächsten Tag spielte Jimmy an den höheren Tischen. Er gewann dreiundachtzigtausend Dollar. Den Tag darauf waren es über zweihunderttausend. Am Ende der Woche ließ sich Jimmy den Kontoauszug ausdrucken und klebte ihn an die Kühlschranktür. Etwas über eine Million Dollar stand auf der Haben-Seite.

Als Jimmy die Augen aufschlug, lächelte er bereits. Schwungvoll sprang er aus dem Sarg hinaus und rannte sofort wieder an den Rechner. Wie in den letzten sechs Tagen fühlte er sich ausgeruht und stark wie noch nie. Heute wollte er die zweite Million klar machen.

Aber das Internet weigerte sich. Auch nach dem zweiten Neustart blinkte die Anzeige der Internetverbindung rot. Jimmy fluchte und griff nach dem Handy. Dreiundzwanzig Anrufe in Abwesenheit las er auf dem vorwurfsvoll blinkenden Display. Als er die Tastensperre deaktivierte, ging das Handy aus. Der Akku war leer.

Fluchend stand Jimmy auf und ging rüber ins Wohnzimmer zu seinem Festnetztelefon. Es war stumm.

Jimmys Laune sank in den Keller.

Während er an seinem Rechner saß und immer wieder eine Verbindung aufzubauen versuchte, fiel ihm der Lieferschein wieder ein. Er zog ihn heraus und las ihn noch einmal durch. Wem würde er einen Sarg schicken? Ihm fiel nur seine Exfrau ein, die sein Leben komplett ruiniert hatte. Ohne weiter nachzudenken füllte er den Lieferschein aus und trug ihre Adresse ein. Er übernahm sogar die Anweisung, die Josh ihm geschickt hatte.

Als er den letzten Punkt setzte, blinkte das Internet auf. Die Verbindung war wieder da!

Jimmy drückte seine Zigarette aus, rückte bequem zurecht und begann zu spielen. Neun Stunden später druckte er seinen neuen Kontoauszug aus und klebte ihn grinsend neben den alten. Zwei Millionen Dollar!

Der Sarg brachte ihm Glück! Nie im Leben würde er das Ding seiner Exfrau schicken!

Lächelnd kletterte er in seinen Sarg, strich zärtlich über das reinweiß lackierte Holz und faltete die Hände. Er schlief ein.

Zwei Tage später fand man Jimmy. Der Arzt stellte als Todesursache Herzversagen fest. Jimmy sei im Schlaf friedlich gestorben, versicherte er der trauernden Mutter, die fassungslos die Kontoauszüge in den Händen hielt.

Jimmy wurde nicht in dem weißen Sarg beigesetzt. Seine Mutter betrachtete den Lieferschein, den er ausgefüllt hatte, als Auftrag und ließ den Sarg abholen. Jimmy erhielt eine Feuerbestattung. Während der Trauerfeier riss seine Exfrau jubelnd die Hände in die Luft. Endlich hatte sie im Lotto gewonnen.

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    Lesezeit ca.: 63 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 24. November 2010 | Revision: 22. Februar 2014

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    12 Kommentare
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    Glückauf
    13 Jahre zuvor

    Die 10 Eindeutig.

    Henning
    13 Jahre zuvor

    Ja, Geschichte 10 ist nett, aber die 6 ist auch sehr schön.

    Micha
    13 Jahre zuvor

    die 10

    Berlinfee
    13 Jahre zuvor

    Meine Wahl:
    Geschichte 10
    Geschichte 19
    und die 3 !:-)

    der kleine Tierfreund
    13 Jahre zuvor

    Die 10…könnte eine Stephen King-Novelle sein…
    Hut ab!

    Kryptische
    13 Jahre zuvor

    Jetzt habe ich endlich die ersten 10 Geschichten durch und ich muss ehrlich sagen: ich bin absolut beeindruckt von der Kreativität, der Phantasie und auch dem schriftstellerischem Können der Blogleser. Ich könnte mich ehrlich gar nicht entscheiden welche Geschichte gewinnen soll, jede ist auf ihre Art gut, sicher weiß ich, welche Geschichte mir am wenigsten gefällt, aber die anderen – wow… *Chapeau*

    13 Jahre zuvor

    Nette Geschichten und meine Favoriten sind:
    Geschichte 3 und Geschichte 10

    Uli
    13 Jahre zuvor

    eindeutig die 10 … jetzt geh ich die zweite Ladung lesen … bis dann …

    13 Jahre zuvor

    So, nun hatten wir ausreichend Gelegenheit, die Geschichten zum Wettbewerb zu lesen. Wer hat nun die beste Sarggeschichte geschrieben?Sarggeschichten 1 Sarggeschichten 2Bitte fair bleiben! Einfach die Nummer der Lieblingsgeschichte hier in einen Kommentar

    Clara
    13 Jahre zuvor

    Nummer sechs!

    Rena
    13 Jahre zuvor

    Ich habe nicht alle Geschichten gelesen. Sorry an die Autoren, aber wenn mich eine Geschichte nicht gleich „fesselt“, lese ich sie nicht.

    Nr. 10
    Nr. 4

    gefallen mir am besten. Jetzt lese ich die 2. Einheit

    ELKe ( Fännin )
    13 Jahre zuvor

    Eindeutig, und nochmal gelesen, die: 19!!!




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