„Sind Sie der Rücken oder die Schulter?“ fragte mich die Tante im weißen Kittel, blickte kurz auf die Zettel auf ihrem Schreibbrett, schüttelte dann den Kopf: „Ach nee, die Schulter ist ne Frau und der Rücken von 1924, dann müssen Sie das Knie oder der Ellenbogen sein.“
Der eigentliche Zweck meines Besuches in der radiologischen Praxis war die Übergabe einer Überweisung für meine Gattin, deren Schildkröte leicht vergrößert ist und der deshalb mal die Preisgabe ihrer Geheimnisse durch ein bildgebendes Verfahren verordnet wurde.
Ich bin sowieso weder Rücken und Schulter, noch Knie und Ellenbogen, ich bin ein Mann und mag nicht auf irgendwelche Körperteile reduziert werden, sexistisch ist das!
Ich bin aber auch keine Zeitung, sondern wenn schon dann bin ich ein Weblog. (Ha, was ist dieser Bogen klasse!) Und als Blogger habe ich mich dem Infotainment verschrieben. Zeitungen haben das nicht und deshalb erwartet man ja von Zeitungen, daß da was Informatives drinsteht.
Klar, als Fachmann fallen mir Dinge auf, die andere nicht sehen würden, aber um die geht es nicht, wenn ich immer mal wieder über Berichten aus der Bestattungsbranche sitze und mit gar garstig am Kopfe kratze, nicht weiß, was der jeweilige Journalist mit seinen mühsam zusammengestümperten Worten sagen will und in welchem Einklang Überschrift und Artikel wohl zu einander stehen mögen.
Die „Märkische Allgemeine“ schreibt heute etwas zum Anstieg von Armen-Bestattungen im Landkreis und bemüht gleich im ersten Satz Wolfgang Amadeus Mozart und stellt fest, sein Armengrab von 1791 sei wohl das berühmteste überhaupt. Wenn schon, so muß ich hier mal sicken, ist dieses Grab das bekannteste seiner Art, aber gewiss nicht das berühmteste, denn wie kann ein Grab mit Ruhm versehen werden?
Also ein Armengrab hat Wolferl bekommen, das wissen wir nun und dann kriegt auch die „Märkische“ die Kurve und weiß, daß auch heute, mehr als 200 Jahre später „Sozialbestattungen für arme Bürger wieder mehr und mehr zum Thema werden“.
„Immer häufiger liegt die Beerdigung eines Menschen nicht in den Händen der trauernden Hinterbliebenen, sondern des Ordnungsamtes. Hier sterben meist völlig vereinsamte Menschen, die weder Angehörige, noch Freunde hinterlassen.“
Schließt das eine nicht das andere aus, bzw. setzt das eine nicht das andere voraus? Wenn einer keine Angehörigen und Freunde hinterlässt, wo sollten dann auch trauernde Hinterbliebene herkommen? Ja und selbst wenn es da -sagen wir mal- 500 enge Freunde gäbe, sie hätten zumindest mal mit der Bezahlung der Beerdigung, und um die geht es eigentlich im Artikel der „Märkischen“ gar nichts zu tun. Nicht die Zahl der Trauernden ist entscheidend, sondern deren Verwandtschaftsgrad zum Verstorbenen.
Aber auch der Satz an sich hakelt:
„Immer häufiger liegt die Beerdigung …in den Händen … des Ordnungsamtes. Hier sterben meist völlig vereinsamte Menschen…“
Es ist also durchaus lebensverlängernd, wenn man als einsamer Mensch nicht aufs Ordnungsamt geht, es steht ja in der Zeitung, da sterben viele völlig vereinsamte Menschen.
Doch es sind nicht nur die Einsamen, auch diejenigen, die einen Partner oder Kinder hinterlassen, bekommen ihr Fett weg. Sie müssen nämlich „beim Sozialamt die Übernahme der Kosten beantragen“.
Die „Märkische“ stellt fest: „Neben dem Schmerz über den Verlust sind dann noch Anträge auszufüllen, die Finanzen offen zu legen: ein umständliches Prozedere.“
Ja, und nun? Was möchte uns der Artikel denn eigentlich sagen? Die Überschrift lautete „Nichts bleibt“… Um was geht es eigentlich?
Vielleicht weiß die „Märkische“ ja noch mehr:
„Obendrein fördert so ein Todesfall in einigen Familien oft Jahrzehnte alte Wunden zutage. Die Behörde soll es dann richten. Dies kann dauern. Fristen gibt es nicht. Kein Wunder, dass die Bestatter verärgert sind. Sie fühlen sich zu Recht mit diesem Problem allein gelassen.“
Aha… ich „sicke“ mal wieder: Wunden werden nicht zutage gefördert, sondern aufgerissen, immer schön im Bild bleiben, auch wenn der Kies im Kopfe klackert. So ist das eben manchmal. Familien sind zerstritten und anlässlich eines Todesfalles muß man sich wenigstens für eine kurze Zeit zusammenraufen und manches gemeinsam erledigen. Doch was soll die Behörde dann richten, wie es die „Märkische“ meint? Das kümmert das Amt einen feuchten Dreck ob ihre Klientel zerstritten ist.
„Das kann dauern.“ Was kann dauern?
„Fristen gibt es nicht.“ Fristen wofür? Wozu?
„Kein Wunder, dass Bestatter verärgert sind.“ Worüber? Über den Artikel in der Märkischen?
„Sie fühlen sich zu Recht mit diesem Problem allein gelassen.“
Na gut, wenn wir zu Recht damit allein gelassen werden…, na dann kann es ja so schlimm nicht sein, es ist ja zu Recht…
Ich mutmaße mal, daß die „Märkische Allgemeine“ eigentlich sagen wollte:
Immer mehr Menschen muß durch das Sozialamt die Bestattung finanziert werden, sei es, daß sie verarmt und vereinsamt starben oder daß die Angehörigen auch nicht genug Geld dafür haben.
Das bringt oft nicht nur innerfamiliäre Probleme mit sich, sondern auch eine Menge Lauferei und Formulare. Und die Bezahlung lässt dann auf sich warten, denn es gibt keine Fristen. Für die Angehörigen ist alles erledigt, sie können kaum noch etwas tun, die Mühlen der Behörden mahlen langsam und ganz am Ende der Reihe sitzt der Bestatter und wartet oft monate- oder gar jahrelang auf sein Geld. Darüber sind die Bestatter zu Recht verärgert.
Quelle
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Keine Schlagwörter vorhanden
Tja, das kommt davon, wenn man Praktikanten redaktionelle Inhalte erarbeiten läßt. Auch immer schön sind vermurkste sprachliche Bilder – das schlägt dem Faß die Krone ins Gesicht!
vielen Dank für die kurze Zusammenfassung am Schluß
🙂
Wenn’s mal bloß die Praktikanten wären. Dann könnt ich ja noch hoffen, daß sich das mit zunehmender Reife und Erfahrung ändert…
Aber wie heißt es doch?
„Hoffen und Harren macht manchen zum Narren“
Da muss ich mal zustimmen. So gern ich unsere Meckerstimme mag, aber was die sich teilweise inhaltlich und in der Rechtschreibung leisten… Wir machen schon immer einen Wettbewerb beim Lesen draus: Wer findet die meisten Fehler.
Dass man monatelang auf Geld wartet, kann einem bei Behörden überall passieren. Meine Frau hat Ende Juli Antrag auf Meister-BAFÖG gestellt für eine Maßnahme, die im September begann.
Der Antrag ist noch nicht einmal bearbeitet, und der Behörden-Mitarbeiter, der in Heidelberg beim Landratsamt dafür zuständig ist, ist ein wirklich bürgernaher Verwaltungsbeamter. Nachdem meine Frau ihn Anfang Oktober endlich mal am Telefon hatte, um sich zu erkundigen, ob die Unterlagen vollständig seien, musste sie sich anhören, dass er „auch mal zur Bearbeitung von Anträgen käme, wenn er sich nicht ständig mit unnötigen Anrufen beschäftigen müsste“.
Ich kenne meinen Schatz ganz selten wirklich sauer, an diesem Tag war sie es.
Um bei Schreibfehlern zu bleiben; das ist allgemein zu beobachten, dass sich Rechtschreibfehler, zufällige Gross- und Kleinschreibung, fehlende Interpunktion etc. ohnehin vermehren, und das bei allen journalistischen Ergüssen, wo man es doch von berufswegen eigentlich besser wissen sollte. Und das hat auch nichts mit der neuen Rechtschreibreform zu tun, sondern es handelt sich hierbei schlicht und ergreifend einfach um saudumme Schreibfehler, die uns unsere damalige Deutschlehrerin um die Ohren gehauen hätte.
Von einer gründlichen journalistischen Recherche reden wir garnicht erst!
Seit ich in einer Spektrum der Wissenschaft (wahrlich kein Schundblatt) das Wort „Di-ese“ genau auf diese Art getrennt gesehen habe, gehe ich sowieso nicht mehr davon aus, daß alles menschen- oder computermögliche zur Vermeidung von Fehlern unternommen wird. Den Fehler hette eine mittelprächtige Rechtschreibkorrektur finden müssen.
Das liest sich, wie ein erster Entwurf. Nur leider hat man wohl vergessen, nochmal selbst drüber zu lesen, oder jemand gegenlesen zu lassen. Oft erscheinen einem seine Formulierungen glasklar, ein andrer versteht nur Flughafen oder Taxistand. Auch die automatische Rechtschreibeprüfung kann das Überarbeiten nicht ersetzen. Warum diesen Artikel keiner gecheckt hat ist mir dann noch ein Rätsel, das Thema ist ja nun nicht hochbrisant oder tagesaktuell. ich habe eher den Eindruck, der Redakteur ist in irgendeinerweise selbst betroffen. So ein zielloses Lamento, wo ist denn da der Informationsgehalt?! Aber Tom, Sicke und Nigge sei dank, wird man dessen regelmäßig gewahr.
Meine Schildkröte ist auch leicht vergrößert; das arme Tierchen frißt zuviel. Ich würde es aber trotzdem nicht deswegen in eine radiologische Praxis bringen 😉
Lieber Tom, die Schildkröte Ihrer Frau gehört zum Tierarzt.
😀
Der Artikel ist saumäßig geschrieben, gar keine Frage.
Aber: Die Überschrift macht meistens nicht der Schreiberling selber, sondern ein späterer Bearbeiter – der womöglich den Artikel nur GANZ kurz überfliegt und dann irgendwas drüberschreibt, von dem er meint, es stünde drin.
[quote=““]“Immer häufiger liegt die Beerdigung …in den Händen … des Ordnungsamtes. Hier sterben meist völlig vereinsamte Menschen…“
Es ist also durchaus lebensverlängernd, wenn man als einsamer Mensch nicht aufs Ordnungsamt geht, es steht ja in der Zeitung, da sterben viele völlig vereinsamte Menschen.[/quote]
Vielleicht waren ja auch die Mitarbeiter des Ordnungsamtes gemeint 😀
@#8:
Wie mir vor kurzem Jemand aus der Pressebranche erzählt hat, haben viele Verlage (die er mir namentlich nannte) ihr Lektorat komplett entsorgt – jeder Redakteur muss seine eigenen Texte redigieren – alles andere ist zu teuer und die „IT macht das ja“… Klar, dass da eine Menge Fehler durchgehen und solche kranken Sprachbilder entstehen. Das haut doch dem Fass den Deckel um…! 😉
Das ist aber keine Praktikantin die da als Autorin für den Artikel drinsteht, das ist eine langjährige Redakteurin dieser Zeitung.
Aber man sollte dazusagen, dass das der (relativ kleine) Lokalteil einer Zeitung ist. Natürlich sollte auch hier die Rechtschreibung in Ordnung sein, aber ansonsten kann man über doch thematische oder stilistsche Unzulänglichkeiten großmütig hinwegsehen. Gerade in Lokalredaktionen wurden in den letzten Jahren doch sehr viele Stellen gestrichen und die Redakteure müssen ja fast schlampern um alles zu schaffen…
Und übrigens habe ich bei der morgendlichen Lektüre der Papierform der Zeitung die Fehler garnicht wahrgenommen (oder es ist das jahreslange Training), die Intention aber offenbar im Sinne der Autorin und der Zusammenfassung des Undertakers erfasst.
Ich hätte jetzt auch auf den Schülerpraktikanten getippt, der einen besonders intellektuellen Artikel schreiben wollte…
Qualitativ hochwertige Resultate kosten Zeit – und die können/wollen die Wenigsten investieren.
Beispiel:
Wer/was genau ist „sicken“/“Sicke“? Ich habe in den letzten sechzig Sekunden drei Wörterbücher, google und das große W befragt – und schon habe ich keine Lust mehr zu suchen!
(PS: HA! Meine Überleitung ist nicht ganz so episch wie der Tomsche Bogen, aber auch nicht schlecht …)
@Sebastian: Sicken ist das Fertigen einer rinnenförmigen Vertiefung in ein Blech.
Wenn Tom „sickt“, dann hat er den entsprechenden Zeitungsartikel vor sich liegen und streicht mit Lineal und Kugelschreiber die Stilblüten an. Dabei drückt er so fest drauf, dass eine rinnenförmige Vertiefung im Papier entsteht. – Gell Tom? – Bitte sag ja!
Dazu noch einige Zitate aus dem www:
„“Sickig“ sagt man im Rheinland (und Bergischen Land) für „sauer“.
(„Sicken“ hingegen bedeutet „pieseln“ und „regnen“.)“
Zu „Sick“ als englischem Begriff gäbe es im deutschen noch: krank, schlecht, übel, kotzübel, geschmacklos, makaber, abartig, pervers (translat.google)
Woraus ich jetzt völlig unwissenschaftlich interpretiere,
Tom wird übel, wenn er solch schlechte Texte liest und nennt dies dann „Sicken“
Entymologisch könnte könnte es sich bei Tom um eine Bedeutungsverschleifung aus seiner rheinischen Arbeitsphase mit der Anwesenheit in Amerika handeln.
Viel einfacher: Bastian Sick.
Mit „sicken“ bezieht er sich auf Bastian Sick, den Oberlehrer der Nation… Ich empfehle allen Sick-Fans (ich kann nicht aus dem Beitrag ableiten , ob der Undertaker sich zu ihnen zählt oder dies nur ironisch meint) mal die Lektüre des folgenden Buches:
Sick of Sick, André Meinunger, s.a. folgenden Blogbeitrag: http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2008/04/16/sick-of-sick/