Menschen

Du bist ein ganz Feiner

Bei Familie Peters hängt der Haussegen schief. Nein, die Peters haben keinen Streit, sondern einen streng katholischen Heiligen in der Zimmerecke hängen und unten am Heiligen ist so ein kleines, offenes Gefäß dran, aus dem mir Weihwasser in den Nacken tropft.

„Ach Gottchen, Ihnen wird ja ganz nass um die Schultern!“ hechelt Frau Peters und springt sofort auf, um mir meinen Hemdkragen mit einem nach Moder riechenden Spüllappen auszutupfen. Ich will mich wehren, doch da springt ihr schon ihr Ehemann, der dicke Gunnar, zur Hilfe und stopft mir, frisch von der Rolle gerissene, Küchenpapiertücher in den Kragen.

„Mensch, Rita, watt mach’se auch Wasser in den Blasius!“ schimpft er und hängt den Heiligen wieder gerade. „Du weiß‘ doch, datt’er Blasius immer am Tropfen is‘ wenn’er mal ein bißken schief hängt.“

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Doch seine Frau lacht nur und sagt: „Wenigstens kricht’er gezz kein‘ Schluckauf mehr“ und an mich gewandt: „Können’se jetzt Fisch essen, soviel Sie wollen, da bleibt keine Gräte mehr stecken. Der Blasius hilft nämlich gegen Ersticken und Erwürgen und so.“

„Kommen’se, setzen ’se sich hier drüben hin, da auffe Eckbank, auffe bequeme Decke, da sitzen’se sowieso am beguemsten, ich sitz‘ da auch immer oft, wenn ich Kreuzworten tu“, sagt Herr Peters und schiebt mich um die Ecke auf die Eckbank.

Unterdessen ist der unglaublich fette Peters’sche Dackel „Saruman“ wegen des hektischen Gerennes und Gewisches aus seinem Mittagsschläfchen erwacht und versucht mein Bein zu rammeln.

„Saruman, lass datt, der Mann will datt nich‘!“ ruft Herr Peters und sein Dackel gehorcht ihm aufs Wort, unterlässt auf der Stelle das Rammeln und beißt mir stattdessen mehrfach leicht in die Ferse des Fußes am Ende meines anderen Beins.
„Der will immer nur spielen“, sagt Frau Peters und wirft Saruman eine rote Kaustange hin: „Da Saruman, nimm Leckerli!“

„Das tut aber ganz schön weh“, sage ich und reibe meine Achillessehne.

„Ach watt, datt meinen Sie nur, der is‘ ja klein, der macht nix“, sagt Herr Peters und schiebt die kauende Fettwurst mit dem Fuß ein Stück zur Seite.

„Sitzen’se auch bequem?“ fragt Frau Peters. „Dann können’wer ja endlich über die Beerdigung vom Oppa sprechen, wenn der mal stirbt.“

Doch, bequem ist es auf der Eckbank und die Decke ist schön weich. Ich lege meine Unterlagen auf den Tisch und notiere im Stillen, daß ich zu Hause alles wieder abwaschen muss, denn der Küchentisch der Familie Peters muß seit Generationen der Zubereitung von zuckrig, klebrigen und gleichzeitig fettigen Speisen gedient haben, ohne auch nur ein einziges mal abgewischt worden zu sein. Jedenfalls kann ich meine Kunststoffmappen nicht auf der Resopal-Oberfläche hin und herschieben, sondern muß sie immer erst anheben, bis sie sich schmatzend vom klebrigen Untergrund lösen. Ich versuche es zwar, zu vermeiden, mit den Handgelenken oder den Händen an die Tischoberfläche zu kommen, doch merke ich nach kurzer Zeit, daß meine Finger zusammenkleben, so als würden mir Schwimmhäute wachsen wollen.

Ich bin gerade dabei, den Katalog mit den schönsten Sarggestecken über den Tisch zu schmatzen, da springt der Dackel neben mich auf die Eckbank und macht einen krummen Rücken.
Mit den Füßen scharrt er sich ein Stück von der Wolldecke zu einem Klumpen zusammen und beginnt sich in rhythmischen Bewegungen an der Decke irgendeine Form der Erleichterung zu verschaffen, jedenfalls verdreht er voller Wonne die Augen und hechelt ein glückliches und kurzatmiges Keuchen aus seinen Lungen hervor.

„Nich‘ dran stören, datt macht der immer mittachs, datt braucht der zweima‘ am Tach“, sagt Herr Peters und ich erwidere angewidert: „Aber doch bitte nicht direkt neben mir! Können Sie das Tier nicht runter tun?“

Frau Peters ist entsetzt ob meiner mangelnden Tierliebe, meiner grausamen Ablehnung der Annäherungsversuche ihres dauergeilen Wursthundes und meiner klaren Worte: „Na hören’se mal, der macht datt jeden Tach ein paar mal, der Saruman is‘ datt so gewöhnt, Sie sitzen ja schließlich auch auf seine‘ Decke.“

Ich notiere weiterhin im Stillen: „Anzug in die Reinigung bringen, Duschen – aber mit Chlor!“

Ganz plötzlich fällt mir ein, daß ich ganz wichtige Unterlagen vergessen habe, packe meinen schmatzenden Kram zusammen und mache mit den Peters auf der Stelle einen Termin bei uns im Büro aus.

„Können’wer den Saruman mitbringen?“

Nee, können die nicht, ich sagen denen, daß unser Hund fast 40 Kilo schwer ist und mit Vorliebe Dackel isst.

„Dann kommen’wer eben ohne unser Schätzelken, ne Saruman, dann bleibste ein Moment alleine, wenn wir bei den Onkel sind. Ja, mein Dickerchen, Du bis ein ganz Feiner!“

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(©si)