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Erwin und der Paypal-Euro

Erwin ist Postmann. Genauergesagt war Erwin Postbote und das in einer Zeit als die Postboten noch Postschaffner waren und noch nicht „Zustellservicekraft im 1 Euro-Takt“ hießen… Da galt der Postbote noch was, war ein bißchen Respektsperson und ein Mann vom Amt. Ach, so lange ist das noch gar nicht her, aber gerade bei der Post hat sich ja vieles in den letzten Jahren rasant verändert und meiner Meinung nach nicht gerade zum Besten. Es wird vielleicht niemanden interessieren, aber ich bin nicht der Meinung, daß unsere deutsche Post der größte Logistik-Konzern der Welt werden muß. Ich bin auch nicht der Meinung, daß unsere Post in Amerika und Asien irgendwelche Paketdienste und Logistikkonzerne übernehmen muß.
Vielmehr erwarte ich eher, daß es in jedem Ort ein anständiges Postamt gibt und man jeden Tag pünktlich seine Post bekommt.
Der von der gelben Post ist ein ganz anständiger Kerl, aber da kommen hier auch noch zwei andere. Der eine davon kommt auf einem stinkenden und röhrenden Motorroller und ist mehr auf der Flucht als daß er richtig Post zustellt. Das liegt daran, daß sein privates Zustellunternehmen fast ausschließlich Behördenpost ausliefert und er in diversen Siedlungen, wegen der „tollen“ Briefe die er so bringt, jeden Tag „ein paar auf die Fresse bekommt“ (wie er mir mal erzählte). Der andere ist ein ungewaschener und unrasierter Geselle, der ganz offensichtlich des Lesens und Schreibens nicht ganz mächtig ist, jedenfalls heißen wir nicht Rumberger, nicht Kohlschmidt und auch nicht Waleschkowski, bekommen aber regelmäßig die Post für diese Leute in unseren Kasten gestopft…

Manchmal ist an dem Spruch „früher war alles besser“ doch etwas Wahres dran…

Doch zurück zu Erwin.

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Mit nur etwas über dreißig Jahren ist Erwin arbeitsunfähig geworden, die Kochen. Dabei sieht Erwin aus, als könne er Bäume ausreißen, groß, stark, ein Bild von einem Mann. Stellt man sich einen echten kanadischen Baumfäller vor, dann hat man so einen Mann wie Erwin vor Augen.

Doch man kann ja nicht in die Leute hineinsehen und so sieht man ihm auch nicht an, wie krank er ist. Was das genau für eine Krankheit ist, das weiß ich nicht, es tut hier auch weiter nichts zur Sache.
Jedenfalls konnte er deshalb schon sehr früh seinen Beruf als Postbote nicht mehr ausüben und durfte auch keine andere Arbeit mehr aufnehmen. Was für manch einen wie die Erfüllung eines erstrebenswerten Wunschtraumes klingen mach, war für Erwin eine Katastrophe, denn die schmale Rente, die man ihm zahlte, reichte nicht hinten und nicht vorne. Das gerade erst auf Kredit gekaufte Haus wurde versteigert, das neue Auto mußte er wieder verkaufen und geblieben sind nur Schulden.

Gegen seine Knochenkrankheit gibt es wirkungsvolle Medikamente und wenn er die nimmt, dann kommt Erwin gut über den Tag und so nahm er die jahrelang, was ihm vor ein paar Jahren dann die Quittung einbrachte, als man ihm sagte, nun seien die Nieren kaputt, das Herz mache nicht mehr so mit und deshalb stehe zweimal wöchentlich eine Dialyse an.

Man könnte nun meinen, das sei ein Schicksal, wie es oft vorkommt und im Grunde ist es auch so. Aber bei Erwin geht die Geschichte noch weiter.
Erwin hat nämlich auch Familie. Da ist zum einen mal seine geschiedene Frau Gundula, an die er ewig lange monatlich bezahlen musste und die aus einer Ehe stammt, die man mit Fug und Recht als dumme Idee bezeichnen kann. Aber wenn man jung ist stürzt man sich in so manches Abenteuer; dieses Abenteuer ist für Erwin damals nicht gut ausgegangen.
Seine zweite Frau Henny schien genau die Richtige zu sein, mit ihr hat Erwin drei Kinder.
Und diese drei Kinder hat er noch, Henny ist ihm vor ein paar Jahren weggelaufen. Wo sie heute steckt, was sie heute macht, das weiß kein Mensch, wenigstens stellt sie keine Forderungen an Erwin, allerdings trägt sie auch nichts bei…
So sitzt Erwin also mit seinen drei Kindern in einer Sozialwohnung, hat zuviel Rente als daß er großartig Unterstützung vom Staat bekommen könnte und zu wenig Geld, um über die Runden zu kommen.
„Wenn ich mir nicht am Monatsanfang gleich bei ALDI alles einkaufe, was wir zum Essen brauchen, dann klappt das nicht. Aber die letzte Woche ist bei uns immer Hunger angesagt.“

Er könnte ja zu den „Tafeln“ gehen, könnte das Armenessen der Kirchengemeinde in Anspruch nehmen, er könnte viel, aber er kann es nicht.
Erwin ist selbst krank, muß zur Dialyse und zwei seiner Kinder sind behindert. Der Große ist jetzt schon über Zwanzig, kann sich aber aufgrund einer geistigen Behinderung nicht einmal selbst die Schuhe zubinden und die Mittlere wurde mit einem offenen Kopf geboren und ist schwerst geistig behindert. Sie sitzt in einem Rollstuhl und kann sich nicht artikulieren, muß rund um die Uhr betreut werden.
Die einzige Hilfe die Erwin hat, ist sein jüngster Sohn, der jetzt auch langsam in einem Alter ist, wo man andere Interessen hat, als seinem großen Bruder die Schuhe zuzubinden und seiner Schwester mehrmals am Tag die Windeln zu wechseln.

Warum erzähle ich das? Nein, Erwin ist nicht gestorben, da ist überhaupt niemand gestorben und Erwin kann sowieso nicht sterben, weil er sich um seine Kinder kümmern muß.
Ich wollte diese Geschichte nur mal so am Rande erzählen, weil ich immer wieder Mails bekomme, in denen mir meine Bitte um Spenden in meine „virtuelle Kaffeekasse“ zum Vorwurf gemacht werden. Auf manchen Internetseiten wird gehässigerweise geschrieben, das hier sei alles nur eine Geldmaschine. Erstens ist das einfach nicht wahr, zweitens lässt sich gar nicht soviel Geld mit einem Weblog verdienen, wie manche das immer meinen und darüberhinaus dürfte es ja auch keinem entgangen sein, daß die Werbung im Blog inzwischen auf ein Mindestmaß zurückgefahren wurde.
Umso bedeutender ist der Spendenbutton geworden, denn nach wie vor stehe ich dazu, daß ich die eingehenden Beträge für Server und Weblogkosten verwende und einen großen Teil des Geldes an Leute wie diesen Erwin weitergebe.
Mittlerweile unterstütze ich drei solche Familien monatlich mit gewissen Beträgen. Wer also was spendet, der tut mir einen persönlichen Gefallen, weil ich mir dann ab und zu was Schönes kaufen kann und der hilft mir dabei, diese privaten Projekte weiter unterstützen zu können.
Dafür nehme ich auch hin, in anderen Blogs als Kommerzhure beschimpft zu werden und daß mir immer wieder Leute per Paypal mit einem gehässigen Kommentar („verreck dran!“ oder „wie gewonnen, so zerronnen“) genau 1 Euro überweisen, obwohl man weiß, daß 1 Euro-Spenden bei Paypal komplett von den Kosten wieder aufgefressen werden und nichts übrig bleibt.

Nachtrag: Ich habe mich verschrieben, es muß 1 €-Cent heißen, die Störenfriede überweisen ja keinen Euro, da blieben dann tatsächlich 63 Cent übrig, sie überweisen nur einen Cent und genau der wird dann auch an Kosten wieder von PayPal „gefressen“, sodaß der Saldo 0,00 beträgt.

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