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Ey Du da!

Fräulein

Ach, was waren das noch Zeiten, als ich -ohne von politisch korrekt Denkenden gesteinigt zu werden- zu jungen Frauen Fräulein sagen konnte.

Dass es sich bei dem Wort Fräulein um den Diminutiv (also die Verkleinerungsform) des Wortes Frau handelt, hatte für mich gar keine Bedeutung. Denn das -lein signalisierte mitnichten eine Geringschätzung des Weibes an sich, sondern war die allgemein gefällige und übliche Bezeichnung und Anrede für junge Frauen im Allgemeinen und für die unverheiratete Dame im Besonderen.

Die selige Maria Menze, eine vor Jahrzehnten von mir betreute alte Dame, hätte jeden trotz ihrer gut 80 Jahre böse geschimpft, wenn jemand auch nur ein einziges Mal Frau zu Ihr gesagt hätte. Ihre, den Umständen geschuldete, Ehelosigkeit wollte sie auch im hohen Alter vor Gott und der Welt durch das stolz dem Nachnamen vorangestellte Fräulein Ausdruck verleihen.

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Für Lehrerinnen, Kindergärtnerinnen und auch für Bedienungen in Lokalen war die Bezeichnung Fräulein ebenso selbstverständlich, wie niemals abwertend gemeint. Im Übrigen eine vielleicht für manchen interessante Information: Bis zuletzt 1957 bestand das Lehrerinnen-Zölibat, also ein faktisches Eheverbot fürs Weib im pädagogischen Dienst.

Das sorgte dafür, dass auch viele meiner Lehrerinnen Mitte der 60er Jahre noch echte Fräuleins waren. Es war ja nunmal so, dass sich diese Frauen in Kenntnis dieser Bestimmungen für diesen Beruf entschieden hatten, und natürlich wollten die betroffenen Damen nun mit Abschaffung des Leherinnenzölibats nicht urplötzlich alle in den heiligen Stand der Ehe eintreten. (Im Übrigen hatten sich viele auf die eine oder andere Weise damit arrangiert. Manch eine „pflegte“ bei sich einen kranken männlichen Verwandten, andere kümmerten sich um ihren „Bruder“ und auch Tante Andrea lebte mit ihrer Schwester Almuth zusammen, obwohl diese einen anderen Nachnamen trug…)

Früher war es einfacher, finde ich. Saß ich im Café, konnte ich mit „Hallo Fräulein“ problemlos und unbeanstandet eine der weiblichen Bedienungen auf mich aufmerksam machen. Heute bleibt mir nur ein „Hallo“ oder ein „Entschuldigung“.

In jenen Zeiten war es den langhaarigen Hippies, die mancherorts orientalisches Räucherwerk und Tücher aus Nepal verkauften, vorbehalten, jede und jeden zu duzen. Heute, so stelle ich mit Befremden fest, duzen einen ungefragt immer mehr wildfremde Menschen.

Ich mag das nicht. Mit jemandem per Du zu sein, das hat für mich eine Bedeutung. Einem anderen das Du anzubieten, ist für mich immer noch ein Akt des Näher-an-mich-Heranlassens. Wenn diese Grenze zwischen geordnetem Umgang mit Dritten und freundschaftlichem Umgang mit gewollten Duz-Partnern von irgendwem ungefragt überschritten wird, empfinde ich das als unpassend und unangemessen.

Aber in einem Café, in dem ich vor ein paar Monaten einkehrte, informierte mich die nette Bedienung gleich zu Anfang darüber, dass sie mit Vornamen Semarotnawi heißt, ich aber auch einfach „Ey, Du da!“ rufen könne.

Mir ist es übrigens schon ein paar mal passiert, dass Polizisten mich einfach geduzt haben. Im normalen Umgang haben sie mich immer gesiezt, aber immer dann, wenn sie der Meinung waren, ich hätte etwas angestellt, war das in meinen Augen gleichermaßen anbiedernde, wie auch herabwürdigende Du bei der Hand. (Ich hab noch nie was angestellt, aber ich habe im Laufe vieler Jahre den Eindruck gewonnen, dass Polizisten zunehmend den Bürger nicht mehr als den beschützenswerten Menschen, sondern als Gegner oder sowieso permament Verdächtigen betrachten.

Als ich vor etlichen Jahrzehnten als ganz junger Mann in einem Betrieb angefangen habe, fragte mich mein Chef, ob er mich beim Vornamen nennen dürfe. Natürlich stimmte ich zu und sagte, er könne mich gerne duzen. Das lehnte er ab und es blieb für alle Zeiten dabei, dass er mich mit dem Vornamen ansprach, aber siezte. Auch ne Möglichkeit.
(Seine Begründung ist ebenso einleuchtend, wie mittlerweile etwas abgenutzt: „Es sagt sich viel leichter du Arschloch, als dass jemand sie Arschloch sagt.“)

Mein Freund, der Foto-Peter, und ich kennen uns seit etwa 1995 also fast 30 Jahre. Bestimmt 20 Jahre davon haben wir uns konsequent gesiezt. War einfach schöner so für uns.

Wie ist das bei Dir? Wie handhabst Du das?

Bildquellen:

  • girl-7660695_1280-pixabay: Bild von David Young auf Pixabay

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