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Friedhofskultur?

Die Trauerhallen auf manchen Friedhöfen sind in einem sehr desolaten Zustand. Sinkende Beisetzungszahlen auf Friedhöfen sorgen für ebenso sinkende Einnahmen der Kommunen, und dann ist am Ende halt kein Geld mehr da, um abbröckelnden Putz zu erneuern, schadhafte Dächer zu flicken und kaputte Orgeln oder Beleuchtungen instand setzen zu lassen.
Mancherorts gründen sich Vereine von Friedhofsfreunden und nehmen den Pinsel und die Gipskelle selbst in die Hand. Traurig, das Ganze, denn es werden ja letztlich diejenigen bestraft, die eben nicht von der Friedhofskultur abkehren und einen dann doch recht teuren Platz auf dem Friedhof anmieten.
Dabei gehört die Bereitstellung von Friedhöfen zur elementaren Daseinsfürsorge und die ist ebenso elementar Aufgabe der Kommunen. Das bedeutet, dass die Kommunen schon aus rein moralischen und ethischen Erwägungen heraus verpflichtet sind, Friedhöfe nicht nur zu betreiben, sondern sie auch in einem ordentlichen und funktionierenden Zustand zu erhalten.

Dass eine zunehmende Zahl von Bundesbürgern mit dem Begriff Friedhofskultur und der Bedeutung von Friedhöfen für das Stadtklima, die Freizeitgestaltung und als Stätte des innehaltenden Trauerns nichts mehr anfangen können, hat viele Gründe. In einer säkularisierten Gesellschaft, in der die Vorstellung vom Jenseitigen allenfalls noch von Geistergeschichten und einem verquasten, halbwissenden Glauben an die Wiedergeburt geprägt ist, spielen Friedhöfe nur noch eine untergeordnete, bis an die Bedeutungslosigkeit heranreichende Rolle. Wenn das dann so ist, sinkt auch die Bereitschaft, für das, was vorderen Generationen im wahrsten Sinne des Wortes noch lieb und teuer war, mehr Geld als notwendig auszugeben. Und oftmals, das weiß ich aus nur allzu guter Erfahrung, werden eben dieses halbwissende Geschwurbel, vermischt mit waldesoterischen Ansichten auch nur vorgeschoben, um letztlich einfach der „Geiz-ist-geil-Mentalität“ frönen zu können. Mit anderen Worten: Da wird der Opa schnell zum Waldesfreund erklärt, nur um kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, und ihn an irgendeinem Stamm im dunklen Tann vergraben lassen zu können.

Auch die gestiegene Mobilität, die oft der Karriere geschuldet ist, sorgt dafür, dass sich immer weniger Leute die Verpflichtung zur Pflege eines Grabes ans Bein binden möchten. Wer weiß, wo man morgen wohnen wird, und wer macht dann Omas Stein sauber? Immerhin zerbrechen sich deutschlandweit tausende von Friedhofsamtschefs ihre Köpfe, wie sie ihre Gottesäcker noch attraktiver für die Bevölkerung machen können. So gibt es mittlerweile kaum einen größeren Friedhof, der nicht auch so etwas wie eine Wiesenbestattung oder die Urnenbeisetzung am Fuße eines Baumes anbietet. Ascheverstreuung auf der Wiese, Bestattung in vom Gärtner gepflegten Sammelunterkünften mit Steingartencharakter und aller möglicher anderer Zinnober, der noch vor fünf oder zehn Jahren auf behördliche Ablehnung gestoßen wäre, alles das wird heute gemacht. Es wird einfach zu wenig auf unseren Friedhöfen beerdigt. Das ist ein Problem.

Jetzt wollen wir aber nicht die ganze Schuld auf die Wald- und Seebestattenden schieben, sondern wissen ja auch, dass die Lebenserwartung steigt und die Menschen einfach nicht mehr bereit sind, kurz nach Erreichen des verdienten Rentenalters so zeitig ins Gras zu beißen, dass der Generationenvertrag noch aufgehen könnte. Selbst Covid 19 hat nicht den dementsprechenden „Erfolg“ gebracht, weil die Leute einfach in der ganzen Corona-Zeit dank Masken nicht mehr an der Grippe sterben, und wegen der Lockdowns erheblich weniger bei Verkehrsunfällen starben. Mal sehen, vielleicht schafft Putin da ja was in dieser Richtung….

Außerdem riestert und rürupt halb Deutschland bei drohenden Minuszinsen erfolglos vor sich hin, und manch ein Mann, der 45 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat, kann gemeinsam mit seiner Frau, die sowieso viel weniger bekommt als er, nun containern gehen und Pfandflaschen aus Papierkörben sammeln, um überhaupt noch rumzukommen. Dass diese Betroffenen weder Lust noch Geld haben, etwas für die Beerdigung zurückzulegen, liegt auf der leeren Hand. Und was die Jüngeren betrifft: Manche Jugendliche halten alte Menschen sowieso für überflüssig und entsorgungswert. Wie sonst war denn der allgemeine Aufschrei zu verstehen, als es anfangs der Pandemie hieß, zuerst müssten die besonders gefährdeten Alten geschützt werden? Und wo so ein Gedankengut, wenn auch nicht flächendeckend, vorherrscht, dann ist natürlich der Gedanke an das eigene, noch weit entfernt liegende Sterben gar nicht denkenswert. Ja und wer sich der eigenen Endlichkeit nicht bewußt ist, oder sich diese nicht bewußt macht, der hat auch wenig Bezug zu Trauer, Trauerkultur und Friedhofszeug. Mich wundert das nicht, ich habe neulich gelesen, dass 17% der Nachwachsenden „Influencer“ als Berufswunsch angeben, nur noch getoppt von der Antwort „irgendwas mit reich sein“.
Die Prioritäten liegen auch ganz woanders. Wir schmeißen lieber jedes Jahr Millionen bestens funktionierender Mobiltelefone, Fernseher und Computer weg, nur um chic und hip zu sein, statt diese vergeudeten Milliarden für etwas Sinnvolles einzusetzen.

Trauer und Traditionen kommen einem nur noch dann in den Sinn, wenn man auf einmal selbst davon betroffen ist. Ja und dann fallen einem die putzbröckelnden, dachlecken Trauerhallen und die nicht mehr funktionierende Orgel auf.

Mal sehen, wann den Chinesen hierfür auch noch eine bessere Lösung einfällt.
Nachdem Uber jetzt auch Essen bringt, könnte man ja auch die Toten von Uber abholen lassen. Irgendein Platz auf der Biohalde wird sich schon finden.

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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 17. Februar 2022 | Peter Wilhelm 17. Februar 2022

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phil
2 Jahre zuvor

Klingt im großen und Ganzen stimmig, wo ich aber eine andere Perspektive habe: „Wir jungen“ haben auch sehr vieles verzichtet, auch um Ältere zu schützen. Und jetzt zeigen „die Älteren“ (gerade und auch in der Politik) wie sehr ihnen die Jungen am Herzen liegen.

Luftreiniger in Schulen sind halt zu teuer, lüftet mal lieber. Wir haben Fluglinien und Banken zu retten.

Daniel Haase
Reply to  Peter Wilhelm
2 Jahre zuvor

Wenn man sich das Wahlverhalten Alt vs Jung anschaut und dann noch daran denkt, wer in erster Linie in der Politik an den Schalthebeln sitzt, dann ist das leider eben doch nicht nur ein „Die da oben und die da unten“-Problem, sondern durchaus auch eine Generationenfrage. Gefühlte 120 Jahre CDU und SPD wären ohne eine immer größere werdende ältere Generation jedenfalls eher weniger denkbar.

Alsuna
2 Jahre zuvor

Mein Mann und ich haben tatsächlich noch ein normales Grab für die Familie…und werden regelmäßig für seltsam gehalten. Gut wir haben auch eine Gärtnerei beauftragt es zu pflegen..aber trotzdem.

Viele wollen sich „entsorgen“ lassen. Mein Stiefvater, der ja im letzten Juli auf Grund einer Krankheit, gestorben ist, wollte immer auf die „Müllhalde“ und weggeworfen werden. Das, dass rechtlich natürlich nicht geht wollte er nicht wahrhaben und verlangte bis zum Schluss danach.
Wir haben ihn dann eben „anständig“ vom kommunalen Bestatter hier verbrennen und seine Urne bestatten lassen, weil wir haben ja ein Grab…auch wenn er das denke ich wirklich nicht wollte.

Thomas
Reply to  Alsuna
2 Jahre zuvor

Liebe Alsuna, so geht es mir auch. Ich habe regelmäßig Diskussionen mit der Verwandtschaft, warum wir Kinder uns den Aufwand leisten, das 500 Kilometer weit entfernte Familiengrab zu pflegen und zu unterhalten. Die Verwandten sagen dann auch, dass sie später lieber „auf die Wiese“ oder „in den Wald“ wollen, um uns Nachkommen nicht zu belasten. Ich brauche aber einen Ort für meine Trauer und die Gewissheit, dass sich jemand kümmert, auch wenn ich nur alle paar Monate vorbeischauen kann.

Veria
2 Jahre zuvor

Ich persönlich bin ein ausgesprochener Friedhofsgegner. Also, für mich. Wer will, kann sich da hin legen lassen, aber ich will nicht in einer Kiste oder Dose eingegraben werden und erst Recht nicht, dass meine Nachfahren dafür dann noch Miete zahlen müssen. Irgendwann in ferner Zukunft soll meine Trauergemeinschaft mich vom Berggipfel streuen … oder wenn das nicht erlaubt ist, mich in ein Loch im Garten schütten. Betonung auf schütten, die Dose muss nach der Bestattung dann auf den Metallmüll. (Und wenn DAS in ferner Zukunft auch immer noch nicht erlaubt ist, dann sollen sie es trotzdem machen.)
Klar, man braucht gewisse Regeln, damit die Toten ihre Würde behalten. Aber explizite gut dokumentierte Wünsche des Verstorbenen selbst müssen Friedhofszwang und Co. meiner Meinung nach einfach übertrumpfen.

Carina F
2 Jahre zuvor

Tja der Teufelskreis der Bestattungskosten…. die „Mieten“ für Gräber werden immer höher, die Gebühren auch und die Bestattungspflichtigen stöhnen unter den Kosten….der „Kreis“ füllt die leeren Gottesäcker auch nicht, sondern macht sie nur noch leerer, und Grabkosten + Gebühren immer höher und höher…. Man kann aber auch den Zeitgeist nicht ändern….die Bindung an Wohnorte fällt, religiöse Bindungen werden weniger, und nicht Jede/r will oder „braucht“ zum Trauern die klassische Grabstätte!
Ich habe ebenfalls festgelegt, anonym verstreut zu werden, da keine Nachkommen und ja die Blechbüchse sollte auch nicht unnötig in der Erde rumrosten…direkt ab in die Verwertung! Hätte ich Nachkommen, wären natürlich deren Vorstellungen von „Grabstätte“ wichtiger. Aber so…. weg mit meinen zukünftigen Resten ohne viel rumverwesen oder rosten.

Igge
Reply to  Carina F
2 Jahre zuvor

Wir haben mehrere Gräber, alles Erdbestattungen. Für mich ist das gut so, ich weiß wo meine Toten sind.
Mit einer Urne kann ich nichts anfangen, mir fehlt jegliche Beziehung dazu. Falls mich mal jemand einäschern will ist das OK, aber direkt an meinem Grab muß mindestens ein Postkartengroßes Schild mit meinem Namen sein.

Neulich habe ich die Kolumbarien in einer nahen Stadt gesehen. Am Fuß davon waren Kerzen, Blumen usw. und das nicht wenig….WARUM?

Auf unserem Friedhof gibt es Rasengräber mit einer A4großen Platte mit Namen drauf. Im Winter und im Sommer werden Blumen, Kerzen usw. drauf abgelegt. Im Winter ja vielleicht noch OK, aber im Sommer fährt der Rasenmäher Slalom. WARUM der Schmuck?

Mich wundert es halt…
Vielleicht gehört ein Friedhof ja doch zu unserer Kultur?

Carina F
Reply to  Igge
2 Jahre zuvor

Hi,
>>>Neulich habe ich die Kolumbarien in einer nahen Stadt gesehen. Am Fuß davon waren Kerzen, Blumen usw. und das nicht wenig….WARUM?>>>

Weil das in Kolumbarien normal ist! Außer es gibt Ausnahmen, welche explizit Blumenschmuck verbieten?

>>>Auf unserem Friedhof gibt es Rasengräber mit einer A4großen Platte mit Namen drauf. Im Winter und im Sommer werden Blumen, Kerzen usw. drauf abgelegt. Im Winter ja vielleicht noch OK, aber im Sommer fährt der Rasenmäher Slalom. WARUM der Schmuck>>>

1.Die Leute kennen die Vorschriften zu dieser Grabart nicht
2.Mal Blümchen oder Kerze hinstellen,ist eben einfacher als komplett bepflanzen, vielleicht ist es aber auch eine Kombination aus 1. und 2.

>>>Vielleicht gehört ein Friedhof ja doch zu unserer Kultur?>>>

Äh Ja klar,vieles was zu „unserer Kultur“ gehört, verändert sich dennoch im
Laufe der Zeit.

Carina F
Reply to  Peter Wilhelm
2 Jahre zuvor

Hallo Peter,

>>>Ganz augenscheinlich wird das bei anonymen Beisetzungswiesen.>>>

Mir drängt sich bei Deinem Hinweis auf die anonymen Beisetzungswiesen, der Gedanke auf, dass bestimmt nicht alle Angehörigen diese günstige Bestattungsform aus abgeklärten Gründen (braucht man nicht hin, nicht pflegen, ist billig) wählen. Sondern aus leider tatsächlich finanziellen Dauer Engpass Gründen.(Sozialbestattung) Vielleicht ergibt sich auch daraus, ein Verstoß gegen die Vorschriften…. Ich laß schon mal Zeitungsartikel in diese Richtung. Traurige alte Witwen u Witwer, welche eigentlich lieber eine „normale“ Grabstätte genommen hätten, aber keine andere Wahl hatten, da die Bestattung vom Sozialamt finanziert werden musste.

Carina F
Reply to  Peter Wilhelm
2 Jahre zuvor

Hallo Peter,

Danke für Deine ausführliche Erklärung! Auf den anonymen Grabfelern in „meiner Stadt“ habe ich den beschriebenen Zustand noch nicht gesehen (bin aber selten auf betreffenden Friedhof!) Wohl aber Platikblumen, welche nur mit „der Blüte“ aus der Grabwiese lugen, ich nehme mal an, auf die Art „markieren“ Angehörige den genauen Platz der Urne… dabei darf man die Wiesen gar nicht betreten und ein Ablageplatz für Blumen u Kerzen ist gleich daneben und auch „gut gefüllt“.

Dirk-Boerge
2 Jahre zuvor

Mein Vater ist im Fiedwald. Er wollte das so, meine Mutter wollte das so. Ich weiß, wo er liegt, der Baum ist beschriftet. Jeglicher Grabschmuck geht nicht, nur abgelegte Blumen werden geduldet. Es ist mir zu wenig, meiner Mutter nun auch. Das Grab meiner Oma neu zu bepflanzen, es im Herbst abzudecken, das ist alles nervige Arbeit. Aber es ist auch ein Dienst für sie, den ich gerne tu.

Amaryllis
Reply to  Dirk-Boerge
2 Jahre zuvor

Für mich ist das so, dass ich ganz gern verbrannt werde würde. Allerdings ist es meine Überzeugung, dass Grabstätten nicht für die Toten sondern für die Überlebenden angelegt werden. So vermittle ich das auch meinen Kindern. Gestaltet euch den Platz den ihr zum trauern braucht. Eventuell frag ich sie mal was sie sich vorstellen und leg dafür das Geld zurück um es ihnen zu ermöglichen auch wenn sie sich das dann bei meinem Ableben grad nicht leisten können.

Carina F
Reply to  Amaryllis
2 Jahre zuvor

Hallo Amaryllis,

>>>Allerdings ist es meine Überzeugung, dass Grabstätten nicht für die Toten sondern für die Überlebenden angelegt werden>>>

Grabstätten sind eigentlich nur für die Überlebenden und deren Gefühlen, eine Leiche „will“ wohl nix mehr außer verwesen, egal Wo, und selbst wenn man an die Existenz von „Seelen“ glaubt, haben die dann auch besseres zu tun und schweben so rum oder „sind“ im Himmel/Jenseits/Nirvana…..




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