Sie schlägt mich überhaupt nicht. Sie muß den Stock heben, sonst kann sie das nicht tun, was sie tun will, denn sie umarmt mich. Ich muß mich ziemlich tief zu ihr herunterbeugen und sie schreit mir auf Portugiesisch ins Ohr, überschüttet mich mit einem Schwall portugiesischer Sätze, wechselt unvermittelt ins Flämische und wenigstens das kann ich verstehen.
So schnell der Spuk begonnen hatte, so schnell ist er auch wieder vorbei. Mascha läßt von mir ab und marschiert, vom Onkel und ihren Töchtern begleitet, in Richtung Aufbahrungsraum. Eine Frau übersetzt mir das, was ich nicht verstanden habe und ich erfahre, daß Mascha sich bei mir für die Gastfreundschaft bedankt hat und mir große Anerkennung dafür ausgesprochen hat, daß wir diese Aufbahrung ermöglicht haben. Na, immerhin.
Am Ende der Halle bleibt Mascha unvermittelt stehen, stampft mit dem Stock auf den Boden und wirft mir einen Blick zu, dann sagt sie: „Alla hopp!“ und zwei Frauen geben mir einen Schubser. Ich soll mit Mascha und ihrem kleinen Begleittross mitgehen.
Mascha hält mir ihren freien Arm hin und ich ergreife ihn, stütze sie ein wenig und empfinde das als Ehre. Vor der Aufbahrungskammer will ich sie loslassen, doch sie klammert und so gehe ich mit ihr, ihren beiden Töchtern und dem aktuellen Onkel hinein.
Die Verstorbene sieht gut aus, Sandy hat immer mal wieder nachgepudert und gezupft, man hat keineswegs den Eindruck, als sei da mit dem Gesicht irgendetwas nicht so, wie es hätte sein müssen. Ob das Aussehen der Frau exakt getroffen ist, spielt kaum eine Rolle. Das ist, so denke ich mir, so wie bei den Figuren im Wachsfigurenkabinett. Es ist auch eine Frage des jeweiligen Betrachters, ob er nun findet daß die Kopie dem Original ähnlich sieht oder ob er findet, daß da keinerlei Ähnlichkeit besteht.
Diese Überlegungen haben mit diesem konkreten Fall nur am Rande zu tun, sie passen auf jeden Verstorbenen, den wir zurecht machen. Die meisten haben wir nie zuvor gesehen, wissen nicht wie sie ihre Haare trugen, können uns nur an Fotos orientieren, müssen oft unserer Phantasie und unserer Erfahrung folgen.
Die Roma jedenfalls haben sich bislang durchweg nur positiv geäußert und befolgen meine Bitte, die Verstorbene nicht anzufassen oder zu küssen, vielleicht hatten sie das auch gar nicht vor, jedenfalls machen sie es auch nicht.
In der Aufbahrungszelle riecht es süßlich, ganz leicht chemisch, eher angenehm. Es ist der Geruch von Incidin, Blumen, dem Öl aus unseren Öllämpchen und ein wenig der Geruch des Todes.
Wir haben einige Beutel Sarghygiene und Mannis Kräutersäckchen in den Sarg gegeben, die ebenfalls zum Geruchsbild beitragen.
Mascha tritt an den Sarg, flankiert von ihren Töchtern und redet mit der Toten. Der Onkel geht einen Schritt zurück, steht im Gang vor der Aufbahrungskammer und kaut Sonnenblumenkerne, die er aus seiner Jackentasche holt. Auch ich trete nach draußen, lasse die Frauen alleine.
Es dauert.
Bald eine Stunde bleibt Mascha im Aufbahrungsraum, hat sich inzwischen gesetzt und redet die ganze Zeit. Dann kommt sie heraus, wieder flankiert von ihren alten Töchtern und angeführt vom diensthabenden Onkel. Mascha hält noch kurz in der Halle Hof, läßt sich etwas zu Trinken bringen, ist alsbald von Leuten umringt und offenbar gibt sie Anweisungen, wie sie sich den weiteren Fortgang vorstellt.
Dann ist der Spuk vorbei, Mascha stampft wieder mit ihrem Stock auf und geht. Das Stimmengewirr nimmt zu, alle reden durcheinander, jeder will seine Sichtweise von Maschas Stippvisite kundtun, dann gehen etliche der Anwesenden, die offenbar alle nur ausgeharrt hatten, um den Besuch der Königin nicht zu verpassen.
Der momentan zuständig Geldrollenonkel tritt an meine Seite: „Wir machen den Sarg jetzt zu, das macht der Mann.“
Es ist der Witwer der jetzt kommt und der von einem anderen die Kurbel für den Sargdeckel erhält. Ich gehe ihm zur Hand, kurbele erst die Liegesstatt der Verstorbenen herunter, dann kurbelt der Witwer den Deckel zu. Langsam senkt er sich über die friedlich da liegende Frau und kurz bevor der Deckel ganz zu ist, wird der Mann von Tränen übermannt. Es ist das letzte Mal, daß er seine Frau sieht, dann zieht die Schwerkraft den Deckel die letzten Zentimeter zu.
Es ist Dienstag, spät nachmittags. ‚Open house‘ ist vorüber, nur noch eine kleine Totenwache wird bis Mittwochmorgen bleiben, dann steht uns das große Ereignis der Überführung bevor. Das wird noch was geben, kann ich Euch sagen!
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: geld!, gerolltes
Der hats auch nicht leicht, seine Frau zu verabschieden, die er auf dem Gewissen hat.
Wenn jemand in einer Geschichte erzählt „Wir schreiben das Jahr 1534 und befinden uns in einem kleinen Dorf am Rande der rumänischen Grenze.“,
rufst du dann auch „Nee, wir sind doch heute und heute ist Montag und ich bin nich in Rumänien sondern im dritten Stock. Mit WLAN!“?
Ich glaube ja, bei so einem Massenauftrieb, ob nun Roma oder nicht, ist jeder Cent vollauf verdient. Nervensägen und destruktiv Veranlagte gibt es in jeder größeren Gruppe.
Mich würde interessieren, was diese Mascha da am Sarg die ganze Zeit geredet hat …
Danke übrigens auch für die genauen Beschreibungen des drumrum, zB wie es gerochen hat etc. … geht das mit Leichengeruch so schnell?
Wenn ich mich recht entsinne, ist der Unfall doch Freitag passiert, Sonntag abend/nacht habt ihr der Frau wieder ein Gesicht gebastelt, und der Besuch von Mascha war Dienstags, also keine 4 Tage?
„Geldrollenonkel“ finde ich genial. Wünsche Dir, dass sich die „Schäden“ in Grenzen halten bzw. gehalten haben. In solchen Situationen ist der Job sicher nicht einfach.
Soviel ich weiss, ist der beim Spiegel. Aber mir ist es egal, die Stories sind gut.
>Tom, eine linke Zecke?
grübel, wie kann man eigenlich von dem Blog auf die politisachen Ansichten schließen?
*duck und weg*
Kinnings, der nächste Troll… ganz ruhig bleiben und nich füttern. 😉
Hat die Kerstin auch einen Indianer zu Besuch?
Ist mit der IP-Adresse 87.180.150.223 sowieso immer derselbe mit verschiedenen falschen Namen und E-Mail-Adressen.
Echt wahr? Und die E-Mail-Adresse ist immer die selbe Falsche? Und was genau sagt uns das?
Das Tom den ab sofort blockt?
Wie lange dauert das mit dem Cliffhänger diesmal?
Jedes Jahrzehnt braucht seine Epiphanie, seine Offenbarung, an die sich die Leute erinnern.
Früher war das die Offenbarung des Johannes,
ein paar Jahre danach kam heraus, dass Soylent Green aus Menschenfleisch gemacht wird; danach verriet Darth Vader, dass er Lukes Vater ist…
Aber wenn irgendwann herauskommt, dass Tom eigentlich eine Frau ist….
Das wird die Welt bewegen.
Es heißt „Der Tom“, nicht „Das Tom“. Oder ist der eigentlich ein Weibchen?
Daß der Troll aus Gärtringen wirklich garnix zu tun hat…
Also, vorhin war ich noch ein Mann, aber ich kann gern mal eben nachgucken ob das aktuell auch noch so ist. Moment….
…Ja, alles da.
Hmmm … aber hatten wir neulich in den Trans-Threads nicht festgestellt, daß man das so einfach nicht feststellen kann?
SCNR
Wo kann man diese Sarghygiene denn erwerben ? Vllt. sollte ich die mal in die Schuhe meiner „miefenden“ Mitbewohner verteilen ?
@Tom
kennst Du Lorielle London ? Wenn Sie oder er unten nachsieht, findet er /sie auch was, sie sagt aber, sie sei eine Frau :))
Oh man(n) hat gestern wieder jemand die Käfigtür aufgelassen?
TOM ist Bestatter und nebenbei Blogger, er erzählt uns (die wir freiwillig mitlesen) Geschichten aus dem Leben.
Ob die nun aus den 50ern oder von heute sind, überliefert oder selbst erlebt ist doch sowas von egal.
Aber back to topic:
Bin mal gespannt ob , der-die-das Roma 😉 den schmuck drin lassen.
den Schmuck lassen sie normal schon drin )
Kannst du das irgendwie belegen, „Thomas“? Oder plapperst du einfach ein wenig Propaganda in die Runde?
Die Journalistenthese ist nämlich durchaus belegbar, auch wenn „Tom“ das natürlich a) hintenherum zu verhindern weiß und b) vorneherum unterstützen wird.
Auch nicht schlecht, Google spuckt hier gleich passend eine Anzeige „Endlich kein Mundgeruch“ aus. Obwohl wir jetzt ja wissen, ein Beutel Sarghygiene und gut ist es.
Eine großartige Geschichte, wunderbar geschrieben. Sehr anschaulich. Die kommt bitte ins nächste Buch, ja?
@Schlurfis Mitra
Propaganda plappern?
Journalistenthese??
Wie sagen wir im Ruhrgebiet so schön: Watt wer bist Du denn?
Ich plappere gar nichts, ich habe Spaß am lesen und glaube es einfach mal.
Da Ich keine Daten preisgeben muß und es mich kein Geld kostet kann ich auch davon ausgehen das die sicherheitsrelevante Einstufung dieses Blogs eher niedrig zu sein scheint.
Was ich damit sagen will:
Lesen und Spaß haben oder lesen und nörgeln wollen beides OK. wenn zweites jedoch gern LEISE!
Oder bist Du Lehrer/in hast zuviel zeit und diskutierst einfach gern alles aus?
Könnte Modeschmuck sein, sonst würde sich noch jemand nach Ablauf der Ruhezeit daran erfreuen können. Oder bekommen Roma Dauergräber, die erst in 2000 Jahren und mehr ausgegraben und erforscht werden?
Mannis Kräutersäckchen ?
Bei euch herrschen ja Zustände….Sodom und Gummera oder so ähnlich.
🙂