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Gerolltes Geld VII

Dienstag, die Roma-Frau ist bei uns aufgebahrt, der ganze Sarg ist obenherum angefüllt mit Schmuckstücken, vorwiegend goldfarbig. „Das geht alles mit in die Erde“, erklärt mir einer der Onkel und erbittet sich von mir die Kurbel zum Verschließen des Sargdeckels. Von nun an kurbelt er immer wieder den Deckel auf und zu. Jedesmal wenn längere Zeit mal keiner Abschied nimmt, macht er den Deckel zu. Ich schaue ihn ungläubig an und frage nochmals nach. Er nickt: „Doch, doch, das bleibt alles drin, das sind die Geschenke der Familien für den letzten Weg und das was danach kommt.“

In unserem Haus ist immer noch Tohuwabohu, aber wir haben das nun wesentlich besser im Griff. Wir hatten früher schon mehrere Bestattungen dieser Art und waren vorbereitet und gewappnet, so heftig wie dieses Mal hatte es uns aber noch nie getroffen und es sollte noch heftiger kommen.

Allgemeine Unruhe macht sich breit, es geht die Nachricht um, daß Mascha aus Belgien auf dem Weg sei. Ich weiß jetzt nicht, wie sich Mascha schreibt, ich schreib es einfach mal so. Bei Mascha soll es sich um eine Sippenfürstin, eine Art Königin, mit großem Einfluß handeln, der man ganz offenbar großen Respekt zollt. Es setzt ein allgemeines Aufräumen und Ordnen ein, die Kinder werden herausgeputzt, die Männer stopfen sich die Hemden in die Hosen, kämmen sich und die Familien sortieren sich.

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Doch bevor Mascha eintrifft, kommt jemand anders und macht mir Ärger.

Ich hatte ja geschrieben, daß uns das Hin und Her im Haus zuviel geworden war und wir deshalb nur noch soviele Roma in unsere Halle ließen wie auch hineinpassten und diese sich dann eben gruppenweise abwechseln mußten. Das brachte Übersichtlichkeit und Ruhe in die Sache und von Seiten der Roma war das zwar mit beleidigten Schnuten aber doch auch Verständnis angenommen worden.

Jetzt kommt allerdings Herr R., nennen wir ihn mal Herrn Rot, und stellt sich direkt vor mich hin, viel zu nah für meinen Geschmack und stellt sich als Bezirkssprecher der Sinti und Roma vor, grinst mich an, ergreift meine Hand und schleimt mich mit Worten voll. So viele zuckersüße Worte habe ich schon lange nicht mehr gehört und bin froh, daß ich keine Ohrendiabetes bekomme. Unvermittelt wird Herr Rot aber ernst und beklagt sich darüber, daß es eine ungeheuerliche Diskriminierung der Sinti und Roma sei, daß ich ihnen mein Haus verbiete und daß sie nur in Gruppen eintreten dürfen und das ginge alles überhaupt nicht und das Volk habe schon unter der Herrschaft der Nationalsozialisten schrecklich gelitten ja seine Familie sei im Konzentrationslager dezimiert worden und man lasse sich solche Willkür nicht gefallen das sei auch auf den Ämtern immer so und ob ich denn kein schlechtes Gewissen hätte und ich sei doch bestimmt auch gegen Neger und überhaupt habe man überall nur Vorurteile gegen Zigeuner und ich sei da keinen Deut besser und es sei seine Aufgabe sich jetzt für seine Leute einzusetzen…

Ich gucke über ihn hinweg, er ist nicht besonders groß, lasse ihn noch weiter plappern, dann jedoch greift er, nicht aggressiv, doch trotzdem so daß es mir nicht gefällt, die Revers meines Anzuges und will so meine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Das ist mir zuviel, ich greife unter seine Arme und stelle das Männlein einfach in die Ecke.
Zwei Onkels kommen gelaufen, sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Ich frage sie, was der kleine Mann von mir will und sie beraten sich mit ihm. Gar nichts will der kleine Mann, er ist wieder vergnügt und zuckersüß, er hat das von ihm Erwartete abgeliefert, auf die allgemeine Situation hingewiesen, seinen politischen Teil erledigt und macht sich nun beherzt über Schnittchen und Getränke her. „Schön habt’ers hier“, ruft er mir kauend zu.

Dann wird es unruhig und einer der Onkel raunt mir zu: „Mascha kommt!“

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#geld! #gerolltes

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