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Die städtischen Bestatter

Im Bestatterweblog ist des öfteren die Rede von den kommunalen Bestattungsunternehmen mancher Städte. Wenngleich das von Stadt zu Stadt unterschiedlich ist, muß man sich das im Prinzip so vorstellen, daß es zumeist in bevorzugter Lage direkt an einem der großen Friedhöfe ein Gebeäude gibt, in dem einerseits die Friedhofsverwaltung und andererseits ein privatwirtschaftliches Bestattungsunternehmen der Stadt eingerichtet sind.
Im einen Bereich nehmen die Mitarbeiter hoheitliche Aufgaben wahr, bearbeiten Anträge, entscheiden im Sinne des Gesetzes und erheben amtliche Gebühren und auf der anderen Seite, es sind teilweise sogar die selben Mitarbeiter, verkaufen sie auf Teufel komm raus, Särge, Wäsche, Urnen und Bestatterdienstleistungen.

Diese Bestattungsunternehmen sind Gewerbebetriebe, die sich traditionell noch mit dem Stadtwappen auf den Bestattungswagen schmücken, deren Mitarbeiter oft städtische Uniformen tragen und die nach außen hin oft den Eindruck vermitteln, als erhalte man dort eine ganz besondere Form der Bestattung, möglicherweise eine besonders günstige oder es sei besonders richtig, dort eine Bestattung zu beauftragen.

Insbesondere bei älteren Menschen steht zu befürchten, daß sie gar nicht verstehen, daß sie nach der Anmeldung eines Sterbefalles und dem Bestellen des Grabes im hoheitlichen Bereich nun in den Gewerbebereich geführt werden, wo eben keine amtlichen Satzungen und Gebührenordnungen mehr gelten, sondern die Regeln der freien Marktwirtschaft.
Auch wird den Menschen oft die Wahlmöglichkeit, beim Aussuchen des Bestatters gar nicht erst aufgezeigt.

Wäre nun der kommunale Bestatter, weil sozial eingestellt, ein besonders günstiger Bestatter und bekäme man dort alles besonders preiswert, so würde ich/man vielleicht gar nichts sagen. Mein Eindruck ist aber ein anderer.

Ich habe eher den Eindruck, als ob die Leute dort wesentlich mehr bezahlen, als bei einem herkömmlichen Bestatter. Ob das nun an der geschickten Verkaufstätigkeit der Mitarbeiter dort liegt, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls ist es so, daß viele Menschen glauben, sie müsste quasi gleich dort auch den Sarg aussuchen und den Rest bestellen, wenn sie schon mal da sind, um das Grab zu bestellen.

Was die niedergelassenen freien Bestatter in diesen Städte ärgert, ist die Tatsache, daß dieser Gewerbebetrieb in städtischer Hand nicht nur in direkter Konkurrenz zu ihnen steht, sondern auch noch erhebliche logistische und sonstige Vorteile von städtischer Seite in Anspruch nehmen kann.
Bevorzugung bei der Vergabe von Beerdigungsterminen, ständig zur Verfügung stehendes -aus Steuermitteln bezahltes- Friedhofspersonal, freie Nutzung städtischer Einrichtungen und Bevorzugung bei allen Genehmigungs- und Behördensachen.
Außerdem betreiben diese Kommunen oft eine Vielzahl von Alters- und Pflegeheimen, sowie Krankenhäusern und selbst wenn es von dieses vehement bestritten wird, hören wir Bestatter immer wieder -wenn wir uns dort über ausbleibende Aufträge wundern- die Aussage, man gebe alle Aufträge immer der ‚Stadt‘.

So kann es nicht sein und so darf es eigentlich auch nicht sein. Die Bestatter wollen aber gar nicht, daß diese kommunalen Bestattungsbetriebe wegkommen. Würden sie sich wirklich im Wettbewerb den freien Bestattern stellen, ohne die durch Querverbindungen gewährten Vorteile und die möglicherweise vorliegende Bürgertäuschung, könnten sie unter Umständen sowieso nicht bestehen.
Deshalb fordern Bestatter immer wieder, daß die Bereiche der hoheitlichen Friedhofsverwaltung und der marktwirtschaftlichen Bestatterdienstleistung strikt voneinander getrennt werden. Durch bauliche Maßnahmen soll sichergestellt werden, fordern sie, daß der Bürger merkt, wann er vom Antrags- und Genehmigungsverfahren mit behördlichen Gebühren in den Bereich wechselt wo er nicht mehr nehmen und bezahlen muß was man ihm vorsetzt.

Um es an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Man stelle sich vor, man geht aufs Standesamt um einen Hochzeitstermin zu bestellen und nach/während dem amtlichen Eheerhebungsverfahren führt einen eine Kollegin der Standesbeamtin in einen Nebenraum und verkauft einem munter alles vom Brautkleid bis hin zum Alleinunterhalter und der Saaldekoration. Wie schnell verlieren die Menschen da den Überblick und wissen nicht mehr, ob sie den vom Stadtarchiv bereitgestellten Fotografen nun nehmen müssen oder ob sie eine Wahl haben. Darf man den Orgelspieler, der im städtischen Trausaal den Hochzeitsmarsch spielt und der von der städtischen Musikschule kommt, nun abbestellen oder muß man den nehmen? Ja, wissen sie, daß ihnen normalerweise nur das Trauzimmer im Rathaus kostenlos zur Verfügung steht und das angebotene, viel schönere Turmzimmer im Wasserschlösschen eigentlich schon eine gewerbliche Vermietung ist?

Nein, mag mancher sagen, das weiß man doch, so dumm wird keiner sein. Doch, so dumm ist man, sage ich. Denn mit Hochzeiten beschäftigt man sich auch schon mal und kennt sich aus, aber bei Bestattungen? Na, wer befasst sich da gerne mit und weiß schon so genau Bescheid?

Nix da, sagen die Bestatter, wenn es schon einen Privatbetrieb im städtischen Mantel gibt, dann soll klipp und klar das behördliche vom verkäuferischen getrennt sein und der Bürger muß informiert werden, daß an dieser Stelle das Amtliche erledigt ist und er nun in der Wahl des Bestatters völlig frei ist.

Man glaubt nicht, wieviele Kunden ich schon erlebt habe, die schon drei oder vier Bestattungen bei einem kommunalen Dienst abgewickelt haben und gar nicht wußten, daß sie auch zu jedem anderen Bestatter hätten gehen können. „Die Schwester im Krankenhaus hat uns gesagt, wir sollen mal eben rüber zum Friedhof gehen, um alles zu erledigen. Das haben wir dann auch gemacht und der Totenschein ist auch automatisch zu denen rübergegeben worden.“

Eine andere Kundin sagte mir: „Ich hab ja gedacht, die seien besonders billig. So wie Stadtbücherei und Hallenbad, das wird ja auch mitfinanziert. Aber dann als die Rechnung kam, da habe ich erstmal geschluckt, die Beerdigung von meinem Schwager bei einem anderen Institut war viel billiger.“

In Neckarsulm steht Bestatterkollege Stephan Appel, Inhaber des Bestattungsunternehmens Schäfer-Appel, vor einem ähnlichen Problem. Auf dem Friedhof Neckarsulm nehmen Rathausmitarbeiter nämlich kommunale Aufgaben wahr und bieten gleichzeitig eine private Dienstleistung an.
Deswegen ist Appek nun vor Gericht gezogen und hat sich gegen diese Praxis gewehrt, leider ohne Erfolg.
Das angerufene Landgericht Heilbronn hat die Verquickung von amtlichen und gewerblichen Tätigkeiten für rechtens erklärt.
So darf die Stadt Neckarsulm auf ihrem kommunalen Friedhof im selben Gebäude und sogar mit dem selben Personal einen privatgewerblichen Betrieb führen.

Stephan Appel schlägt vermutlich die Hände über dem Kopf zusammen denn er ist fassungslos. Mit diesem Urteil hat er nicht gerechnet und will nach Eingang der schriftlichen Urteilsbegründung prüfen, ob er nicht in Berufung geht. „Unfassbar“, sagte er nach dem Urteil. „Ich kann es nicht nachvollziehen.“ Städtische Mitarbeiter erledigen in dem Gebäude auf dem Friedhof an der Steinachstraße hoheitlichen Aufgaben: Sie nehmen Abmeldungen von Toten durch die Hinterbliebenen entgegen und verkaufen Gräber und Nutzungsrechte. Dass dieselben Mitarbeiter dann quasi im gleichen Atemzug Särge und Totenwäsche zum Verkauf anbieten, stößt Appel sauer auf. Er sieht sich im Wettbewerb benachteiligt und pocht auf eine klare Trennung von kommunaler Aufgabe und privatwirtschaftlichem Betrieb.

Allerdings einen kleinen Teilerfolg konnte Bestatter Appel für sich verbuchen: Die Stadt Neckarsulm darf die Telefonnummer des privaten Betriebs nicht mehr im Telefonbuch unter „Städtische Ämter und Behörden“ aufführen.

Leider urteilen die Gerichte in Deutschland sehr unterschiedlich. In anderen Fällen hat es schon die strikte Trennung der Bereiche gegeben und in mancher Kommune hat man lieber aus eigener Initiative diese Trennung herbeigeführt, um einen klärenden Rechtsstreit von vornherein zu vermeiden.

Ich finde, daß jegliche behördliche, hoheitliche Tätigkeit strikt von privatwirtschaftlichen Angeboten getrennt sein muß, sonst laufen irgendwann alle Beamten mit einem Bauchladen herum und wer will im Einzelfall denn kontrollieren, ob die Genehmigung eines Antrages, beispielsweise die Vergabe eines gewünschten Grabes, das Aufstellen eines besonderen Grabsteines oder der Wunsch nach einem bestimmten Beerdigungstermin nicht indirekt oder direkt davon abhängig gemacht wird, ob man vorher auch brav beim angegliederten Verkaufsbetrieb ordentlich was bestellt hat?

Weiterer Bericht dazu.

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Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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9 Kommentare
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ein anderer Stefan
15 Jahre zuvor

Tom, Du hast vollkommen recht. Es ist ein Unding, wenn Angestellte der Kommune im gleichem Atemzug privatwirtschaftliche Betriebe führen, ganz egal in welchem Bereich. Da kommt es unweigerlich zu Querverbindungen, die einen unlauteren Vorteil darstellen. Ich meine, in anderen Bereichen wie Grünflächenpflege oder Handwerksleistungen urteilen die Gerichte hier auch schärfer. Es geht ja schließlich auch nicht an, dass der Schwager vom Bürgermeister alle städtischen Dachdeckeraufträge kriegt, wenn er zufällig Dachdecker ist, und so viel anders ist das bei solchen Kommunalbetrieben auch nicht zu sehen. Von Handwerkern kommt auch immer wieder der Vorwurf, dass die städt. Betriebe aufgrund der Querverbindungen günstigere Preise anbieten können. Ähnliches ist auch im Zusammenhang mir Behindertenwerkstätten immer wieder mal zu hören.

nogger
15 Jahre zuvor

Auch wenn ich selbst Beamter bin: hat schon mal einer die EU auf das Problem aufmerksam gemacht?
Die ist sehr da hinter her. (Ob die allerdings sich auch um die „kleinen“ Leute kümmern….?)

alf
15 Jahre zuvor

Langjährige Gerichtsverfahren führten in meiner Stadt zu folgendem Ergebnis: Wer dem städt. Bestattungsbetrieb einen Auftrag erteilt, muss eine Erklärung unterschreiben, dass er darüber aufgeklärt wurde, dass er auch einen anderen nicht-kommunalen Bestatter beauftragen könnte.
Ich finde, eine gute Lösung.

Marko
15 Jahre zuvor

Das Problem kennen auch viele KFZ Werkstätten, in Städten in denen die Kommunen für ihren Fuhrpark eigene KFZ Werkstätten unterhalten, bieten diese auch oft Reparaturen, Wartungen etc. an – und das oft bis zu 30-50% günstiger als normale Werkstätten. Hier ist zwar wirklich so dass es eine EInsparung für den Verbraucher bringt, aber die Kommunen gehen hier in direkte Konkurrenz zur Privatwirtschaft da sie in diesem Fall ganz anders kalkulieren können.

jemand
15 Jahre zuvor

[quote]sonst laufen irgendwann alle Beamten mit einem Bauchladen herum[/quote]
Lol? Tom, dass sich ein Beamter bewegt, wird ja wohl nie vorkommen… 😉

MacKaber
15 Jahre zuvor

Was hilft ist, dass es überall bekannt wird und die Leute davon reden.
Könnte man das städtische Institut nicht auch weiterempfehlen, für alle die Fälle, die kein Geld haben, und auch keines aufzutreiben ist?

Stefan B.
15 Jahre zuvor

Eines solltest Du noch einmal ueberdenken: Wenn die kommunalen Bestatter tatsaechlich teurer sind als die Freien, dann sollte Dir alles im Bezug auf „kriegen Sachen guenstiger“ egal sein. Sie geben ihren Vorteil nicht an den Kunden weiter, und geben diese zusaetzlichen Gewinne vermutlich auch nicht fuer Werbung etc. aus. Somit beieinflusst dieser Vorteil nicht den Markt, sondern nur die Stadtkasse… Ich denke Du wuerdest noch mehr auf die Barrikaden steigen, wenn diese Bestatter tatsaechlich ihre Leistungen guenstiger anbieten wuerden als Ihr. Denn in dem Fall schwaemmen fuer die freien Bestatter tatsaechlich alle Felle den Bach runter, und das wuerde jegliche Ungerechtigkeit noch vergroessern.

15 Jahre zuvor

In der Tat leistet man sich einen Werbetat, der einem freien Bestatter die Tränen in die Augen treiben würde. Die Preise im Einzelnen sind oft sogar erheblich günstiger als beim Bestatter, aber in der Summe wird es dann teurer, manchmal bedeutend teurer.

Rudibee
14 Jahre zuvor

Wenn er den Nerv hat, das bis zum EGH durchzuziehen, hat er eine Chance. Dort wird sowas regelmäßig gekippt.




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