Geschichten

Herbert, Beate und die Bärbel

Manni, unser Mann für die Werkstatt, das Fahren und für sonst alles, fühlte sich in unserem Betrieb sehr wohl. Im Laufe der Zeit hatte er es zum Fahrdienstleiter gebracht und somit die Rolle eines weisungsbefugten Vorarbeiters bekommen. Auf ihn konnte ich mich verlassen, der Mann ließ mich nicht hängen.
So war es nur eine logische Konsequenz, dass ich Manni irgendwann einmal auch freie Hand bei der Einstellung und Entlassung von Fahrern gab. Natürlich blieben die Zügel der Macht immer in meinen Händen. Aber wenn Manni sagte, dass ein Mann nichts taugte, dann taugte der auch nicht. Und wenn Manni sagte, dass er einen neuen Mann gefunden habe, dann stellte ich ihn auch ein.

Als Chef bekommt man doch sowieso nicht alles mit, was in der Werkstatt und draußen vor Ort passiert. Und bevor ich mir jeden Tag das Gejammer und Beschuldigungen und Gerüchte anhöre, da geben ich doch lieber einem anderen etwas Verantwortung ab und habe weitestgehend meine Ruhe.

Vor elf Jahren schrieb ich auf die Anfrage eines Lesers hin schon eine Menge über Transsexuelle und Menschen und deren sexuelle Orientierung.

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Das kann man hier nachlesen.

Kurz gesagt: Mir ist das vollkommen egal. Aber sowas von.


Meine beste Freundin Franziska aus alten Tagen habe ich noch als Franz kennengelernt. Und mit Herbert hatte ich viele Jahre zuvor auch schon auf Mannis Anraten einmal einen Mann eingestellt, der uns eines Tages eröffnete, dass er ab jetzt Beate genannt werden wollte. In dieser Zeit, also in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, war das noch ein bemerkenswerter, sehr ungewohnter und sicherlich auch viel beachteter Schritt, der viel Mut erforderte. Probleme hat das alles damals nicht mit sich gebracht.

Das war ganz anders, als Andreas bei uns anfing.

Andreas war ein großer und untersetzter Mann. Er sprach ein breites Bayerisch und war ein Kerl, der zupacken konnte. Keine Aufgabe war ihm zu schwer, keine Hürde zu hoch. Alles was man mit männlicher Kraft bewegen und bewältigen konnte, das schaffte er.
Dass in ihm eine andere Identität schlummerte, die herauskommen wollte, das ahnten wir nicht.
Mit anderen Worten, Andreas fühlte, dass er eine Frau sei, die in einem männlichen Körper auf die Welt gekommen war.

Wie gesagt: Mir isses egal.

Aber die betrieblichen Abläufe standen urplötzlich Kopf, als Andreas ohne Vorwarnung eines Montagmorgens in einem bayerischen Dirndl zu Arbeit kam. Eine großvolumige Perücke aus scheußlichem Kunsthaar zierte seinen Kopf und seine dicken Füße hatte Andreas in etwas zu enge, hochhackige Schuhe gepresst. Das Dekolleté war überaus ausladend. Lippenstift, Schminke und aufgeklebte lange rote Fingernägel komplettierten den Aufzug.

Ganz ehrlich: Auf die Idee, vor einem verzweifelten Menschen auf der Suche nach seiner Identität zu stehen, kam ich gar nicht. Auf mich wirkte das wie eine persiflierend übertriebene Karnevalsverkleidung. Dazu trug sicher auch bei, dass Kleid und Perücke von so minderwertiger Qualität waren, dass sie nur aus dem Karnevals-Shop stammen konnten.

Bärbel, das sei jetzt sein neuer Name, sagte er mit tiefer, bayerisch klingender Stimme in die Runde.

Was meinst Du?
Wie ist es weitergegangen?

Nein, Du sollst die Geschichte nicht zu Ende erzählen, aber haben wir die Sache gemeinsam hinbekommen oder war Andreas-Bärbel eine zu schwierige Aufgabe?

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