Lehrer! Ich habe ja schon oft über sie geschrieben, sie sind mir mein ganzes berufliches Leben über immer wieder aufgefallen, sehr oft sogar unangenehm. Niemals könnte ich daraus eine Verallgemeinerung ziehen, etwa nach dem Muster: alle Lehrer sind schwierig oder alle Lehrer zahlen schlecht…
Das wäre ja absoluter Quatsch. Dutzende von Lehrern, Rechtsanwälten und Angehörige sonstiger, hier schon mal genannter, Berufsgruppen waren äußerst angenehme und unauffällige Kunden.
Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß wenn es mal zu Problemen mit Kunden kommt und ich hinterher sagen muß, daß dieser Kunde sehr schwierig war, der Prozentsatz bestimmter Berufsgruppen eben besonders hoch ist.
Mich interessiert immer, was einer von Beruf ist,. Es sagt nichts über ihn als Menschen aus, aber es gibt mir als Kaufmann Anhaltspunkte, wie die Erwartungen und Vorstellungen sein könnten. Schon für das Standesamt müssen wir jeden Kunden nach seinem Beruf fragen und wenn dann einer sagt, er sei Lehrer oder Lehrerin, dann gehe ich vielleicht schon innerlich ein wenig auf Abwehrhaltung und vielleicht überträgt sich das unbewußt auf den Kunden.
Möglicherweise initiiert man ein gewisses Verhaltensmuster durch seine eigene Erwartungshaltung, wer weiß?
Herr Winkler ist Lehrer.
Und zwar ein eben pensionierter und seine Frau ist keine Lehrerin, sondern einfach nur Hausfrau, Mutter und Oma.
Ganz gleich, was da noch an eventuellen Problemen und Schwierigkeiten auf mich zukommen würde, war mir Herr Winkler, und das gebe ich unumwunden zu, von vornherein unsympathisch.
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit kanzelte er seine Frau ab, ließ sie spüren, daß er bitteschön der Denker und Lenker ist und ließ ebenso keine Gelegenheit aus, zu erwähnen, daß er Philologe und Akademiker ist.
Gekommen waren die beiden, um eine Bestattungsvorsorge für sich abzuschließen.
„Der Junge soll mal keinen Ärger haben und alles wohlbestellt finden, wenn wir eines Tages gehen müssen“, sagt Herr Winkler und als seine Frau etwas dazu sagen will, hebt er nur kurz die Hand, schaut sie streng an und in jahrelang geübtem vorauseilendem Gehorsam schweigt Frau Winkler, lächelt gequält und nickt zu allem was ihr akademischer Göttergatte zu sagen hat.
„Ich will weder von Würmern gefressen werden, noch möchte ich einfach so ins Feuer geschoben werden, jetzt sagen Sie mir mal, was es da für Alternativen gibt!“ fordert mich Herr Winkler auf, lehnt sich in seinem Sessel zurück und schiebt arrogant seine Zunge in seine Wangentasche, wo sie kreisende Bewegungen macht. Dabei macht er einen spitzen Mund und atmet hörbar durch die Nase.
Ich kann ja auch arrogant sein, kann solche Leute auflaufen lassen, kann ihn mit drei, vier Sätzen sowas von abputzen… aber ich mache das nicht; er nährt mich, der Kunde ist König und mir tut seine Frau leid.
„Na?“ reißt mich Herr Winkler aus meinen Gedanken und ich hole etwas aus, nicht mit der Faust, sondern mit Worten. Ich erkläre ihm, daß man in der Erde nicht von Würmern gefressen wird und daß man beim Verbrennen ja meistens schon ziemlich tot ist und daß man von beidem sowieso nichts mehr mitbekommt.
Vor allem aber eröffne ich ihm, daß es außer „spurlos verschwinden“ keine Bestattungsform gibt, bei der man nicht entweder in der Erde oder im Feuer landet.
„Ja und was ist mit dem Begräbnis nach Seemannsbrauch?“
Diese Frage allein hätte schon genügt, doch der Schnösel fügt noch hinzu:
„Oder kennen Sie sich da auch nicht aus?“
„Erwin!“ wagt Frau Winkler einen kleinen vorwurfsvollen Einwand und er reagiert mit einem noch vorwurfsvolleren und tadelnden: „Edith?“ Sie schweigt und knetet die Trageschlaufe ihrer Handtasche.
„Also?“ fragt er mich und ich erkläre ihm, nur mit dem Anflug eines Lächelns allein im rechten Mundwinkel, daß man bei einer Seebestattung keineswegs von einem Begräbnis sprechen könne, denn es gebe ja kein Grab im Sinne einer Grube, also seien alleine die Begriffe Bestattung und Beisetzung richtig und außerdem könne man sich nur in Form von Asche auf hoher See beisetzen lassen.
Na aber das habe er ja im Fernsehen völlig anders gesehen und er wolle mal in der Mediathek vom Westdeutschen Fernsehen nachschauen: „Ich lasse Ihnen dann mal ein Video zukommen, damit Sie das auch mal sehen. ich bin mir sicher, daß man sich auch eingenäht in ein Leinentuch über Bord werfen lassen kann.“
„Man kann sich auch lebendig auf einem Scheiterhaufen verbrennen lassen, man kann seinen Kopf nach dem Tod auch von eingeborenen Urwaldindianern einschrumpfen lassen und man kann sich zerhacken und den Geiern zum Fraß vorwerfen lassen“, sage ich ganz ausgesucht höflich und freundlich, jedoch ohne das leichte Grinsen aus dem rechten Mundwinkel zu nehmen und fahre fort: „Nur: Bei uns hier, also hier in Deutschland, da geht das alles nicht; entweder als Körper ins Grab oder verbrennen und dann die Asche ins Grab, ins Meer oder in den Wald.“
„Wald?“ fragt Frau Winkler interessiert und will noch etwas sagen, doch ihr Mann will schon aufgeben. Ich bin etwas enttäuscht als er seinen Knirps vom Tisch nimmt, aufstehen will und sagt: „Edith, ich glaube, es ist besser wenn wir woanders hingehen, der kennt ja gar nicht alles.“
Och, das ist aber schade, normalerweise kann man sich mit Lehrern viel schöner herumzoffen und am Ende gewinne ja doch immer ich; und der will schon aufgeben?
Als ob er meine Gedanken erraten hätte, setzt sich Herr Winkler wieder hin, legt aber seinen zusammengeknirpsten Miniregenschirm nicht aus den Händen, ob er mich damit hauen will?
Ich stehe einmal kurz auf, zeige ihm, wie groß und stark ich aussehe, hole einen Prospekt über Seebstattungen vom Sideboard und setze mich wieder. Er haut mich nicht.
Stattdessen sagt er: „Naja, ich weiß ja nicht, das ist alles nichts für uns.“
„Ach, das mit dem Wald, das würde…“, nimmt Frau Winkler erneut einen Anlauf, doch er lässt die kleine Handschlaufe seines Regenknirpses auf die Tischplatte peitschen, würdigt seine Frau keines Blickes und sagt zu mir: „Lassen Sie sich nicht irritieren, meine Frau weiß immer nicht was sie will.“
Frau WInkler beißt die Zähne zusammen, presst die Lippen aufeinander und schweigt. Wenn Blicke töten könnten.
Gut, Herr Winkler hat dann den Prospekt an sich genommen, sich etwas herablassend und mit ironischem Unterton für die „gute Beratung“ bedankt und ist gegangen. Seine Frau folgte ihm wie ein kleiner Dackel, drehte sich an der Tür noch einmal zu mir um, hob in einer gleichermaßen bedauernden wie verschüchterten Geste die Schultern und lächelte etwas gequält. Ich schenkte ich ein warmes Lächeln und kniff kurz beide Augen zu, sie tat mir leid.
Es sind inzwischen drei Wochen vergangen. Früh morgens um kurz vor sechs klingelt das Telefon, es ist Frau Winkler. Ich erinnere mich gar nicht mehr an sie, zumindest nicht an ihren Namen. „Mein Mann ist tot, können Sie den bitte abholen?“
Eine Verwandte öffnet die Tür und läßt Manni und mich ein und erst als ich mit Manni neben dem Ehebett der Winklers stehe und Frau Winkler aus dem Wohnzimmer dazu kommt, da sehe ich daß es das Ehepaar von neulich ist.
„Das ist jetzt aber plötzlich gekommen“, sage ich, sie nickt und sagt: „Das Herz, der hat ja nicht auf seinen Arzt gehört.“
Frau Winkler drückt mir die Sterbepapiere vom Arzt in die Hände und sagt: „Na, dann nehmen Sie ihn mal mit.“
Was sagt man in einer solchen Situation? Die Verwandte, die mit im Schlafzimmer steht, weiß eine Antwort: „Na wenigstens hat er nicht lange leiden müssen.“
Und was sagt Frau Winkler? Sie sagt: „Ich bin trotzdem froh, daß es vorbei ist.“
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Na, den Ausspruch kann man aber mal nachvollziehen…
Salat
Na? Mal wieder zu früh auf Veröffentlichen gekllickt? Sieht aus als fehlt da was.
Gruß
Joe
Danke, Joe.
Nee, da habe ich nicht zu früh geklickt, das ist offensichtlich ein Fehler in der Blogsoftware Serendipity, das hatte ich neulich schon einmal. Dann erscheinen die Artikel nur zur Hälfte und ohne jegliche Absatzformatierung.
Erst wenn ich dann nochmals aus „Veröffentlichen“ klicke, wird der Artikel ganz und formatiert veröffentlicht.
Vielleicht lässt sie ihn ja jetzt erst recht von den Würmern zerfressen um ihn dann mitsamt der Würmer zu verbrennen.
Verstehen könnt ich die Dame.
Gruß
Joe
ich hoffe da gibt es eine fortsetzung, würde mich interessieren wofür sich die frau entschieden hat 🙂
Dr. Eckhardt Hirschhausen sprach ein wahres Wort: „Lebt der Mann ab, lebt die Frau auf.“
Aaalsoooo – für die Winklers dieser Welt hätte ich da noch eine ganz andere Variante: Wie wäre es mit Plastinieren??? Vielleicht wäre die Spezies Lehrer ein ausgezeichnetes Exponat für die „Körperwelten“…
*duch-und-wech*
@ Silke, umgekehrt passt’s manchmal auch 😉
Tom, dein Kommentar ist ja gar nicht mehr grau hinterlegt? Ist das Absicht?
Wie hat Frau Winkler ihren Gatten denn bestatten lassen?
Der Typ wär doch ein Fall, um von von Hagens ausgestopft zu werden oder wie das heißt? oder eine Luftbestattung, wobei ich befürchte, dass er nicht mal den Geiern schmeckt?
„…die Asche ins Grab, ins Meer oder in den Wald.“ (Zitat)
Kürzlich war ein Artikel in der Zeitung, daß das Ausstreuen der Asche per Flugzeug verboten ist!
Meer und Wald ist erlaubt? Oder braucht man da eine Genehmigung?
MfG
@11: aus dem Flugzeug Asche werfen geht sowas von gar nicht. Da muss ja jedesmal der ganze Luftraum gesperrt werden.
Und wenn sich ein Flugzeug in Wald oder Meer verirren sollte hats auch ohne Asche schon ein Problem.
Ein klarer Fall von „mit großer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von…“ 😉
Seine Frau hatte wirklich ganz gut zu leiden, Scheidung ist da wohl auch keine Option. Sie hat dann ja erstmal nix.
Schlimm nur, wenn solche Menschen Lehrer sind: Die armen Kinder.
@10 Soviel heiße Luft wie in solchen Typen enthalten ist, hebt der bei der Luftbestattung noch ab.
Wie schön… und ist er jetzt bei der Würmern gelandet?
Habe mich selten beim lesen so über einen Sterbefall gefreut.
… die arme Frau… in diesem Fall kann man wirklich sagen: Gut ist das Elend vorbei…
…die arme frau haette ihn doch nicht heiraten muessen.
wie traurig….ich will nicht wissen wieviele ehepaare so leben. manchen kann man nur eine trennung wünschen. alles andere wäre gemein 🙁
Ich ärgere mich sehr über solche Kerle, aber fast mehr noch über Frauen, die sich ihnen unterordnen. Wir leben schließlich seit Jahrzehnten in einem Land, in dem Frauen Rechte und eigenständige Lebensbewältigungsmöglichkeiten geboten werden.
Dir Tom: „Chapeau“! Es zeichnet den erfahrenen Profi aus, dass er sich nicht mit schwierigen Kunden unnötig in verbale Kloppereien verwickelt, sondern seine Überlegenheit eindrücklich, aber eher beiläufig und nicht unnötig konfrontativ geltend macht.
Ach, Lehrer gelten als Akademiker? Das muss aber vor meiner Zeit gewesen sein. 😛
Wie heißt es unter Ärzten so schön:“Lehrer ist kein Beruf, Lehrer ist eine Diagnose.“
@21 und 22: Und leider sind schlechte Scherze in diesem Land nicht verboren.
Was ich mich schon frage, ist: wäre der Mann Museumswärter, Versicherungskaufmann oder von mir aus Busfahrer gewesen, ob dann sein Beruf auch so explizit erwähnt worden wäre? Bzw. ob man seine unangenehme Art dann ebenfalls auf diese Art mit seinem Beruf gekoppelt hätte?
Natürlich gibt es unangenehme Lehrer, wie es unangenehme Menschen jeder anderen Berufsgruppe gibt. Der Unterschied ist nur, dass bei Lehrern das (wie auch immer geartete) Unangenehme sofort und bereitwillig mit der Berufszugehörigkeit gekoppelt wird.
Da nützt es auch nichts, wenn man der Geschichte ein „sinngemäßes“ „Ich habe ja nichts gegen Lehrer“ voran stellt, denn jeder solche Satz mündet zwangsläufig in einem „aaaaber“, und dann kommt doch der Pferdefuß.
@Tom: Dir sollte klar sein, dass Du mit einem solchen Artikel dem Publikum eine Steilvorlage lieferst, das gerne, ausdauernd und unqualifiziert auf den Lehrern herum hackt. Finde ich schade.
@Texthexe (23):
Gibt es irgendeinen konkreten Punkt, den Du an dem folgenden Text nicht verstanden hast?
„Niemals könnte ich daraus eine Verallgemeinerung ziehen, etwa nach dem Muster: alle Lehrer sind schwierig oder alle Lehrer zahlen schlecht…
Das wäre ja absoluter Quatsch. Dutzende von Lehrern, Rechtsanwälten und Angehörige sonstiger, hier schon mal genannter, Berufsgruppen waren äußerst angenehme und unauffällige Kunden.
Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß wenn es mal zu Problemen mit Kunden kommt und ich hinterher sagen muß, daß dieser Kunde sehr schwierig war, der Prozentsatz bestimmter Berufsgruppen eben besonders hoch ist.“
@23: Wie so nahezu überall, fallen immer nur die negativen auf. Das ist genauso bei Ausländern – ich habe grundsätzlich nichts gegen sie, habe lange in einem Haus gewohnt wo der Anteil an Türken 3/4 der Hausbewohner ausmachte. Liebe, nette Nachbarn, freundlicher und hilfsbereiter als mein deutscher Nachbar. Und trotzdem hört man auch viel negatives über Ausländer, zB. in den „sozialen Brennpunkten“ in Berlin.
Solange nichts „schlimmes“ passiert, bemerkt man es kaum (Auto fährt gut? Wird zur Kenntnis genommen, muss es ja auch). Aber wenn etwas passiert (Auto springt nicht an? „Mistkarre, die von bauen auch nur noch Schrott!“), fällt es auf und man merkt es sich.
Und – um den Bogen wieder zu Tom zu schlagen – es gibt eben Häufungen, die sicher oft subjektiv sind, aber einem eben im Gedächtnis bleiben.
Stimmt, das mit den Lehrern.
Kann ich echt bestätigen. Nur die wenigsten passen nicht in dieses Klischee.
Die Frau ist zu bewundern, dass sie es so lange mit diesem eigenartigen, herrischen Kerl ausgehalten hat. Und nun echt froh, dass sie es überstanden hat.
Ich wünsche Frau Winkler noch (falls nicht in allzu ferner Vergangenheit spielend) ein schönes restliches Leben ohne diesen Klugscheißer.
War er Lehrer? Ja Briefkastenleerer.
„Das ist jetzt aber plötzlich gekommen“, sage ich, sie nickt und sagt: „Das Herz, der hat ja nicht auf seinen Arzt gehört.“
Wieso wundert mich das nicht?