Geschichten

Arsch voll Geld

Arsch voll Geld

Die Rotzlers waren zu Siebt in mein Bestattungshaus gekommen, mir ist das ja egal, aber eine richtig intensive Beratung kann man in einem kleineren Kreis besser durchführen. Wenn es so viele Leute sind, dann wird oft viel durcheinander geredet und durch die unterschiedlichen Meinungen zu diesem und jenem bleibt dann das Beratungsgespräch manchmal bei ganz unwichtigen Punkten ellenlang hängen.

Aber egal, mir ist alles recht. Die Rotzlers bestanden im Wesentlichen aus Kurt Rotzler, seiner Frau und seinem erwachsenen Sohn, seiner Schwester Sabine, deren leicht grenzdebilen Mann Michael, der die ganze Zeit einen seiner Finger in irgendeiner kopforientierten Körperöffnung stecken hatte und Sabines Schwiegermutter mit Lebensgefährten.
Diese Schwiegermutter war extra hinzugezogen worden, weil vor sechs Jahren ihr Mann gestorben ist und sie damit über die notwendige Qualifikation verfügte, bei der jetzt anstehenden Bestattung der alten Rotzler-Mutter beratend beizustehen.
Ihr Lebensgefährte hingegen bezog seine Erscheinensberechtigung und sein Mitspracherecht aus der Tatsache, dass er einen ‚Pezeh‘ hat, sich im ‚Intahnett‘ auskennt und auf diversen Seiten ‚herumgeguhgelt‘ hat, um sicherzustellen, dass man bei mir nicht unter die Räuber gerät.

„Ich guhgel ja nur noch mit Alexa! Bei Guhgel wird man ausspioniert, jawoll!“

Werbung

Eine einfache Bestattung soll es werden. Die Rotzlers haben nicht so viel und so kommen wir schnell dahin, dass man sich für eine Feuerbestattung mit Urnentrauerfeier entscheidet. Das bedeutet: billigster Sarg, gleich ins Krematorium, eine etwas teurere Urne und mit der dann später eine Trauerfeier mit anschließender Beisetzung im kleinen Urnengrab.

Sowas können wir, bei knappem Rechnen und Verzicht auf großes Drumherum und etwas Bescheidenheit bei Blumen und Anzeigen schon für unter tausend Euro realisieren.

„Nee, nee, nee“, meckert Kurt Rotzler und deutet auf einen doch recht teuren Buchensarg: „Der muss es schon sein, wir wollen unsere Mutter ja nicht in einer Apfelsinen-Kiste verscharren.“

Mir ist ja ein teurer Sarg auch lieber, aber in diesem Fall weise ich auf den Umstand hin, dass den Sarg ja niemand sieht und er sowieso gleich verbrannt wird.

„Is‘ egal“, wehrt sich Kurt Rotzler, unterstützt von seiner Frau, und bestimmt: „Und wenn ich den Unterschied selber bezahlen muss!“

Die anderen wehren ab. Nein, keinesfalls müsse er das bezahlen, man will ja auch nicht, dass die Mutter in einer Bretterkiste verbrannt wird.

Der unnütze Harald meint: „So’n Sarg kriegen wir aber im Intahnett billiger!“

„Wo denn?“, frage ich und er schüttelt den Kopf: „Da muß ich erster mal Herrn Google bei Alexa fragen.“

„Nein, nein“, schaltet sich nun die bestattungserfahrene Schwiegermutter ein und berät die anderen: „Den Sarch müsster hier kaufen, sonst ist der Mann noch sauer.“

Der Mann! Wenn mich jemand in meinem Beisein schon ‚der Mann‘ nennt!
Doch es kommt noch schlimmer: Man schwenkt von Mann um auf die dritte Person Singular und ich mutiere, besser noch verkümmere, zu einem ‚er‘.

„Er wird das schon nicht krumm nehmen“, meint Sabine und ihr Mann zieht seinen Zeigefinger aus dem rechten Ohr, betrachtet ihn ausgiebig, leckt dann gelangweilt daran und bestätigt dann: „Nee, wird er nicht.“

So geht es eine Weile hin und her, jeder gibt seinen Senf dazu und schließlich will Familie Rotzler auf jeden Fall diesen Sarg von ‚ihm‘. Ihm, also er, also ich schaue die Leute fragend an und nachdem alle nicken, schreibe ich den Buchensarg auf.

Bei der Urne wählt man den hässlichsten Bembel, den wir da haben, Hauptsache dick und üppig. Der Morphinist, der den gestaltet hat, muss im Delirium und erblindet gewesen sein und ich habe den grottenhäßlichen Topf nur genommen, weil mir der Pietätwarenhändler drei zum Preis von einem gegeben hat. Der wusste warum!

Naja, einen dieser schwarzgrauen Rumtöpfe habe ich schon verkauft, jetzt noch der für die Rotzlers und dann habe ich nur noch einen am Lager. Wir nennen das Ding intern ‚Modell Quasimodo‘, für die Kunden heißt es vornehm „Model Notre Dame“.

„Einmal also den Nostradamus!“ bestimmt Wortführer Kurt und Harald meint: „Gibbet im Netz bestimmt auch billiger“, aber auf ihn hört irgendwie keiner mehr.

Bei den Blumen kann man sich auf keinen gemeinsamen Kranz einigen und so bestellt man drei, die Zeitungsanzeige muss groß und breit sein. Man streitet sich noch kurz darüber, wer alles mit in die Anzeige soll, dann bestellt man für die eigentlich unbeteiligte Schwiegermutter und ihren Internet-Harry auch noch eine eigene Anzeige.

Ich weise darauf hin, dass das alles ziemlich teuer wird, wo man doch anfangs sparen wollte. Das wird allgemein als Zumutung empfunden. Für die Mutter sei ihnen nichts zu schade …

Den örtlichen Pfarrer will man nicht, der Trauerredner kostet 350 Euro. Als Musikwunsch will die Siebenschaft den „Ententanz“. Ich ziehe bei diesem Wunsch die Augenbrauen hoch, was nicht unbemerkt bleibt. „Datt hat die Mutter so gern geliebt!“

Am Ende ist alles dreimal so teuer wie gedacht. Ich sage denen das, aber Entrüstung macht sich breit. „Wenn wir zusammenlegen, dann haben wir den Arsch voll Geld!“, schimpft die Schwiegermutter und schüttelt den Kopf.
Sie Kurt unterschreibt den Auftrag. Tschüß!

Zwölf Wochen später beantragt unser Anwalt einen Vollstreckungsbescheid, denn bezahlen will irgendwie keiner. Ich hätte ihnen unnützes Zeug aufgeschwatzt und eine Recherche im Intahnet habe ergeben, dass man beim Sargdiscounter alles für 400 Euro bekommen hätte …

© 2008

Bildquellen:

  • geld: Peter Wilhelm ki

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#hingerotzt

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)