Menschen

In hellster Aufregung

Ich komme gerade von einer Beratung zurück. Mal wieder hat die Familie ohne mich gefrühstückt und mal wieder habe ich mir ein kaffeeähnliches Industrieprodukt bei McDonalds mitgenommen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist der gute Herr K. verstorben, in einem Krankenhaus in der Nachbarstadt.
Die Witwe und ihre etwas schnippische Tochter waren in „hellster Aufregung“ und haben schon heute Morgen um kurz nach Fünf angerufen. Es müsse sofort jemand kommen. Unser Mann am Telefon war so gnädig, einen Termin für acht Uhr zu machen und mich schlafen zu lassen.

Als ich dort ankam, waren die Damen schon höchst nervös und froh, daß endlich jemand kommt.
Ich denke mir dann immer „in der Ruhe liegt die Kraft“ und versuche die Leute etwas runterzubringen. Jetzt bin ich ja da, jetzt brauchen sie sich nicht mehr aufregen, sich um nichts mehr zu kümmern, können sich ganz ihrer Trauer widmen, nur nicht aufregen bitte.

Ja aber das könne doch nicht sein, dass der Vater nachts um zwei sterbe und der Bestatter sich erst um acht blicken lässt.
Mein Gott, der ist morgen auch noch tot, denke ich und sage aber: „Wir können da ja heute sowieso nichts machen, im Krankenhaus liegt ihr Vater doch gut und morgen früh, wenn die Verwaltung dort wieder besetzt ist, erledigen wir das mit den Papieren und erledigen die Überführung.“

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Nein, sie sei in hellster Aufregung und jetzt müsse was geschehen. Nun gut, ich erkläre den beiden Damen den Ablauf und die weiteren Schritte, das sollte ihnen helfen, aus der Ungewissheit herauszukommen und etwas durchatmen zu können. Bei der Mutter wirkt es auch, sie ist beruhigt und würde am Liebsten jetzt gleich alles weitere besprechen.

Ich hole meine Mappe heraus. Auch mir wäre es sehr recht, wenn die einen Sarg heraussuchen würden und die Kleidung die der Verstorbene anziehen soll. Dann können wir Montag früh alles schon erledigen.

„Nein, Sie wollen doch nur meine helle Aufregung ausnutzen und mir jetzt einen besonders teueren Sarg aufschwatzen!“ wehrt sich die Tochter und schiebt den Katalog weg.

Ich sage, dass das nicht meine Absicht sei, es aber auf der anderen Seite die Sache durchaus erleichtern würde, wenn wir wenigstens die zwei, drei wichtigsten Fragen klären könnten, schließlich sei ich ja jetzt schon mal da.

Alles andere ist mir ja egal, das kann man dann später auch noch klären, aber den Sarg, die Klamotten und der Friedhof auf den er soll, das wüsste ich schon ganz gern. Denn ausgerechnet dieses Krankenhaus hat einen Raum, in dem wir den Toten herrichten können. Wissen wir, welchen Sarg und welche Klamotten der bekommt, können wir das gleich mit dahinnehmen und ihn dort einbetten und gleich auf den Friedhof bringen. Sagen mir die beiden jetzt nicht was und wo, dann müssen wir den Mann erst mit der Trage holen, zu uns ins Bestattungshaus fahren, ihn in die Kühlung stellen und nachher nochmals in den Sarg umbetten und erneut durch die Gegend fahren.
Das ist für uns unpraktisch und für die Angehörigen auch teurer. Das sage ich auch mal ganz vorsichtig.

„Nein, jetzt nicht!“

Sie will lieber morgen früh zu mir ins Büro kommen und sich die Särge mal in echt ankucken. Naja, das ist ja noch ein Argument, das ich gelten lasse, denn obwohl die Bilder groß und schön sind, sehen die Särge dann im Original immer etwas anders aus. Und wenn die Schnippische recht früh kommt, dann holen unsere Männer den Vater eben anschließend.

Weil, sagt die Schnippische, vorher wolle sie nämlich noch zur Verbraucherzentrale und sich beraten lassen, damit ich sie nicht übers Ohr haue.

Der Mutter wird das zunehmend peinlich, das sehe ich, doch die Tochter beendet das Ganze, vertagt sich auf morgen und ich sitze wenig später am Drive In von McDonalds und frage mich, warum die schon um kurz nach fünf bei uns angerufen haben.

Jetzt bin ich wieder zu Hause und wieder geht das Telefon. Unser Bereitschaftsmann stellt mir die Witwe/Mutter von soeben durch:
„Meine Tochter ist jetzt weg. Wissen Sie was? Ich komme heute Mittag zu Ihnen und suche alles selbst aus, meine Tochter ist da etwas schwierig, die hat mal angefangen Jura zu studieren, hat das aber abgebrochen.“

Das erklärt Vieles.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#aufregung #hellster

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(©si)