Allgemein

Ist ja nicht die Welt

1. März 2007:
Frau Lehmann segnet das Zeitliche und ihr Göttergatte Friedbert Lehmann kommt zu uns, um den Bestattungsauftrag zu erteilen. Herr Lehmann ist groß, hat wenig Haare, schwitzt immer ein bißchen und ist sehr freundlich. Als Gewerbelehrer könne er sich eine ordentliche Bestattung leisten und er kenne sich sowieso ganz gut aus, er habe erst im vergangenen Jahr auswärts die Beerdigung seiner Mutter abgewickelt.

Er sucht sich einen Sarg in der mittleren Klasse aus, kauft ein mehrstelliges Grab und bestellt auch sonst alles, was es gibt: besondere Orgelmusik, einen freien Redner, eine große Zeitungsanzeige, Bumen, Kränze, Wurfsträuße, Musik am Grab (frisch geblasen), Leichenschmaus in der „Krone“, Totenbriefe, Kaffeekärtchen, Gebetsbuchzettel, Gedenkfotos, Filmaufnahme von der Trauerfeier, Kondolenzbuch, Paradefahrt des Sarges, den Schauspieler Volker B. der am Grab ein Gedicht vortragen mußte, Grabpflege, Grabstein und noch viele Kleinigkeiten.

Solche Kunden hat man gern, da lacht das Kaufmannsherz. Sofort nach der Auftragserteilung legt mir Herr Lehmann 500 Euro als Anzahlung hin: „Damit Sie sehen, daß ich mir das leisten kann.“

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Immerhin wünscht er, daß alles über uns abgewickelt wird, da kommt eine fünfstellige Summe allein für Friedhofsgebühren, Grabpflege, Gärtner und Grabstein zusammen. Ich quittiere ihm die Anzahlung und bitte ihn, wegen der hohen Vorlagen bis zum Tag der Beerdigung nochmals wenigstens 500 Euro anzuzahlen. Sicher ist sicher. Er versteht das, findet das vernünftig: „Dann ist es hinterher nicht mehr so viel.“

Er wartet gerne einige Minuten, Frau Büser tippt mein Auftragsformular eben in die Maske des Computerprogramms ein und druckt Herrn Lehmann eine Auftragsbestätigung. Selbst ich staune als ich die Rechnungssumme sehe, da sind gut 18.000 Euro zusammengekommen.

Grabstein 4.200 Euro
Grabstelle 3.800 Euro
Grabpflege 3.000 Euro
Blumenschmuck 1.200 Euro
Zeitung 1.000 Euro
Friedhofsgebühren 840 Euro
Fotos, Film, Musik, Redner etc.: 1.500 Euro
Leichenschmaus und Sonstiges: 900 Euro

Und bis dahin sind weder die weiteren öffentlichen Gebühren, noch unsere Kosten enthalten.

Herr Lehmann schaut sich das alles an, schluckt und meint: „Kommt ja doch einiges zusammen.“

„Wir können ja nochmal drüberschauen, da läßt sich einiges einsparen.“

„Nein, auf keinen Fall! So und zwar ganz genau so möchte ich es haben.“

5. März 2007
Herr Lehmann kommt vorbei, wir besprechen den aktuellen Stand und die morgige Trauerfeier. Er zahlt weitere 500 Euro und bekommt eine Quittung.

6. März 2007:
Der Tag der Beerdigung. Unser ganzes Team ist im Einsatz, wir rennen uns die Hacken ab, es klappt alles wie am Schnürchen.
Herr Lehmann ist sehr zufrieden und steckt Manni, der am Kondolenzpult steht, einen Hunderteuroschein in die Außentasche des Anzugs. „Für die Angestellten, habt ihr prima gemacht.“

30. März 2007
Inzwischen liegen alle Fremdrechnungen vor und wir senden Herrn Lehmann die Gesamtrechnung über 21.844 Euro.
So eine fürstliche Rechnung stellen wir auch nicht alle Tage aus, aber das meiste Geld ist ja nicht für uns und es war ja auch eine fürstliche Beerdigung.

14. April 2007
Noch keine Zahlung von Herrn Lehmann. Ich beschließe, ihn am Montag mal anzurufen.

16. April 2007
Ich erreiche Herrn Lehmann. Ach, das sei ihm jetzt peinlich, aber er sei durch den Tod seiner Frau ja sowas von konfus und man glaube ja gar nicht, was da jetzt alles auf ihn zukäme und er habe unseren Brief einfach mal an die Seite gelegt. Morgen, ja morgen ganz bestimmt, würde er sich darum kümmern: „Sie brauchen ja auch Ihr Geld, ist ja klar.“

Ich bin erleichtert, da wird das Geld ja spätestens Ende der Woche auf unserem Konto sein.

23. April 2007
Es ist wieder Montag und auf den Kontoauszügen sieht es mau aus. Mir fehlen 20.000 Euro um zufrieden zu sein, Herr Lehmann hat nämlich immer noch nichts überwiesen, ich mußte aber längst die durchlaufenden Rechnungen begleichen.

24. April
Wir schicken Herrn Lehmann eine Zahlungserinnerung und legen Zahlkarten bei. Eine für die Gesamtsumme und mehrere über Teilbeträge, falls er Ratenzahlung machen will.

25. April
Herr Lehmann ist am Telefon, er tobt. Es sei ja eine bodenlose Unverschämtheit sondersgleichen, daß wir nichts Besseres zu tun haben, als ihn mit unserem Scheiß zu belästigen. Schließlich könne er erwarten, daß man auf seine Trauer auch etwas Rücksicht nimmt. Pietätlos sei das!
Außerdem fühle er sich beleidigt, weil wir ihm Ratenzahlung anböten, wie man es bei Asozialen tut, die beim Versandhaus was bestellen. Daß er zahlen könne, ja das habe er ja wohl bewiesen, indem er unsere Anzahlungen pünktlich abgeliefert habe. Frechheit! Jetzt, und da könnte ich Gift drauf nehmen, käme unsere Rechnung gleich mal nach ganz unten in den Stapel, aber ganz weit nach unten.

Ich atme tief durch, beruhige mich und gebe ihm exakt noch eine Woche Zeit.

30. April 2007
Herr Lehmann ist in Urlaub gefahren. Nach Kärnten, sagt seine Putzfrau, und sie wisse auch nicht wann er wiederkäme, sie schaue nur nach dem Papagei. „Versuchen Sie es doch in 14 Tagen nochmal, da ist er bestimmt wieder da.“

Mai 2007
Wir erreichen Herrn Lehmann nicht. Der ist zwar aus dem Urlaub wieder da, geht aber nicht ans Telefon, macht die Tür nicht auf, reagiert nicht auf unsere Schreiben. Geld bezahlt er auch nicht und der April war ein schlechter Monat, ich brauche das Geld.
Der ganze Mai geht vorbei.

Juni 2007
Ein Kollege erzählt mir, er mache das alles über einen Abrechnungs-Service. Da gebe er alle Rechnungen hin, die treiben das dann ein. Allerdings sei die Zahl der uneinbringbaren Forderungen gestiegen: „Die heben dann die Hand, legen die Eidesstattliche Versicherung ab und das war’s dann mal für’s Erste.“

Herr Lehmann ist nicht zu erreichen und ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich seine Nummer schon gewählt habe. Noch einen Tag will ich warten, dann probiere ich es noch einmal und dann geht das zum Amtsgericht.

2. Juli 2007
Das enttäusche ihn jetzt aber, sagt mir Lehmann am Telefon. Ob wir denn nicht wüßten, daß er inzwischen krank geworden sei? Er könne ja kaum noch aus dem Haus und dem Online-Banking traue er ja nicht, sonst hätte er uns das Geld ja schon längst überwiesen. Aber einen Mahnbescheid, na sowas habe ihm noch nie jemand geschickt.
Gleich morgen wolle er seinen Schwager anrufen und der gehe dann für ihn zur Bank.

7. Juli 2007
Nichts! Kein Geld! Ich fahre zu Lehmann, finde ihn auf den Knien im Garten, er macht Unkraut weg.
„Ach Sie sind es! Und wie geht’s?“

„Ich bin wegen des Geldes gekommen.“

„Ist es endlich bei Ihnen angekommen?“

„Nein.“

„Na, aber das gibt es doch gar nicht! Der Scheck ist in der Post.“

„Ein Scheck? Sie wollten das doch überweisen?“

„Ich habe dann doch einen Scheck geschickt. Vorgestern schon. Ist ja eine Sauerei, daß das bei der Post so lange dauert.“

Was soll ich mit ihm herumdiskutieren? Ich weiß daß er mich anlügt. Deshalb sage ich: „Okay, zwei Tage noch und dann beantrage ich den Vollstreckungsbescheid und dann kommt der Gerichtsvollzieher.“

„Sie kriegen doch Ihr Geld, aber eins will ich Ihnen mal sagen, Ihr Bestatter seid ein ganz schön geldgieriges Volk!“

9. Juli 2007
Muß ich es sagen? Natürlich ist kein Scheck eingegangen. Ich rufe Lehmann an, der sagt: „Jaja, ist ja klar, der ist zurückgekommen.“

„Wie, der ist zurückgekommen?“

Lehmann lacht: „Ach Mensch, ich hatte mich bei der Hausnummer vertan. Aber ich gehe noch heute zur Bank und mache Ihnen eine Überweisung fertig.“

„Nee, ich komme mal eben vorbei und dann können wir ja gemeinsam eben zur Bank…“

„Keine Zeit!“ ruft er und legt auf.

13. September 2007
Der Gerichtsvollzieher hat mit ein Sechstel der Summe überwiesen. Mit Herrn Lehmann hat er eine Ratenvereinbarung getroffen und der hat jetzt noch weitere fünf Monate Zeit, seine Schuld beim Gerichtsvollzieher zu begleichen.

März 2008
Die letzte Rate ist eingegangen. Nun ist es fast ein Jahr her, daß Frau Lehmann gestorben ist.
Wir sind finanziell nicht klamm, aber 20.000 Euro, die einem so lange fehlen, tun weh.
Lehmann hat es ausgereizt, wir waren mal wieder zu langatmig und zu gutmütig.

April 2008
Herr Lehmann ist die Dreistigkeit in Person, er kommt zu uns, steht mir strahlend gegenüber, so als ob nichts gewesen sei und will bei uns eine Gedenkanzeige für seine Frau aufgeben und ein paar Blümchen für’s Grab…

„Das bestellen Sie mal schön woanders. Nachher bezahlen Sie es wieder nicht.“

„Wiesoooo? Ich hab doch alles bezahlt.“

„Ja, nach einem Jahr und erst beim Gerichtsvollzieher.“

„Ja und? Bezahlt ist bezahlt.“

„Ich will aber mit Ihnen keine Geschäfte machen.“

„Dann geh ich eben woanders hin, aber glauben Sie mir, ich werde überall herumerzählen, daß Sie ein ganz unfreundlicher Laden sind und sogar Kunden wegschicken.“

Am Liebsten hätte ich ihm was anderes gesagt, so bleibt mir nichts anderes, als ihm ins Gesicht zu grinsen und zu sagen: „Schönen Tag noch, Herr Lehmann.“

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#nicht #welt

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