Geschichten

Jetzt aber mal hopp!

wolkenhimmel

Das Telefon klingelt.

Das ätzende Telefon klingelt.
Das bekackte Telefon klingelt und reißt mich um drei Uhr morgens aus dem Schlaf.

Mein Mund ist trocken, meine Augen wollen nicht aufgehen.

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Das Telefon klingelt schon wieder.

Ich nehme den Apparat, drücke die grüne Taste und irgendwie gelingt es mir, mich zu melden. Es kommt sogar etwas Verständliches aus meinem Mund heraus.

Am anderen Ende der Leitung ist eine Frau: „Hören Sie mal, wann kommen Sie denn endlich?“

Wohin ich denn kommen solle und vor allem warum, frage ich.

„Ja, bei uns ist doch der Oppa tot. Den müssen Sie holen.“

Irgendwo in meinem schlaftrunkenen Hirn dämmert es: Ich bin Bestattungsunternehmer, und da ist eine Frau am Telefon, die einen Sterbefall melden möchte.

Sofort bin ich hellwach, frage nach Adresse, Namen und Telefonnummer. Dann verspreche ich, daß wir in einer guten halben Stunde da sind.
Ich rufe Manni an, der hat Bereitschaft. Dann gehe ich ins Bad, haue mir etwas Wasser ins Gesicht und erschrecke mich vor dem Typ, der mich verquollen aus dem Spiegel anglotzt.
Hilfe, ich bin ein schöner, drahtiger Mann, gefangen im Körper eines etwas übergewichtigen Bestatters!
Zähne putzen, mit einem nassen Kamm, das üppige Haupthaar bändigen und dann den Anzug anziehen.

Beim Krawattebinden klingelt das Telefon schon wieder. Es ist die Frau von vor fünf Minuten. „Sie, sagen Sie mal, wie lange soll der tote Oppa hier denn noch rumliegen? Kommt da bald mal jemand?“

„Entschuldigung, wir sind schon fast auf dem Weg zu Ihnen, in etwa 20 Minuten sind wir da.“

Manni trifft ein. Prima, daß er so schnell da ist.
Ich liebe Manni!

Schläft der Mann in seinem dunklen Anzug? Schläft der überhaupt? Er ist fit, gut gelaunt und wirkt völlig ausgeschlafen.

Wir fahren mit dem Bestattungswagen durch die nächtliche Stadt. Manni hat im Radio einen dieser Gute-Laune-Sender für aufgeweckte Frühaufsteher eingestellt.
Manni lacht, quatscht, singt zwischendurch und …

… er hat gute Laune! Fürchterlich! Morgens um halb vier hat dieser Mensch gute Laune und auch noch das Bedürfnis, zu reden.
Ich hasse Manni!

Aus dem Funkgerät quäkt die Stimme meiner Frau.

(An dieser Stelle muß ich auf den ausdrücklichen Wunsch meiner Allerliebsten einfügen: „Ich habe keine quäkende Stimme, Du Honk! Schreib gefälligst da hin, daß das nur an dem Funkgerät liegt, daß meine Stimme sich so angehört hat!“)

Es quäkt also und die Stimme sagt: „Da haben diese Leute schon wieder angerufen. Ob ihr noch bei McDonald’s vorbeigefahren seid oder wie das aussieht. Lange haben die keine Geduld mehr!“

Ein paar Minuten später sind wir an der genannten Adresse. Unten vor dem Haus steht eine Frau, so Ende 30, Anfang 60. Also vom Gesicht her könnte sie so Anfang 30 sein, aber das lange graue Haar läßt sie viel älter wirken.

„Wird aber auch Zeit!“, lautet der morgendliche Gruß.

Normalerweise sagen die Leute sowas wie: „Gut, daß Sie da sind“ oder „Ist ein bißchen schwer zu finden, unsere Adresse“ oder einfach nur „Tach“.

Aber die Grauhaarige sagt: „Wird aber auch Zeit!“ Und dann sagt sie noch: „Jetzt aber mal hopp!“

„Moment mal“, sage ich: „Sie haben um drei Uhr angerufen und jetzt ist es zwanzig vor vier. Schneller geht es ja nun wirklich nicht.“

„Ja, meinen Sie, wir wollen da stundenlang den toten Oppa in der Wohnung haben? Der fängt am Ende noch an zu gammeln.“

Manni und ich schauen uns an. Ich trage den Koffer, Manni nimmt die zusammengeklappte Trage. Wir müssen in den dritten Stock hoch.

Der „Oppa“ liegt in seinem Zimmer im Bett. Auf dem Nachttisch liegen die Papiere vom Arzt, die besagen, daß Oppa tot ist und das ist er auch wirklich, und zwar schon seit zwei Uhr…

…nachmittags!

„Warum haben Sie uns denn jetzt erst angerufen?“, frage ich die graue Frau.

„Ja, warum denn nicht?“

„Ich meine, der Herr Schuster ist doch schon mehr als 12 Stunden tot. Und jetzt haben Sie es so eilig?“

„Haben Sie auf dem Schild stehen ‚dienstbereit Tag und Nacht‘ oder nicht?“

„Doch schon…“

„Na sehen Sie, dann kann ich ja wohl auch nachts anrufen.“

„Ja sicher, aber das ist jetzt eigentlich mehr für nächtliche Sterbefälle gedacht. Wir kommen ja auch tagsüber.“

„Dann sieht doch jeder den Leichenwagen. Und außerdem, warum sollte ich es Ihnen leicht machen, mir macht es ja auch keiner leicht.“

Nun ja, das mit der Dunkelheit ist ein Beweggrund, den manche Familien haben, so selten ist das nicht. Dann rufen die aber tagsüber an und bitten um eine Abholung nach Einbruch der Dunkelheit.

„Nun gut“, sage ich, „dann nehmen wir Herrn Schuster jetzt mal mit. Sie müssten dann morgen ins Bestattungshaus kommen, damit wir alles besprechen können.“

„Ja, mach ich, wann soll ich da sein?“

„Sagen wir so um halb eins in der Nacht?“

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#frau #manni #Telefon

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