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Kabel III

Carlos hat den Fehler begangen, auf die Nüsselschweif zu stoßen. Die kennt natürlich jeden hier im Viertel und machte sich gleich ihren ganz eigenen Reim. „Der arbeitet hier schwarz, das melde ich der Knappschaft, da werden sie schon sehen, was sie davon haben!“ tönt sie mir entgegen, schwenkt ihre genbefreite Teetasse und beantwortet meine Frage, was sie überhaupt bei uns sucht mit den Worten: „Ich? Na ich will mich um die Familie Pörtensiepen kümmern. Die brauchen jetzt professionelle Hilfe und bei der Gemeindeverwaltung haben die gesagt, ich soll mich wegen der Bestattung an Sie wenden.“

„Und was wollen Sie da machen? Etwa bezahlen?“

„Na, wo denken Sie hin? Ich will mal einen Blick über den Auftrag werfen, ob es da nicht noch Sparpotential gibt.“

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„Sie können gerne mal einen Blick wohin werfen, wo es ganz dunkel ist.“

„Wie bitte?“

„Und sie können mal ganz schnell gehen, Sie haben hier nichts verloren und für die Familie Pörtensiepen gäbe es nichts Besseres, als wenn Sie denen nicht helfen würden.“

„Unverschämtheit, das!“

„Und tschüß!“

„Ich gebe das an die Arbeitsverwaltung weiter. Jeder Schwarzarbeiter stiehlt drei anderen die Arbeit.“

„Tschühüß!“

Sie drückt Carlos die Tasse in die Hand, wirft ihren Schal schwungvoll über die Schulter und stampft davon.
Auf ihrem Weg zur Tür, rempelt sie Antonia an und die sagt nur: „Hoppla!“
Das allerdings ist der Nüsselschweif zuviel und sie bleibt wie angewurzelt stehen: „Impertinente Person!“

„Was?“ fragt Antonia zurück, die wie sich später herausstellt, ‚impotente Person‘ verstanden hat und tief Luft holt: „Was fällt Ihnen denn ein? Sind Sie noch ganz gebacken? Erst rempeln Sie mich an und dann beschimpfen Sie mich auch noch?“

„Ich habe Sie nicht beschimpft, ich habe nur die Wahrheit gesagt“, motzt Frau Birnbaumer-Nüsselschweif unsere Antonia an und dreht sich um. Antonia entfährt ein „Fettes Wrack!“ und die Nüsselschweif, die doch gerade erst abgenommen hat, erstarrt zur Salzsäule und dreht sich wie in Zeitlupe um: „Was haben Sie da eben zu mir gesagt? Fettes Wrack?“

Antonia guckt ganz unschuldig und sagt: „Aber wie kommen Sie denn darauf? Ich habe nur ’netten Tag‘ gewünscht, mehr nicht.“

„Sie sind mein Zeuge! Sie bezeugen mir das!“ ruft das Brüsselschwein und zeigt mit dem Finger auf Carlos. Der zuckt mit den Achseln: „Ich Ausländer, nix Zeuge, ich katholisch, nix Jehova.“

„Das ist ja die Höhe! Sie alle sind mein Zeuge, daß ich hier beleidigt worden bin!“

Jeder guckt in eine andere Richtung, Antonia pfeift ein Liedchen, Carlos scharrt mit einem Fuß und starrt in die linke obere Ecke des Raumes und ich gucke, als ob ich kein Wässerchen trüben könnte.

„So ist das also. Na fein, dann werden Sie ja noch sehen was Sie davon haben. Der Zoll, ach was sag ich, der Bundesgrenzschutz wird ihre Bude hier auf den Kopf stellen und solange alles durchförstern, bis auch der letzte Schwarzarbeiter aufgeflogen ist.“

Carlos hört auf zu scharren, langsam dreht sich sein Kopf zur Birnbaumer-Nüsselschweif und recht leise sagt er: „Schwatzarrbeiter? Ich Schwatzarrbeiter? Ich bin nix Schwatzarrbeiter! Ich bin aus Portugal nixe Afrika. Habe zwölf Monate Arbeitsolosunterschdidsung gehabt und jetzt bin ich, Carlos Gastro-Poda de la Cruz Ich-AG. Schwatzarrbeiter, Frecheheit!“

Man hört nur noch, wie die Tür unserer Halle ins Schloß fällt, dann ist die Birnbaumer-Nüsselschweif endgültig verschwunden.

Irgendwann nachher muß ich mal mit Antonia reden. Einerseits finde ich es natürlich klasse wie sie der Nussbaumer-Bienensteiß den Schneid abgekauft hat. Aber sie ist eine Angestellte, hat nicht den ganzen Vorfall von Anfang an mitbekommen und darf sich im Grunde eine solche Beschimpfung nicht erlauben. Ich werde ganz vorsichtig vorgehen müssen, aber ich muß.

Für den Moment auf jeden Fall tippen sich alle an die Stirn und lachen.

Einer der Onkel kommt, „Mein Herr, bitteschön!“ und bittet mich zum Gespräch. Stimmt ja, die sind ja auch noch da.

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(©si)