In der Geschichte „Leise Töne“ ist Leser Torsten auf folgende Stelle gestoßen:
„Die Witwe steht ergriffen neben dem Sarg, bei uns gibt es keine Barrieren, keine Glasscheiben oder Absperrungen, die Angehörigen können so nah an den Verstorbenen heran, wie sie es möchten.“
Er meint dazu:
Ich hatte zwar bisher nur mit Aufbahrungen bei zwei Bestattern zu tun, aber irgendwelche Absperrungen gab es da nicht. Denen hätte ich dann aber auch etwas anderes erzählt, ich kann nicht glauben, das es sowas gibt!
(Mag daran liegen, das ich jeweils nicht irgendein Trauergast sondern schon sehr direkte Verwandschaft war)
Doch, doch, das gibt es.
Beim Bestatter wird man so etwas weniger finden und ich wollte auch nicht herausstellen, daß man bei uns nah an die Verstorbenen heran kann und bei anderen Bestattern nicht, sondern ich wollte darstellen, daß man beim Bestatter in der Regel an den Verstorbenen herantreten und ihn berühren kann, während man auf kommunalen Friedhöfen zwar viel Geld für die Aufbahrung bezahlen muß, jedoch oft durch Scheiben oder Barrieren vom Verstorbenen getrennt ist.
Der Einfallsreichtum der Friedhofsbetreiber ist da recht groß. Sehr weit verbreitet sind Kammern, gerne auch weiß oder grün gekachelt, in die von hinten der Verstorbene im offenen Sarg hineingeschoben wird und bei denen die Angehörigen vorne in einem Gang stehen und ihren Verstorbenen durch eine dicke Glasscheibe, wie in einem Aquarium betrachten dürfen.
Oft ist es auch so, daß der Blick auf die Verstorbenen durch einen Vorhang hinter der Scheibe verhindert wird und der Friedhofsmitarbeiter vorne in seinem Kabuff auf einen Knopf drückt und für genau 15 Minuten den Blick frei gibt.
Es gibt auch Kammern, die nur durch ein dickes rotes Seil abgetrennt sind.
Die Begründungen der Kommunen sind oft, so könne man die Erhaltung der Totenruhe gewährleisten und das habe „leichenhygienische Gründe“.
Man möchte fast meinen, daß solche Einrichtungen ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten sind, als die Menschen noch an böse Geister und Leichengift glaubten, als die Berührung eines Toten quasi den sofortigen Tod des Berührers durch eine Leichengiftvergiftung mit sich brachte…
Aber weit gefehlt. Erst vor gar nicht allzu langer Zeit war ich zur Eröffnung eines schönen neuen Friedhofes eingeladen. Es ist ein sehr moderner Friedhof und wie sich das heute gehört, hat man sich auch sehr viele Gedanken um die anderen Leute gemacht, die auf dem Friedhof zu tun haben. Die Pfarrer finden dort zum Beispiel einen Raum zur Vorbereitung und zum Umkleiden vor, die Bestatter haben von außen zugängliche Kühlzellen und einen Aufenthaltsraum für sich und die Sargträger usw.
Die Kühlanlagen sind vom Feinsten und sehr modern und die technischen Einrichtungen in der neuen Trauerhalle sind zeitgemäß. Vom DVD-Spieler über Leinwand und Beamer bis hin zum riesigen Flachbildschirm ist alles vorhanden.
Als ich aber die Aufbahrungsräume betrachtete, traf mich fast der Schlag. Ich mußte erst einmal schlucken und bin dann fassungslos stehen geblieben.
Man stelle sich einen etwa 20 Meter langen, gekachelten Gang vor, an dessen Decke alle möglichen technischen Rohre und Leitungen angebracht sind. Auf dem Boden gibt es alle paar Meter einen Abfluss und beleuchtet wird das Ganze von grellem Neonlicht.
An beiden Seiten des langen Ganges befinden sich im Wechsel immer eine Stahltür Marke „Heizungsraum“ in Kellergrau und eine Glasscheibe mit dahinter befindlichem, ebenfalls grauen Vorhang aus dickem, abwaschbarem Plastik.
Mit einer Funkfernsteuerung (!) kann der Friedhofsmitarbeiter die Vorhänge der einzelnen, dahinter liegenden Zellen öffnen. Man blickt dann, wie früher im Zoo, durch die Glasscheibe in das Innere des Aufbahrungsraumes.
Auch dieser wirkt eher so, als würde da normalerweise ein pestkrankes Erdferkel oder Opossum in Quarantäne gehalten. Technische Leitungen hinten an den Wänden, neben der hinteren Tür eine schmucklose Halterung mit einem aufgewickelten Wasserschlauch und die Wände ansonsten in klinikgrüner Kachelung.
Es könnte auch der Schlachtraum einer Metzgerei sein oder so eine Zelle in der man renitente Strafgefangene mit dem Schlauch abspritzt…
Es ist also durchaus schon ein Unterschied, ob man seinen Verstorbenen da oder beim nahegelegenen Bestatter aufbahren lässt.
Mancher Bestatter hat nur eine Garage auf seinem Hof als Aufbahrungsraum, versteht es aber weitaus besser, mit Wandbehängen, Pflanzen (und seien es künstliche) und Kerzen hier eine Atmosphäre zu schaffen, die bei weitem angenehmer und würdiger ist.
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Omg, wer macht sich über solche Dinge bei der planung eines neues Friedhofes überhaupt darüber Gedanken?
Da ziehe ich dann doch lieber eine Garage vor (selbst wenn da noch Werkzeug drinnen steht).
Bei uns ist es ähnlich… ein langer Gang, links davon vier äußerst schrabbelige Zellen mit den üblichen künstlichen Lorbeerbäumchen, abgetrennt durch eine mindestens vier Zentimeter dicke Glasscheibe.
Das beste find` ich, sind aber dann noch die Plexiglascontainer zum Kühlen: So verkratzt, dass man den Sarg kaum noch erkennen kann. Und selbst im Winter, wenn bei einer Außentemperatur von -5°C im ungeheizten Innenraum ohnehin nur Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt herrschen, stehen die Särge in den abgegriffenen Kühlcontainern, deren Ventilatoren die andächtige Stimmung noch effektvoll steigern… Als mein Vater gestorben ist, war für uns das wichtigste Kriterium zur Auswahl des Bestatters: Hat er einen eigenen Aufbahrungsraum?
In Basel wird (wie in vielen Schweizer Gemeinden) eine einfache Erd- oder Feuerbestattung von der Kommune gezahlt — Überführung, Leichenhemd und Organist bei der Trauerfeier inklusive. Für die Aufbahrung in der Friedhofshalle gilt folgendes:
„Kostenlos ist die Aufbahrung in einem Raum, in dem die Besucherinnn und Besucher durche Glasscheibe vom Sarg getrennt sind.
Im offenen Aufbarungsraum können Besuchende direkt an den Sarg treten. In diesem Raum findet sich auch Platz für ein geschmackvolles [!] Bluenarrangement […]
Es stehen auch grosse Aufbahrungsräume mit Glasscheiben zur Verfügung, für welche Sie einen Schlüssel erhalten, […]
Kosten
Aufbahrung im offenen Aufbahrungsraum oder im Aufbahrungsraum mit privatem Schlüssel: CHF 290.50 inkl. MwSt.“
Ehrlich gesagt habe ich die Modalitäten nicht genau verstanden; ich vermute, der Hauptunterschied zwischen Variante zwei und drei ist, dass im offenen Aufbahrungsraum alle Besucher Zugang haben, während man mit Schlüssel die Kontrolle behält — und seine Weitergabe in der Grossfamilie organisieren muss…
das ist echt alles gruselig und wirklich fast unvorstellbar, daß man von seinen toten angehörigen durch eine scheibe oder sonstiges getrennt wird. da lebt man jahre seite an seite und wenn man einem geliebten menschen dann lebewohl sagen möchte, ihn vielleicht berühren möchte, wird einem das durch sowas verwehrt……also lieber rechtzeitig informieren, wie das mit der aufbahrung so läuft beim heimischen bestatter, bzw. kirche…..
…achso….und sich einfach mal hineinversetzen in leute wäre auch nicht schlecht. wie würde man das selber am liebsten haben wollen von der atmosphäre her, wenn man abschied nehmen möchte, wie gestalte ich das umfeld, etc….so schwer kann das nicht sein. da würde ich auch eher die garage bevorzugen…..so ein kalter, fliesenbehafteter eindruck bleibt sicher lange im hirn der hinterbliebenen….negativ….
Aufgrund einer solchen Aufbahrung habe ich an eine Tante, die mit über 100 gestorben ist, immer noch die Erinnerung von Schneewitchen im Glassarg. Gut, die Haare waren schneeweiß und nicht schwarz, aber der Rest stimmte schon.
Trotzdem kommen bei der Erinnerung immer gemischte Gefühle hoch, die Räumlichkeiten waren zwar in Holz und ansprechend gehalten, allerdings defilierten (so stelle ich mir das wenigstens vor) ganze Schlangen von Leuten dran vorbei. Auch wir Angehören waren nur Teil der Schlange (meine Tante war politisch und sozial sehr engagiert und bis zu ihre Tod auch sehr aktiv) – hätte man Eintritt verlangt, wäre sicher eine nette (Spenden)summe zusammengekommen.
So bleibt mir, daß sie zum einen wunderschön, ja schon fast märchenhaft aussah bzw. dalag, andererseits das Ganze an ein Museum oder einen Zoo erinnerte.
Ich würde daher niemals jemand aufbahren lassen oder anderen, außer den engsten Verwandten Zutritt gewähren.
Bei uns sind die Aufbahrungskammern auf dem Friedhof recht „würdig“ und sogar mit ein bisschen Grünzeug im Hintergrund ausgestattet. Allerdings stand im Januar der geschlossene Sarg meiner Mutter dort – sie war durch die schwere Krankheit doch etwas entstellt und ich wollte nicht, dass Fremde sie angaffen und dann vielleicht noch drüber tratschen. Der Familie allerdings wollte ich die Möglichkeit lassen, sie noch einmal zu sehen – und diesbezüglich bin ich richtig reingefallen. Da drei der Schwestern meiner Mutter recht weit weg wohnen und eine zu der Zeit nach einer Rückenoperation noch sehr schwer an Krücken ging, dachte ich, es sei am „praktischsten“, wenn ich den Bestatter nehme, der nur 100 m von uns entfernt um die Ecke ist. Dann könnten die Tanten, wenn sie zu uns kommen, auch einen Abstecher dahin machen. Am Montagmorgen (Mutter war am Samstag gestorben) kam eine Mitarbeiterin jenes Bestatters zum Beratungsgespräch (worüber ich mich heute noch aufregen könnte: In der ersten halben Stunde klingelte dreimal ihr Handy und sie nahm jedesmal ab, um in einem Fall sogar ein ziemlich… Weiterlesen »
Na dann doch lieber hier in USA sterben und in einem Funeral Home sein was wie eine Luxus Wohnung wirkt.
Oje, solche sterilen Zoo-Kammern sind ja wirklich furchtbar.
Was ich aber schon öfter erlebt habe, sind so eine Art „Leichen-Kühltruhen“, mit dicken, isolierten Wänden und durchgehender Glasscheibe oben drauf. V.a. wenn der Tode für ein paar Tage aufgebahrt bleibt. Allerdings waren die meist auch in älteren Gebäuden, in denen nahezu unmöglich das ganze Zimmer gekühlt werden kann.
Hier wird grundsätzlich beim Bestattungsunternehmen aufgebahrt – und dann auch immer offen, ich habe nie andres gesehen. Auf den Friedhöfen sind neben den Mausoleen kaum Gebäude, und wenn, dienen sie nur als Unterstand für die Arbeiter und ihr Gerät.
Vielleicht muss man berücksichtigen, dass die Leichenhallen der Friedhöfe ja zunächst ganz zweckmäßig der sagen wir mal „Verwahrung“ ALLER Leichen dienen können MUSS, also auch solcher die vielleicht schon lange irgendwo gelegen haben oder aus anderen Gründen wirklich schon vor der Überführung auf den Friedhof sehr unangenehm riechen. Diese könnte man wahrscheinlich wirklich nicht lediglich im Holzsarg dort aufbahren, da dieser ja auch nur eingeschränkt geruchsdicht ist… aber den Hygienepopanz, der deshalb betrieben wird und dem alle anderen Toten dann auch unterworfen werden ist finde ich dennoch unangemessen.
Mehr Selbstbewusstsein in Sachen Verstorbener wäre wahrscheinlich am Besten! Mein Sohn ist am 22.8.11 am errechneten Geburtstermin in meinem Bauch verstorben. Ich habe ihn zuhause auf die Welt gebracht und wir haben ihn 3 Tage zuhause behalten. Wenn man möchte, kann man jemanden bis zur Bestattung zuhause behalten. Leider war es in den Tagen des Augustes sehr heiß und unsere Kühlung auf Kühlakkus zwar gut, aber nicht supergut, so daß wir ihn dann doch dem Bestatter mitgeben mussten und er dort in den Kühlraum kam. Unser Bestatter hat einen eigenen Kühlraum, plus Besuchsraum. Allerdings ist der Bestatter immer etwas zurückhaltend, was den Anblick von Toten angeht, er hat mehr Angst, als die Angehörigen, dass man vom Anblick erschrocken ist. Wobei ich der Meinung bin, ein liebender Mensch sieht über die Spuren der Auflösung hinweg, mein Kind zu sehen und zu halten ist wichtiger gewesen. Wir haben unseren Sohn auch nach 3 Tagen selber angezogen, in eine Decke gewickelt, auch wenn es inzwischen nicht so schöne Körperlichkeiten gab und wir haben ihn selber in den Sarg… Weiterlesen »
oh mein gott nina !!! das tut mir so unendlich leid! ich mußte weinen beim lesen deiner zeilen. wie stark ihr doch seid…ich finde das ganz toll, wie ihr das gemacht habt. es ist doch immer noch etwas anderes, ob die 90 jährige oma stirbt, oder das eigene kind.ich wünsche euch weiterhin viel kraft und ganz viel liebe !!!!
Komische Umgebungen kann man, zumindest ich, wohl auch gut verdrängen. Eine der erwähnten offenen Aufbarungen (durch den etwas zweifelhafteren Bestatter) fand im Nebenraum der Trauerhalle des Friedhofs statt. Es war Winter, die Lagerkapazitäten wohl etwas zu knapp, denn in dem Raum hatte es sieben Särge auf diesen Rollwagen. Aber der Bestatter hat es ja gut gemacht, 2 Kunstbäumchen hin und die anderen Särge so gefahren, dass auch die dickeren Familienmitglieder an den offenen Sarg der Verstorbenen treten konnten, ohne wirklich zwischen deren Sarg und den nebenstehenden Särgen stecken zu bleiben. So „Massenaufbahrungen“ habe ich bislang nur auf einem großen Friedhof einen ebensolchen süddeutschen Stadt gesehen. Nur kurzzeitig geöffnte Rollos sind das eine, für jeden Besucher einfach so hinter Guckfenstern zu sehende abmarschierbare Reihen von mal geschlossenen, mal offenen Särgen sind das andere. Ob es da so Brauch ist, weiss ich nicht – aber da es viele ältere Personen waren und nach den Angaben teils auch anonyme Bestattungen anstanden fragte ich mich da schon, ob das jeweils genauso in Wissen und Willen der Angehörigen oder gar… Weiterlesen »
In der eh. DDR gab es Abschiedsräume, wo die Leiche mit einer Glasscheibe von den Angehörigen abgeteilt war! Diese waren allerdings holzvertäfelt und blumengeschmückt, eigentlich warm, ich gehe davon aus, dass man in früheren Zeiten vor häufigen Infektionserkrankungen wie Tuberkulose oder Diphterie schützen wollte. Auch Gerüche z.Bsp. von an Tumorleiden Verstorbene oder lange noch zu Hause aufgebahrten, nicht gekühlten Leichen,sollten so wohl von Angehörigen fern gehalten werden, ist zu vermuten! Heute sind helle Räume modern, die Berührung durch Angehörige ist eigentlich üblich…