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Katja und Ronny -4-

Ganz kleinlaut ist Katja heute früh hier eingelaufen und mußte sich gefallen lassen, daß ich ihr sagte, wie blöd ich ihr Verhalten finde. Schließlich bin ich meinen Kunden verpflichtet und es liegt mir fern, die Leute nach Strich und Faden zu verarschen auf den Arm zu nehmen.

Manchmal muß man schwindeln, ja geradezu lügen. Ich kann einer Mutter beispielsweise nicht sagen, daß ihrem minderjährigen Sohn bei einem Unfall der Kopf abgetrennt wurde, wenn ich sehe, daß sie schon so kaum mit der Situation zurecht kommt. Man kann manches einfach nicht in diesem Moment sagen. Manchmal ergibt sich später eine Gelegenheit dazu, manchmal ist es besser, wenn ich das für mich behalte.
Ab und zu muß man auch mal schwindeln, damit Frieden im Karton ist. Und genau das hatte ich doch versucht, um Katja und den Kindern und den Eltern jeweils eine würdige Abchiednahme zu ermöglichen.

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„Was kann man denn jetzt noch tun?“ will Katja wissen und ich drücke ihr zunächst einmal den Umschlag mit ihrer Anzahlung in die Hand. „Ich weiß es auch nicht“, sage ich. Ronny ist nicht aufbahrungsfähig, die Art der Verletzungen ermöglicht unter normalen Umständen einfach keine Aufbahrung. Also kann ich Katja auch nicht jetzt am offenen Sarg Abschied nehmen lassen. Bei der Trauerfeier soll sie auf Wunsch der auftraggebenden Eltern nicht teilnehmen. Allein die Kinder sind es, die mich dazu bewegen, zu sagen: „Heute Nachmittag um drei Uhr können Sie kommen.“

„Wirklich?“

Ich nicke und weiß, daß ich mir echt Ärger einhandeln kann, aber was soll ich machen?

„Die Kinder auch?“

Wieder nicke ich.

„Und was ist mit seinen Freunden?“

„Hören Sie, ich ermögliche Ihnen eine Abschiednahme am geschlossenen Sarg, ganz privat, ganz persönlich. Dabei denke ich in erster Linie an die Kinder. Da möchte ich jetzt keinen großen Menschenauflauf.“

„Nur zwei oder drei Personen! Bitte!“

Ich grummele so in mich hinein, verziehe meinen Mund und sage: „Okay, eine halbe Stunde, aber Sie machen keine Reklame mit der Veranstaltung, ja? Und Sie rufen auch nicht Ihre Ex-Schwiegereltern an!“

Sie guckt auf ihre Schuhspitzen und sagt kaum hörbar: „Ich weiß, das war Scheiße…“

„Große Scheiße.“

Sie weint.

Wenn mich was berührt, dann weinende Frauen. Die Tränen einer Frau sind mächtiger als das schärfste Schwert eines Mannes.

Ich geben ihr ein Taschentuch, schlucke und sage: „Also, Sie wissen Bescheid, um 15 Uhr hier bei uns, okay?“

„Danke.“

Ist schon gut…

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#katja #ronny

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