Wir haben das Bild von Ronny vergrößert und von der Trauerfeier heute Morgen steht sowieso noch der Blumenschmuck in der Trauerhalle. Das Bild haben wir auf eine kleine Staffelei gestellt, den Sarg aber noch nicht in die Trauerhalle gefahren.
Das ist gut so, Katja kommt um kurz vor drei und bringt einen kleinen Stapel mit Zeichenbogen-Papier. Die Kinder haben mit Wasserfarbe und Filzstift Bilder für ihren Papa gemalt.
„Für den liebsten Papa auf der ganzen Welt“
Das nimmt mich mit, das hat meine kleine Tochter neulich erst auch auf ein Bild für mich geschrieben. Dieses Mal ist es aber nicht der Gruß einer Tochter an den Papa, weil sie vielleicht was Schönes von ihm will, sondern der Gruß eines Kindes, das weiß, daß es den Papa niemals wiedersehen wird. Bitter, sowas.
Ein Mitarbeiter legt die Bilder noch in den Sarg, dann können wir ihn in die Trauerhalle schieben. Unterdessen holt Katja die Kinder und tatsächlich sind auch ein paar Freunde gekommen. Zwei Ehepaare und ein junger Mann. Die paar Leute haben in der ersten Reihe Platz.
Nachdem sich die Trauergäste gesetzt haben, geht Sandy -meine Mitarbeiterin- hin und entzündet die Kerzen, richtet die Blumen etwas, verneigt sich kurz vor dem Sarg und geht. Dann fahren wir das Licht herunter, damit es etwas schummeriger wird und lassen hinter dem Buntglasfenster etwas die künstliche Sonne scheinen.
Eine Trauerfeier zu organisieren ist bei so vielen Feiern, wie wir sie machen, reine Routine. In den allermeisten Fällen läuft das nach „Schema F“ ab. Ist doch klar. Die meisten Leute wollen alle das Selbe und warum sollten wir das Rad immer wieder neu erfinden.
Aber hin und wieder gibt es besonders aufwendige Feiern oder auch so kleine Abschiednahmen, bei denen wir uns besonders anstrengen. Das macht, auch wenn es vielleicht für Außenstehende merkwürdig klingt, Spaß und bringt Abwechslung.
Heute stehen wir vor dem Problem, daß wir kein Programm haben. Es kommt kein Pfarrer, es gibt nur einen Musikwunsch und ich habe törichterweise von einer halben Stunde gesprochen.
Wir haben vor einer Trauerfeier immer eine kurze Regiebesprechung und klären ab, wer was wann macht und wie alles ablaufen soll. Die Mitarbeiter haben ihre Ideen eingebracht und ich glaube, es ist was Ansprechendes dabei herausgekommen.
Lange Zeiten den Stille verträgt eine Trauerfeier nicht. Sind viele Leute da, fangen die dann alle an zu husten oder gar zu tuscheln und das bricht die Atmosphäre. Kurze stille Pausen sind okay, aber dann muß wieder Geräusch her.
So spielen wir Bach vom Band, ein längeres Orgelstück, dann kurze Pause, Lichtwechsel, den Sarg jetzt als einziges helles Element angestrahlt, dann Karat mit dem „Schwanenkönig„. Das Lied mag ich ganz besonders.
Katja hat die beiden Kinder links und rechts neben sich sitzen und drückt diese an sich. Die anderen sitzen starr, man sieht an, daß es ihnen sehr nahegeht und manche nur gepresst die Tränen unterdrücken können.
Wieder lassen wir die Musik ausklingen und eine kurze Stille eintreten, dann gehe ich nach vorne und lese einen Abschnitt aus der Bergpredigt. Ich weiß gar nicht, ob die Familie besonders religiös ist, aber immerhin haben Ronnys Eltern einen Pfarrer und keinen Trauerredner bestellt. Die Bergpredigt ist für alles gut und so bekommen die Trauergäste wenigstens etwas geboten. Vielleicht sind einige von weiterher gekommen, immerhin haben sie doch den Weg zu uns auf sich genommen und da kann ich sie doch nicht einfach nur eine Weile schweigend vor dem Sarg sitzen lassen.
Kurze Verbeugung vor dem Sarg, Orgelmusik vom Band. Zur Bergpredigt passt am Besten Orgel.
Letzter Akt:
Sandy geht nach vorne und löscht eine Kerze nach der anderen. Dazu erklingt, wie gewünscht ein Stück von den Puhdys. Beim zweiten „Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt“ öffnet sich die doppelflügelige Seitentür, zwei meiner Männer kommen herein, verharren kurz neben dem Sarg, der eine rechts, der andere links, dann schieben sie ihn hinaus.
Musik ausklingen lassen, Türen zu, Licht langsam wieder aufdimmen. Vorhang.
Wobei „Vorhang“ hier für ‚fertig‘ steht. Jede Trauerfeier ist wie eine Theaterinszenierung, sag‘ ich doch.
Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt, sagt die Welt das er zu früh geht.
Wenn ein Mensch lange Zeit lebt, sagt die Welt es ist Zeit . . .
…
Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln – Steine zerstreun.
Bäume pflanzen – Bäume abhaun, leben und sterben und Streit.
Bei Wort-Taten gibt es die passenden Musikvideos.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: katja, ronny
Vorsicht mit Liedtext-Veröffentlichungen, manche Musikverlage reagieren da sehr empfindlich mit Abmahnungen.
Schön, dass es geklappt hat! 🙂
Jetzt dürfen nur die Eltern den Blog nicht lesen.
(Auch wenn die Geschichte evtl schon eine Weile her ist, nachträglich müssen sie es ja auch nicht rausfinden.)
Ja, Schwanenkönig ist schön… gute Wahl.
Danke dass du ihnen die Abschiednahme ermöglicht hast.
(mit Tränen in den Augen) … ganz großes Kino…
Gute Musikauswahl.
Und egal, ob Katja vorher Mist gebaut hat oder nicht – ich denke, es war richtig, dass Du ihr, den Kindern und den anderen Anwesenden die Möglichkeit gegeben hast, so in Ruhe Abschied zu nehmen.
Das Blumengesteck find ich nicht sonderlich schön.
Also wenn ich mal sterbe, dann wünsche ich mir
Musik die pepig is und nich traurig. da würde ich selbst im Sarg noch Depris kriegen…
Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt… ich habe mir schon gedacht, dass es das Lied sein wird. Passt ideal, ich habe allerdings noch nie darüber nachgedacht, dass man es zu so einem Anlass spielen könnte. Ein klein wenig melancholisch, aber nicht zu traurig, schön. 🙂
Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. Jesus meinte damit in erter Linie den Trost, den wir alle dereinst beim himmlischen Vater erhalten. Sollen wir jetzt deswegen alle trauern, auch ohne Grund, um in den Himmel zu kommen? Nein natürlich nicht. Sicher kann man diese Aussage der Gergpredigt auf viele Arten deuten. Für mich klar dabei: Wer im Sinne Jesu trauert, der tut das ehrlich und aufrecht, nicht inszeniert für die Nachbarschaft etc. und auch nicht anstandshalber. Soll es ja zur Zeit Jesu und wohl auch heute immer wieder mal gegeben haben und geben. Aus deinen Ausführungen geht hervor, dass Katja nicht gerade diplomatisch war, aber ihre Trauer zumindest ist gewiss aufrichtig, noch dazu nach dieser Familiengeschichte. Ob Katja mal in den Himmel kommt? Ich weiß es nicht, ich gönne es Ihr (und jedem Menschen), auch dass sie dort ihren Ronny wieder hat. Dann hat sie ewigen Trost. Das ist zwar für die Zurückgebliebenen im Moment des Abschiedes meist kein wirklich großer Trost (allmählich wirds ein Wortspiel;-), aber zum Glück gibts ja Empathie-Künstler wie… Weiterlesen »
Für Atheisten oder Anhänger anderer Weltanschauungen ist das Tüdelkram.
Tüdelkram hin oder her, es sind Worte, die die Angehörigen unter Umständen den Rest des Lebens im Gedächtnis bleiben – egal. ob man den Glauben teilt oder nicht.
Für eine so lange Zeit, wie „den Rest des Lebens“, für den man nicht genug Aufwand treiben kann ist das in diesem Falle so wie es klingt eine sehr gute Wahl gewesen.
Ich bezog mich auf 'sagichnicht'.
Andere Varianten:
Gehn jetzt die Kinder zweimal hin, zusammen mit den Großeltern damit es nicht auffällt, oder machen die Alten eine Soloveranstaltung mit dem Pfarrer? Oder Überlegen sie es sich in letzter Sekunde anders und laden Katja doch ein? Geht die dann auch zweimal, damits nicht auffällt? Katja könnte den Alten auch die Enkel regelmäßig zum Kontakt für ihr weiteres Leben anbieten. Diese sind gerührt und bleiben hier wohnen.
Alles wird gut……
Mac,
Und du glaubst auch noch an den Weihnachtsman? 😀
Dass die Kinder den Großeltern nichts erzählen, halte ich für fast ausgeschlossen. Hoffentlich kommt da kein Ärger nach …
Bitte keine Versöhnung. Man muss ja nicht mit jedem gut auskommen…
Ich bin mal gespannt, ob es da eine Folgereaktion der Großeltern gibt…
Ich finde es toll, mit wieviel Gefühl du in diesem Beruf "arbeitest". Und ich finde es von Grund auf falsch jemandem den Abschied von einem Menschen zu verweigern. Du bist ein wirklich guter Mensch, denke ich. Wenn es einen Gott gibt, dann ist er/sie sicher sehr stolz auf Menschen wie dich.
Warum ein Bild mit Urnenschmuck (Modell "Betende Hände"? 😉 )!?
War doch ne Erde, oder?
Pe, vermutlich weil es bei pixelio.de kein vernünftiges Sarg-Foto gibt.
@keiner das mag ja sein. Aber da hätte Tom sicher auch was passendes parat gehabt. Er hat jedoch in seinem Bericht erwähnt, aus der Bergpredigt gelesen zu haben und offenbar hat er damit den Nerv der kleinen Trauergemeinde getroffen. Der gute Atheist übrigens wird übrigens solche Worte keineswegs als Tüdelkram ansehen, sondern als aufrichtigen Versuch des Trostes. Er wird in seiner religiösen Toleranz verschmerzen können, dass der andere Gott ins Spiel bringt und aus seinem Inneren heraus allein die Tatsache würdigen, dass sich jemand die Mühe macht, Trost zu spenden. Wer das nicht kann, ist kein Atheist, sondern Antitheist, und die wiederum müssen wohl mit dem Tüdelkram leben. Aber da es ohnehin die bequemste Weltanschauung ist, unreflektiert dagegen zu sein, ist ein bisschen unbequemes ganz recht, um da mal das Gewissen zu bewegen. Ja, ich bin Theologe und ich stehe zu meinem Glauben. Aber ich respektiere auch jeden Andersgläubigen und auch jeden Atheisten, der seine für sich schlüssigen Gründe dazu hat. Ebenso würde ich mich freuen, in einer Trauersituation mit entsprechenden humanistisch-philosophischen Sätzen oder auch… Weiterlesen »
Und außerdem schadet es ja niemandem, ein Stück aus der Bergpredigt zu hören. Überdies sind die wenigsten Leute überzeugte Atheisten. Die meisten sind nur, aus welchen Gründen auch immer, aus der Organisation Kirche ausgetreten.
Die meisten sind wohl Agnostiker… jedenfalls in Mitteleuropa.
Was ja den Glauben an Gott nicht verleugnet, sondern als Möglichkeit sieht. Es gibt Leute, die sind überzeugte Agnostiker, es gibt aber auch die, die so denken, obwohl sie nicht mal wissen, dass sie dann dem Agnostizismus folgen … Die meisten jedoch leben den Agnostiztismus als selektiven Theismus. Wenns gut geht, brauche ich keinen Gott und wenns schlecht geht, flehe ich stundenlang "Bitte hilf …"
Das ist sicher auch, zumindest bei uns,ein Phänomen bei Trauersituationen. Erst brauche ich Gott nicht, und dann soll er auf Kommando kommen und trösten oder gar den Verstorbenen auferwecken (ja, auch das ist mir schon untergekommen).
"Bitte" ist ein häufiges Wort, auch im zwischenmenschlichen Bereich, aber nach "erfolger Leistung" "Danke" zu sagen ist ja soooooooo schwer …
Agnostizismus als Weltanschauung: o.k. für den ders mag, Agnostizismus als Ausrede: XXXXXXXXX XXX XXXXXXXXXXX (Zensur!)
@Lars: Ich BIN der Weihnachtsmann
@woas i net:
Ich sehe darin nichts Verwerfliches. Für viele ist der Begriff "Gott" eben eine Metapher für die Natur oder einfach alles, was existiert. Für diese ist die Personalisierung ein gedankliches Hilfsmittel, das die Kommunikation erleichtert. Ein Platzhalter. Wenn das Bedürfnis nach einem Adressaten, den man um Hilfe bitten kann, in Krisenzeiten wächst, finde ich das nicht schlimm, sondern nur menschlich. Auch nicht, wenn danach keine Dankbarkeit folgt – dem Universum dürfte das egal sein. Für den einzelnen Menschen und seine Umwelt wäre ein bisschen Dankbarkeit/Demut allerdings besser, insoweit gebe ich Dir recht.