Die Witwe, eine gewisse Frau Stöcker, besucht ihren unlängst verstorbenen Mann in einem unserer Aufbahrungsräume. Nach eine geraumen Weile schauen wir mal nach ihr. Sie sitzt neben dem Sarg und erzählt ihrem Gatten recht laut die Neuigkeiten aus der Nachbarschaft. Auf einmal bemerkt sie, daß jemand da ist, dreht sich kurz um und sagt entschuldigend: „Sie müssen verzeihen, er hat schon zu Lebzeiten schlecht gehört, wer weiß, wie das jetzt ist.“
Dann blickt sie auf die Uhr: „Mein Gott, schon so spät! Ich muß los.“
Sie steht auf, kramt in ihrer Handtasche herum und drückt uns eine Brille und ein Brillenputztuch in die Hand: „Wenn Sie ihm das noch in die Tasche stecken würden, man weiß ja nie.“
Ich sage nur: „Sicher ist sicher“ und sie nickt und freut sich, daß sie jemand versteht.
Ist doch schon merkwürdig, die Menschen wissen ganz genau, daß derjenige der da vor ihnen liegt, tot ist. Daß sie mit den Toten sprechen, sie vielleicht nochmal anfassen, ihnen etwas mitbringen oder ihnen ihre Lieblingsmusik vorspielen, das ist kein Verdängen der Tatsachen, sondern reine Trauerbewältigung. Sie empfinden große Liebe, manchmal hat man sich auch nur über all die Jahre aneinander gewöhnt, jedenfalls möchte man, daß bestimmte Sachen wenigstens noch ein paar Stunden oder Tage weitergehen.
Schade, wenn einem diese Gelegenheit genommen wird, aus welchen Gründen auch immer.
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…..aber schön, wenn man sich so verabschiedet bzw. sich verabschieden kann. Schlimm wäre es, wenn sich niemand mehr am Sarg blicken lassen würde und auch bei der Trauerfeier kaum einer da ist, den der Verlust in irgendeiner weise berührt.
Nett wärs gewesen, hätte sie euch ein paar Kondome in die Hand gedrückt. „Wer weiß, ob er sie nicht doch braucht“ 😉 ..
Ich finde die Geschichte echt rührend.. hat hier gerade jemand Zwiebeln geschnitten? *schnief*
Wenn es sich einrichten läßt, lasse ich die Trauernden auch Mal Allein. Das brauchts. Wenn ich das Gefühl habe, das geht OK, gehe ich vor der Tür auf und ab, bereit bei Bedarf sofort wieder da zu sein. Man stellt sich nicht wie der Presser daneben. Und doch gibt es Fälle, die nicht allein sein können.
Die begleitet werden wollen. Denen bleibe ich in greifbarer Nähe.
Ach, schön. Ich hab in den letzten drei Monaten beide Großeltern verloren und die zwei sind insgesamt mit einem Stoff-Fisch, einem Stoff-Elefanten, einer handgeschnitzten Madonnenfigur, einem Buch und mehreren Anstecknadeln am Revers auf die Reise gegangen. Beide haben im Sarg sehr schön und mit all unseren Sachen auch gut versorgt ausgesehen. Und uns hat es sehr viel Trost gegeben.
Ich hab damals einem guten Freund eine Schachtel seiner Lieblingskippen und Streichhölzer mitgegeben. Fand ich damals (und heute) ehrlicher als Blumen und verlogenes Geheule.