Geschichten

Köln

Frau Thorwesten ist eine ganz liebe alte Dame. Sie hatte mich vor etwa einem Jahr einmal auf der Straße angesprochen, nachdem sie mich im Fernsehen gesehen hatte. Das passiert glücklicherweise recht selten, worüber ich ganz froh bin.
Einerseits rührt man sich ja, damit man etwas Aufmerksamkeit erzeugt und so vielleicht den einen oder anderen Leser für das Bestatterweblog oder die Bücher interessieren kann, andererseits ist es mir irgendwie immer peinlich, wenn die Leute mich ansprechen.
Nicht, daß es mir lästig wäre oder gar unangenehm, aber ich fühle mich der Sache nicht wert und nicht gewachsen.

Vor einigen Tagen war ich mit Frau und vier Kindern (zwei eigene, zwei geliehene) auf der Kirmes (200 Euro, kotz!) und kaufe mir gleich am erstbesten Stand eine Bratwurst.

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Glücklicherweise bin ich trotz meines Diabetes von besonderen Speisevorschriften verschont. Solange die Blutwerte, die ich mehrmals täglich messen muß, im Rahmen bleiben, darf ich essen, was ich will.
Klar, man übt sich da schon von allein in vorauseilendem Gehorsam und läßt Cola (die ich sowieso nicht oft getrunken habe) und extra süße Sachen weg.
Was das Essen anbetrifft, sind meine Werte sehr stabil und gut. Anders sieht das mit körperlicher Belastung aus. Schwitzen bei Hitze, eine längere Autofahrt, etwas Gartenarbeit und schon sausen die Zuckerwerte in den Keller.
Gewöhnt an viel zu hohe Zuckerwerte über ein langen Zeitraum, sind niedrige Blutzuckerwerte (sagen wir 65-99), die für jeden Gesunden völlig okay wären, für meinen Körper vollkommen ungewohnt und ich werde zittrig, unkonzentriert und schwach.
An diese niedrigen Werte muß mein Körper sich erst gewöhnen. Bis dahin heißt es messen und essen.

Ich bin also mit den Kindern und meiner Frau auf der Kirmes und wir hatten es uns vorgenommen, nachdem wir unsere Kinder da über Jahre hinweg etwas kurz gehalten hatten, daß die dieses Mal alles ‚fahren‘ dürfen, was sie wollen.
Nur in den „Magic Supertwister“ darf meine Tochter nicht mehr, nachdem sie vor zwei oder drei Jahren in voller Fahrt aus neun Meter Höhe ungefähr 300 Kirmesbesucher mit blauem ‚Slush‘ vollgekotzt hatte.

Gut, also wir kommen auf der Kirmes an, ich entscheide mich für eine Bratwurst, damit ich vom Zittrigsein wegkomme und stehe an der Bratwurstbude einer etwas, dem Hungern entwöhnten, Verkäuferin gegenüber und äußere meinen Wunsch nach einer Rostbratwurst. Die Frau grinst mich an und nimmt mit der rechten Hand ein bereits aufgeschnittenes Brötchen, mit der linken greift sie eine Zange und mit der dann eine Rostbratwurst, dabei hört sie aber nicht auf, mich zu fixieren und anzugrinsen und als ich eigentlich erwarte, daß sie mir den Preis für die Wurst nennt, ruft sie über die Schulter:

„Jutta, komma her! Kennze den?“

Jutta ist wohl diejenige, die abends immer alle übriggebliebenen Würste und Speckschnitzel aufessen muß, denn als sie sich vom hinteren Teil des Wagens, wo der Schwenkgrill schwenkt, nach vorne begibt, gerät das Fahrzeug deutlich merklich in Schräglage.

„Ne, den kenn ich nich!“

„Doch, den kennze!“ behauptet die mit der Zange und deutet mit Zange und Bratwurst auf mich:

„Datt ist doch der!“

„Gezz wo’des sachs, doch, der kommt mir auch bekannt vor.“

Nun stehe ich da, halte die ganze Zeit einen 5-Euro-Schein in der Hand und meine Familie hat sich inzwischen um mich geschart. Na ja, die Rostbratwurstverkäuferin und die Schwenkgrillschwenkerin waren vielleicht in einer Vorstellung von „Finale“ oder sie kennen mich, wie Frau Thorwesten, auf die ich noch zurückkommen werde, wenn ich fertiggelabert habe, aus dem Fernsehen oder sie haben mich sogar anhand des Fotos auf einem meiner Bücher wiedererkannt.
Da meine Kinder ja felsenfest davon überzeugt sind, ich würde -wie einst der Pferdegebissmann in „Schneewittchen einst im Sarge lag“- als Autor davon leben, lustige Geschichten auf kleine Zettel zu schreiben und an mildtätige Leute zu verschenken, könnte es ja nicht schaden, wenn jetzt zwei völlig wildfremde Schlachtabfallverwerterinnen mich, den großen Autor und FernsehExperten wiedererkennen und mich vielleicht sogar um ein Autogramm auf eine der Servietten bitten.

Die mit der Wurstzange grinst mich an:

„Sie sind datt doch, odda?“

Ich grinse zurück und freue mich über dieses bescheidene Maß an Popularität und lächele zurück.
Da sagt sie, wieder mit der Zange, in der immer noch die arme Wurst klemmt, auf mich deutend:

„Datt is‘ der, Jutta! Ganz bestimmt! Datt is‘ der dicke, schwule Friseur aus Köln!“ Und dann wendet sie sich wieder an mich: „Watt machen Sie denn hier? Von Köln is‘ ja ’n bissken weit hierher, odda?“

Meine Kinder hatten selbst später im Spiegelkabinett nicht so viel Spaß, wie bei der ständigen Wiederholung der, auf eine schnell selbst komponierte Melodie gesungenen Zeile „da kommt der dicke schwule Friseur aus Köln, da kommt der dicke schwule…“

Ich kann ja Spaß vertragen. ICH KANN DAS!
Gut, die Kinder sind an diesem Wochenende bei den Großeltern, ob ich sie wieder abhole… ich bezweifle es!

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