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Kratzer

Also Tierbestattungen machen wir nicht. Es gab da schon mal eine Ausnahme, aber normalerweise paßt das nicht zu unserer Geschäftsphilosophie. Das wäre sicherlich ein nettes Zusatzgeschäft, denn Tierbesitzer, das habe ich inzwischen erfahren, wären durchaus bereit für die Bestattung ihrer Tiere einen erklecklichen Betrag auszugeben.

So auch Frau Kühnle. Die habe ich ja gefressen, wie man so sagt. Das bedeutet: Wenn ich die sehe, bekomme ich Gehirnplaque.
Als ihr Mann Vinzenz vor anderthalb Jahren gestorben ist, mußte die Bestattung von einer sehr schmalen Sterbegeldversicherung komplett bezahlt werden. 1.200 Euro gab es da nur, es war ein Sonderangebot aus der Fernsehwerbung gewesen. Da hatte ein netter Opa erzählt, wie toll diese Sterbeversicherung alles bezahlt und unten hatte man eingeblendet, wie niedrig der monatliche Beitrag ist, doch hatte man die ganzen Klauseln in rund 300 Zeilen gefasst, die man nur für den Bruchteil einer Sekunde einblendete.

Das ist Zuschauerverarschung, wenn man mich fragt.

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In diesem konkreten Fall paßten nun der Opa und der Beitrag nicht zusammen. Der niedrige Beitrag bezog sich nämlich auf einen kerngesunden 22jährigen, der 60 Jahre lang einzahlt. Herr Kühnle war aber schon etwas älter und so kam es, daß er für diesen Beitrag, trotz jahrelangen Einzahlens, nur 1.200 Euro bekam.

Richtigerweise muß man natürlich sagen, daß seine Frau dieses Geld bekam, denn er war zu diesem Zeitpunkt -das ist nunmal die Voraussetzung dafür- einfach nur tot.

Nun gut, wir machen auch günstige Bestattungen und so bekam Herr Kühnle einen schlichten Fichtensarg, der gleich ins Feuer kam und Frau Kühnle winkte sogar bei der Urne ab. „Der kommt doch sowieso auf den Rosenhügel.“

Dieser Rosenhügel! Was habe ich mir schon den Mund fusselig geredet deswegen. Es gibt hier auf keinem Friedhof keinen Rosenhügel und dennoch hält sich in der Bevölkerung hartnäckig das Gerücht, es gäbe auf dem Friedhof irgendwo einen Hügel, wunderbar mit Rosen bewachsen, auf dem die Asche der Anonymen beigesetzt wird.

Nichts da! Eine Wiese ist es, zentral gelegen und von Rosen keine Spur.
„Nein, nein“, sagte Frau Kühnle, das wisse sie aber besser, da seien Rosen, ganz schöne sogar und „der Oberbürgermeister bezahlt die Grabpflege.“
Dreimal habe ich es ihr erklärt und sie dann unterschreiben lassen, daß sie die anonyme Bestattung ausdrücklich wünscht und davon in Kenntnis gesetzt wurde und das auch verstanden hat, daß sie weder Ort noch Zeitpunkt der Bestattung erfahren wird.

„Das unterschreibe ich Ihnen gerne“, sagte sie besserwisserisch und vielsagend grinsend: „Ich weiß ja ungefähr wo der Rosenhügel ist.“

Ich war jetzt bestimmt schon häufiger auf dem Friedhof als jeder andere und ich weiß nunmal, daß es eben diesen besagten Rosenhügel nicht gibt er existiert nur in den wildromantischen Vorstellungen der Leute, keine Ahnung woher die ihr vermeintliches Wissen haben.

Etwa ein halbes bis dreiviertel Jahr später verstarb auch Dackeldame „Putzi“, die den Tod ihres Herrchens nicht verwinden konnte. Putzi war, das muß man einfach sagen, ein häßlicher Hund. Wahrscheinlich war sie mal schöner, aber mit ihren immerhin 16 Jahren war das ziemlich verblasst. Putzi hatte kaum noch Fell am Leib, nur noch einige fusselige Fransen und ihr Gesäuge war so krebsverseucht, daß es stets geschwollen war und fast am Boden scheuerte. Außerdem hatte der Hund ein Hüftleiden, konnte nicht mehr richtig laufen und ganz trübe Augen, vermutlich konnte die Hundedame auch kaum noch etwas sehen. Überdies roch das Tier sehr unangenehm.
Ganz ehrlich? Ich hätte den Hund schon vor zwei Jahren einschläfern lassen.

Man muß das doch mal vernünftig betrachten. Natürlich hängt man an so einem Tier, wer weiß das besser als ich? Ich hatte schon viele Hunde und manche davon sind auch gestorben oder mußten eingeschläfert werden. Wegen uns werden sie doch gezüchtet und wir übernehmen doch die Verantwortung für sie. Wir sind es doch, die dafür verantwortlich sind, daß sie wesentlich länger leben, als es ihr Urahn in freier Wildbahn schafft. Wenn dann aber durch unsere Hege und Pflege das Tier ein Alter oder einen Zustand erreicht, in dem dann irgendwann einmal Krankheiten, Schmerzen und Behinderungen überwiegen…

Naja, das sehen viele anders und das muß jeder selbst wissen.

Putzi jedenfalls mußte bis zum Ende durchleiden und verstarb dann eines Tages mit aufgeblähtem Bauch und bis zum bitteren Ende winselnd.

Frau Kühnle trauerte sehr um die Dackeldame und beauftragte die „Omeganis“-Tierbestattungs GmbH & Co. KG.
Die kamen auch, holten den Dackel bei Frau Kühnle ab und am nächsten Tag besuchte diese die Filiale der „Omeganis“, um die weiteren Formalitäten zu regeln. Da Hunde weder eine Todesbescheinigung, noch eine Sterbeurkunde oder Bestattungsgenehmigung benötigen, bestehen diese Formalitäten im wesentlichen aus dem Erteilen des möglichst umfangreichen Bestattungsauftrags.
Kleine Särge bietet die Firma ebenso an, wie kleine Urnen. Man kann seinen Fiffi dort auch ausstopfen lassen und mit nach Hause nehmen und selbstverständlich hat die „Omeganis“ einen Tierfriedhof mit Grabstätten für Hund, Katz, Hamster und sonstiges Getier.

Dieser Tierfriedhof ist es übrigens, der mich immer wieder dazu veranlasst, die oft gescholtene Regelungswut der Friedhofsverwaltung hier zu respektieren. Zwar nerven die vielen Verbote und Regelungen manchmal, aber wenn ich mir anschaue, wie dieser Tierfriedhof ausschaut, wo es eben diese Regelungen nicht gibt, dann ist der genau ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.
Jedes Grab hat eine andere Größe, jeder Grabstein ist anders als die links und rechts daneben und die Gräber sind überhäuft mit buntem Plastik-Tinnef. Ein Schock für die Augen, so unaufgeräumt und albern bunt sieht das Ganze aus.
Ehrlich! Wenn man da durch das Tor kommt, wirkt es im ersten Moment, als habe der Wind einen Haufen Plastikmüll von einer Müllkippe über ein Feld mit Kindergräbern geweht.

Frau Kühnle entschied sich dafür, Putzi einäschern zu lassen und einen Teil der Asche auf dem Tierfriedhof beisetzen zu lassen und den anderen Teil der Asche als Andenken zu Hause aufzubewahren. Zu ihrer Ehrenrettung muß man sagen, daß Putzis Grab zu den schöneren und aufgeräumteren Gräbern gehört. Dennoch hat sie dafür starke 3.900 Euro hingeblättert, inklusive Einäscherung, Grabstelle, Grabstein, Sarg und zwei Urnen.

Stolzer Preis.

Die eine Urne ist also im Grab verbuddelt und die andere steht auf ihrem Wohnzimmerschrank. Und genau da kommen wir ins Spiel.
Denn für diese Urne, die etwas kleiner ist als unsere für Menschen, hat Frau Kühnle immerhin 220 Euro hingeblättert. Eine vergleichbare Urne in „Menschengröße“ hätte nur 78 Euro gekostet.

Nach schon einem Monat fing der Lack an Putzis Urne an abzublättern und Frau Kühnle reklamierte das bei der „Omeganis“. Die nahmen die Urne zurück, füllten Putzis halbe Asche in eine neue Urne um und entschuldigten sich. Doch einige Wochen später begann der Lack sich wieder abzulösen. Ja, das liege an den Temperaturen in Frau Kühnles Wohnzimmer, da könne man nichts machen, schließlich seien die Urnen in erster Linie für die Beisetzung im Erdreich gedacht.

So kam Frau Kühnle dann zu uns und fragte, ob wir ihr nicht eine Menschenurne verkaufen könnte, am liebste eine große aus Holz, da wolle sie dann die kleine mit dem abgeblätterten Lack einfach hineintun und dann sei doch alles gut.
Warum nicht? Die Holzurnen verkaufen sich ohnehin nicht besonders gut, also machte ich der Frau einen annehmbaren Preis, ließ sie aber vorsichtshalber unterschreiben, daß sie diese Urne ohne irgendeinen Anspruch auf Garantie zum Sonderpreis erhält und für einen anderen Zweck verwendet, als dieser Urne eigentlich zugedacht ist.

Sicher ist sicher, ich wollte vermeiden, daß sie auch bei uns ständig wegen irgendwelchen abblätternden Lacks auftaucht.

Sie tat es aber trotzdem. „Nein, dieses Holz passt ja nun so gar nicht zu meinem Schrank und außerdem hat meine Schwester Hilde gesagt, daß das aussieht wie eine Kuckucksuhr oder eine Keksdose aus Holz.“

Gegen Einbehalt eines geringen Abschlags nahmen wir die Urne zurück, Frau Kühnle entschied sich für ein Modell aus Stahlblech.

Doch schon zwei Wochen später stand sie wieder mit Putzis Urne unter dem Arm bei uns auf der Matte. Das Metall reflektiere das Licht von ihrer Deckenlampe und das verursache Reflexe auf ihrem Fernsehbildschirm.

Nee, nee, eben war Schluß. Ich weigerte mich, die Urne nochmals umzutauschen. Stattdessen empfahl ich ihr, entweder den Aufstellungsort zu wechseln oder beim Fernsehen ein Tuch drüberzuhängen.

„Wenn ich ein Tuch über den Fernseher hänge, dann sehe ich doch nichts mehr!“

„Nicht über den Fernseher, sondern über die Urne.“

„Dann sehe ich doch die Urne nicht.“

„Tja, irgendwas werden Sie machen müssen, wir nehmen die Urne jetzt auf jeden Fall nicht mehr zurück.“

Das sei ja eine Unverschämtheit, wenn man bedenke wieviel sie für Putzis Bestattung bezahlt habe und überhaupt…

„Bei uns haben Sie für Putzis Bestattung gar nichts bezahlt. Wir haben Ihren Mann höchst anständig für 1.200 Euro unter die Erde gebracht. Die fast 4.000 Euro für Putzi, die haben Sie bei der ‚Omeganis‘ bezahlt.“

„Die haben aber nur Urnen wo der Lack abgeht.“

„Was ja wiederum nicht unser Problem ist, nicht wahr?“

„Stimmt, aber diese hier, die reflektiert und die ist von Ihnen.“

„Tja, aber das liegt ja nicht an der Urne, die ist ja einwandfrei. Die ist dicht, da rieselt nichts heraus und an der werden Sie noch viele Jahre Freude haben, so stabil wie dieses Stahlblech ist.“

„Ich werde mir überlegen, ob ich mir nicht einen Anwalt nehme!“

„Tun Sie das, Frau Kühnle, tun Sie das!“

„Sie sagen das so, als seien Sie sich ganz sicher, daß Ihnen nichts passiert.“

„Da bin ich mir auch sicher.“

„Naja, gut, dann zeigen Sie mir mal die Tücher.“

„Was für Tücher?“

„Na die für zum über die Urne hängen.“

„Sowas haben wir nicht. Da müssten Sie schon irgendein Tuch von sich nehmen.“

„Ist ja wirklich doof. Da geben Sie mir so einen Ratschlag und dann haben Sie noch nicht einmal sowas da.“

Sie schmollt, schnappt sich Putzis halbe Asche und zieht von dannen.

Ist da draußen irgendwo eine Firma, die Urnenabdecklappen für halbe Putzis herstellt?

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