Frag doch den Undertaker

Ist dieses Leichenfoto echt?

Kann man wirklich Fotos von Verstorbenen machen, in denen sie in Posen dargestellt sind, so als würden sie leben?

Mit dieser Frage beschäftigt sich Leserin Cindy:

Hallo,
ich hoffe sehr, dass Sie mir helfen können.
Anbei sende ich ein Foto um das es mir geht. Es geistert als Post Mortem Fotografie durchs Netz, allerdings habe ich da meine Zweifel daran. Ist es denn tatsächlich möglich Leichen so hinzudrapieren?
Angeblich sollen beide Frauen auf dem Bild tot sein, ich kann es mir kaum vorstellen, würde aber sehr gerne Ihre Meinung dazu hören.
Vielen Dank schon mal im Vorraus.
Liebe Grüße
Cindy

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deceased-photo

Liebe Cindy,

zuerst verweise ich einmal auf diesen Artikel hier im Bestatterweblog, der erst vor ein paar Tagen erschienen ist. Dort wurde auch über dieses Thema gesprochen.

Man hatte früher ein anderes Verhältnis zu den Verstorbenen, in manchen Ländern (z.B. Madagaskar) ist das auch heute noch so, wie überhaupt in den verschiedenen Gegenden der Erde recht unterschiedlich mit dem Tod umgegangen wird.

Die Totenstarre von Menschen hält nur eine begrenzte Zeit an. Danach sind sie, mit gewissen Einschränkungen, etwa so handhabbar, wie eine große, schwere Stoffpuppe.
Ohne Hilfsmittel wird man sie weder vernünftig hinsetzen und schon gar nicht hinstellen können.

Um die Leichenfotos aus viktorianischer Zeit wird im Internet ein großes Theater veranstaltet. Das Morbide scheint die Phantasie der Internetbenutzer zu beflügeln.
Deshalb ist aus der tatsächlich existierenden Tradition des Leichenfotos ein großer Hoax geworden.

In der viktorianischen Zeit war die Fotografie bereits auf einem vergleichsweise gut entwickelten technischen Stand. Die Grundprinzipien hatte man verstanden, das notwendige Equipment lag vor.
Jedoch bedurfte es zur Erreichung scharfer und gut belichteter Fotos sehr langer Belichtungszeiten.
Das bedeutete, die zu fotografierenden Menschen mußten sehr lange absolut still halten.

Bei Verstorbenen allein ist das kein Problem, sie halten per se still.

Es war wie gesagt tatsächlich üblich, von Verstorbenen ein Erinnerungsbild anzufertigen, häufig in der besten Kleidung.
Manchmal waren auch lebende Personen mit auf diesen Bildern, die die Toten nicht nur im Sarg liegend, sondern oft in einer wohnlichen Umgebung zeigten.

Hier ein Beispiel für das Foto von einem verstorbenen Kind in den Armen einer lebenden Frau:

mother-child

Nun geistern aber sehr viele Bilder als sogenannte Postmortem-Fotos durchs Netz, bei denen Personen in stehender Position zu sehen sind.
Aufgrund der schwarz-weißen /sepiafarbigen und teils handcolorierten Farbgebung erscheinen die Personen darauf ohnehin schon als fremd.
Die von ihnen verlangte starre und steife Körperhaltung, meist noch unterstützt durch Körperständer, die Rücken und Kopf etwas Halt gaben, läßt die Menschen noch befremdlicher aussehen.
Oft zogen sich selbst einfache Leute für diesen Zweck ihre beste Kleidung oder vom Fotografen bereitgehaltene Leihkleidung an, in der sie sich nicht wohl fühlten.

Auf dem von Dir zitierten Foto sind hinter den abgebildeten Mädchen in Fußnähe diese Ständer erkennbar.
Diese waren ein sehr probates Mittel und haben nichts mit der Leichenfotografie zu tun.
Leichen wurden, soweit es mir bekannt ist, nahezu ausschließlich in liegender, allenfalls angelehnt sitzender Position fotografiert.

Wer schon einmal mit einer leblosen Person, einem Betrunkenen oder Ohnmächtigen zu tun hatte, der weiß, wie schwer es ist, so eine Person zu bewegen, aufzuheben und, im Falle von Betrunkenen z.B., zum Stehen zu bringen.
Bei Leichen sind die Muskeln nach der Totenstarre erschlafft, an ein Stehen ist gar nicht zu denken und auch der Kopf bliebe nicht in einer aufrechten Position.

Nun könnte man denken, die auf den vermeintlichen Postmortem-Fotos sichtbaren Ständer seien für diesen Zweck da gewesen.
Schaut man sich aber diese Ständer näher an, so erkennt man, daß sie aufgrund ihrer kleinen Füße, der Verstellbarkeit und des dünnen Material kaum dazu geeignet gewesen sein dürften, das Gewicht eines Menschen zu halten.
So wurden auch Lebende von diesen Ständen nicht gehalten, sondern gaben nur Stütze, damit man von der einmal eingenommenen Position nicht abwich.

Aus dem Grund sind die allermeisten Postmortem-Fotos keine solchen, sondern ganz normale Fotografien aus viktorianischer Zeit.

Nun gibt es zwischen den tatsächlichen Leichenfotos und den steif wirkenden Bildern von Lebenden eine gewisse Grauzone.
Einige wenige Personen wurden auf dem Boden liegend so dekoriert und von oben abfotografiert, daß es aussieht, als hätten sie gestanden.
Überhaupt existieren viele Fotos von angelehnten Leichnamen.

Hundertprozentig kann man bei vielen Fotos nicht mehr sagen, ob es sich um lebende oder tote Personen handelte.
Doch eins ist sicher: Die allermeisten der sogenannten Postmortemfotos sind keine solchen.

Bei dem obigen Foto der beiden Mädchen gibt es indes überhaupt gar keinen Hinweis darauf, daß das linke Mädchen tot sein könnte.
Die stehende Position spricht dagegen.
Als Indiz für die Echtheit als Leichenbild wird angeführt, daß man bei der links abgebildeten Person das Gesicht durch eine Haube völlig verdeckt hat. Vermutlich ließ sich diese Verstorbene nicht mehr ausreichend gut herrichten.
Auch bei der zweiten Person soll es sich um eine Leiche handeln, da die Augenpartie im Schatten der Hutkrempe liegt und hier der Fotograf sehr sorgfältig darauf geachtet hat, wie er das Licht setzt.

Schauen wir uns aber den gußeisernen Fuß des Ständers einmal näher an:

postmortem-98

Es ist ein dreifüßiger Ständer mit sehr geringer Unterstützungsfläche. Der dritte Fuß weist nach hinten, das ergibt eine gewisse Stabilität in Wandrichtung, sodaß die Personen sich in diese Richtung leicht anlehnen und die Körperhaltung bewahren konnten.
Ein Leichnam würde aber wie der sprichwörtliche nasse Sack nach unten und vorne zusammensacken. Hierfür bietet der Ständer keine ausreichende Stabilität.

Ich glaube daher kaum, daß es sich bei diesem Foto um das Foto von Verstorbenen handelt.

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