Es ist kurz vor Weihnachten. Da fällt mir eine Begebenheit ein, die sich vor einigen Jahren am Tag vor Heiligabend zugetragen hat. Ich will sie nur kurz erzählen:
Schnee ist ja zu Weihnachten bei uns eine Seltenheit. Ich erinnere mich gerne an ein Weihnachtsfest in meiner Kindheit. Wir sind damals an Heiligabend in die Kirche gegangen. Als der Gottesdienst vorüber war, spielte der Organist sehr ausladend „Stille Nacht, heilige Nacht“. Die großen Kirchentüren gingen auf und draußen hatte es inzwischen geschneit. Alles war dick mit Schnee überzogen. Das sah sehr schön aus und passte so wunderbar zu diesem Abend.
Vor einigen Jahren hatte es am Tag vor Heiligabend auch geschneit. Aber nur kurz und der Schnee war auch nicht liegengeblieben. Das bisschen Schneegestöber hatte aber ausgereicht, um 90 % der Autofahrer in Panik zu versetzen. Wenn man sich im Fernsehen anschaut, wie die Skandinavier bei geschlossener Schneedecke sicher Autofahren, dann kann man nicht nachvollziehen, weshalb drei Schneeflocken auf der Motorhaube hierzulande zu einem Verkehrschaos führen.
Wegen dieses Chaos kamen wir etwas verspätet an einem Haus an, in dem eine dicke Frau verstorben war. Sie war einer von den dicken Menschen, die ihr Bett wegen der Leibesfülle schon lange nicht mehr hatten verlassen können.
Die Familie hatte schon bei der Feuerwehr angerufen, denn ihnen war klar, dass ohne weitere Hilfe ein Abtransport der schweren Verstorbenen nicht möglich sein würde.
Sechs Kindern hatte die Frau ihr Leben geschenkt, und diese hatten ihr nette Schwiegerkinder und elf Enkel beschert. Ich weiß nicht, ob das nötig war, aber all diese Familienangehörigen inklusive der Kleinsten waren gekommen, um dem Abtransport der dicken Frau beizuwohnen.
Die Männer und Frauen von der Feuerwehr hatten noch Verstärkung nachfordern müssen. Diese musste weiße Tücher aufspannen, um die Blicke der vielen Neugierigen abhalten zu können. Obwohl die Verstorbene bloß über den Balkon einer Wohnung im Hochparterre gehievt werden sollte, wollten sich die Nachbarn dieses spektakuläre Schauspiel nicht entgehen lassen. So manche Videokamera war auf das hell erleuchtete Fenster gerichtet, hinter dem wir, gemeinsam mit den Rettungskräften, die Frau auf ein Transportbrett der Feuerwehr schnallten.
Eine dicke Blonde in Joggingklamotten beschwerte sich sogar lautstark, sie könne nicht genug sehen, und die Feuerwehrleute sollten doch bitte mal etwas weggehen.
Auch wenn es etwas übertrieben klingt: Die Feuerwehr musste die Drehleiter einsetzen, um die Spezialtrage mit der dicken Frau vom Balkon herabzuhieven. Ich war heilfroh, dass die Frau in unseren Transporter passte und wir endlich die Türen des Autos schließen konnten.
Man stelle sich die Situation einmal vor:
Es ist ein Tag vor Heiligabend. Es ist schon dunkel draußen und die ganze Szene wird vom flackernden blauen Licht der Feuerwehr beleuchtet. Laute Motoren brummen. Ein paar einsame Flöckchen Schnee fallen in Zeitlupe.
Zwei Dutzend Familienangehörige stehen da und weinen bitterlich.
Und dann kommt er.
Er ist der Vermieter des Hauses und wohnt oben unterm Dach. „Sie da! Sie!“, spricht er mich an. „Hören Sie mal! So geht das ja nicht. Ich will Ihren Namen und Ihre Adresse. Sie werden von mir hören. Ich ruf‘ gleich meinen Anwalt an. Irgendeiner muss mir ja den ganzen Schaden bezahlen. Ich habe alles fotografiert. Ihr habt mir meinen Rasen vor dem Balkon ruiniert. Alles plattgetrampelt. Ob da überhaupt noch was wächst? Was das wieder kostet. Nichts als Ärger hat man. Aber diesmal kommt ihr Brüder nicht so einfach davon. Los, Ihren Namen, hier aufschreiben, auf den Zettel, aber flott!“
Ich hab nur „Frohe Weihnachten“ gesagt und ihn einfach stehen lassen.
Bildquellen:
- schnee44: Peter Wilhelm ki
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