Ich war gestern auf der Beerdigung von meiner Oma. Nach langem Überlegen und weil ich durch dein Blog einiges darüber erfahren habe, bin ich dann doch in die Aufbahrungszelle von der Oma gegangen. Sie lag da so friedlich und sah viel schöner aus als ich gedacht hätte. Mir ist aber aufgefallen, dass ihre Lippen so zusammengepresst und schmal aussahen. Wie kommt das? Pressen Leichen die Lippen zusammen?
Eher das Gegenteil ist der Fall. Durch das Erschlaffen der Muskulatur und die fehlende Kontrolle durch das Nervensystem steht der Mund in vielen Fällen offen. Damit bei einer Aufbahrung ein schöner Anblick zustande kommt, wird der Mund verschlossen.
Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten.
Am Günstigsten ist es, wenn direkt nach Eintritt des Todes der Unterkiefer mit einer Mullbinde hochgebunden wird. Das macht oft das Pflegepersonal in Krankenhäusern oder Altersheimen. Mit der eintretenden Leichenstarre bleibt der Mund dann in günstigen Fällen zu.
Manche Bestatter verwenden auch sogenannte Kinnstützen. Das sind winkelförmige, durchsichtige Plastikstützen, die zwischen oberer Brust und Unterkiefer geklemmt werden und durch das Totenhemd verdeckt sind. Die Stütze bewirkt ebenfalls, daß der Mund geschlossen bleibt.
Fachlich am anspruchsvollsten und daher von vielen Bestattern als bester Weg angesehen ist das Legen einer sogenannten ligatur. Hierbei wird ein dünner, aber fester Faden im Mundinneren am Lippenbändchen und Unterkiefer vernäht und durch einen gekonnten Knoten, der hinterher nicht sichtbar ist, gestrafft.
Wohl am weitesten verbreitet, weil schnell und problemlos durchführbar, ist das Verschließen des Mundes mit Lippenkleber.
Hierbei wird eine dünne Schicht eines sofort klebenden Hautklebers auf die Lippen aufgebracht, die dann leicht zusammengedrückt werden.
Letzteres Verfahren hat aber drei entscheidende Nachteile. Zu allererst ist es so, daß häufig Spuren des kristallartig aushärtenden Klebers sichtbar bleiben, was sehr unschön aussieht. Zum Zweiten müssen die Lippen vom Bestatter etwas zusammengedrückt werden, was unter ungünstigen Umständen die von der Leserin geschilderten schmalen, zusammengepressten Lippen oder gar eine Art Kussmund ergibt. Zuletzt und für mich entscheidend: Der Unterkiefer wird nur durch die aneinanderhaftenden Lippen hochgehalten. Löst sich die Leichenstarre, hat auch der Unterkiefer wieder die Tendenz, nach unten zu sinken und übt einen Zug auf die Lippen aus, was ein sehr unnatürliches Gesicht ergibt.
Die besten Ergebnisse erzielt aber jeder Bestatter mit der Methode, die er am besten beherrscht, bei uns ist es fallweise unterschiedlich und oft eine Kombination aus allen anderen Möglichkeiten.
Nicht unerwähnt bleiben sollte noch der Mundfüller, eine mehr oder weniger ovale dünne Kunststoffplatte, die in den Mund eingesetzt werden kann, wenn die Zahnprothese nicht mehr vorhanden ist oder der Verstorbene sonst zu eingefallen aussieht. Diese Mundfüller hat eine Oberseite mit Noppen über die man die Lippen zieht. In bestimmten Fällen reicht der Einsatz eines solchen Mundfüllers auch als geeignete Maßnahme aus.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: lippen
@ Smacky: Du kannst aber doch auch bei geschlossenen Lippen die Zähne zusammen und auseinander machen, von daher würde das also einen Grinsemund ergeben, was wohl auch nicht unbedingt gewünscht ist!
Kann man nicht die Zähne zusammenkleben solange noch welche da sind?
Gute Frage mit den Zähnen. Die schliessen ja sonst auch sehr schön. Braucht man wohl Zahnkleber.
Und wie soll ich da antworten, wenn der Petrus mich beim einchecken was fragt – hä?
du hast oben geschrieben, dass sich die Leichenstarre löst. Ich wusste gar nicht, dass das passiert, ich dachte die hält für immer an???
Lies bitte diesen Artikel hier:
http://bestatterweblog.de/archives/Totenstarre-rigor-mortis/118
Hallo Tom,
ich kann es manchmal halt nicht lassen,meinen Senf abzugeben:
Gerade frisch von der (Pflege-)Schulbank gekommen, muss ich eben anmerken, dass wir in der Schule dazu angehalten wurden, auf das Hochbinden des Unterkiefers zu verzichten, um den Angehörigen diesen von manchen als unansehnlichen Anblick zu ersparen.
Das ist eben der Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
Mh, da muss ich dir widersprechen Undertaker…
Das Hochbinden mit einer Mullbinde bringt oft unschöne Einkerbungen an den Wangen, die nur mit Aufwand und nicht immer vollständig wieder wegzumassieren sind.
@Elanor: Ja wenn man es nicht richtig macht, dann schon 😉
Ich staune hier immer wieder, was da alles bedacht werden muss. An dieses Problem hatte ich jetzt gar nicht gedacht.
Ich kenne das auch nicht aus meiner täglichen Arbeit im Krankenhaus. Wir binden da nix.
Aber ich war im Zuge meiner Ausbildung mal beim Bestatter. Und da haben wir zugeschaut wie die Lippen zugenäht wurden. Ich weiß nicht ob das gang und gäbe ist aber die waren dort so brutal – Wahnsinn! Das sah aus wie im Horrorfilm.
lg