Der Organist hört auf zu spielen, es ist Zeit für die Traueransprache. Auf einen Trauerredner hat die Familie verzichtet.
„Das mache ich natürlich selbst“, hatte der Bruder des Verstorbenen gesagt, „ich habe immer schon nette Verse geschrieben und sehr viele Briefe verfasst, ich werde meinem Bruder eine schöne und würdige Rede schreiben, nicht sowas 08/15 von der Stange, wie das diese Trauerredner machen.“
Der Sarg ist aus poliertem Palisanderfurnier, goldfarbene Beschläge, alles hochglänzend. Der Blumenschmuck komplett in Weiß umfließt den Sarg förmlich.
Etwa 50 Leute sind gekommen, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen und warten jetzt darauf, daß der Bruder nach vorne ans Rednerpult geht und mit der Trauerrede beginnt. Vor der Trauerfeier war er, ein wenig an einen Gockel erinnernd, an der Tür der Trauerhalle auf und ab stolziert, hatte sich, mit seinem Manuskript in der Hand, als Zeremonienmeister betätigt und unsere Frau Halberstadt etwas rüde weggeschickt.
Frau Halberstadt ist eine Rentnerin, die sich hin und wieder etwas hinzuverdient, indem sie uns ihr nettes Äußeres und ihr freundliches Wesen vermietet. Sie betreut Trauerfeiern, legt die Kondolenzlisten aus und begleitet die Familien durch die Trauerfeier und zum Grab. Seit dem Tod ihres Mannes vor sechs Jahren ist sie unserem Haus verbunden, sie fand das damals so schön, wie eine andere Dame das bei der Trauerfeier ihres Mannes gemacht hat und fragte einfach, ob sie so etwas nicht auch machen dürfe.
Bei dieser Trauerfeier wollte Frau Halberstadt die engsten Angehörigen auf die reservierten Plätze in der ersten Reihe begleiten, doch der Zeremoniengockel wies sie barsch ab: „Gehen Sie mal schön an Ihre Kondolenzliste, um die wichtigen Sachen kümmere ich mich selbst.“
In der Trauerhalle sitzt sie immer vorne in der ersten Reihe ganz links außen etwas schräg auf ihren Stuhl, hat alles im Blick und kann nötigenfalls eingreifen. Ihr kennt ja den Spruch: Irgendwas ist immer.
Leises Hüsteln räuspert sich zu einem allgemeinen Husten empor, Unruhe in allen Reihen, die Leute scharren mit den Füßen, die Verschlüsse dutzender Handtaschen klicken nervös, doch der Bruder steht nicht auf, um die erwartete Trauerrede zu halten. Frau Halberstadt versucht Blickkontakt aufzubauen, doch der Bruder ordnet nur verzweifelt seine Unterlagen. Endlich schaut er auf, Frau Halberstadt nickt ihm zu, macht mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung Rednerpult, endlich hat der Bruder seine Zettelwirtschaft in der richtigen Reihenfolge und steht auf.
Die ersten Schritte in Richtung Rednerpult sind noch beschwingt, doch dann wirkt es, als laufe er auf einer mit Klebstoff bestrichenen Fläche, seine Schritte werden langsamer, er stockt, dann geht er wieder, dann ist er da. Seine Unterlagen legt er auf das Pult, atmet tief durch. Er braucht ein Taschentuch, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, dann beginnt er.
Das heißt er möchte beginnen, sagt nur: „Ähäm…“, hüstelt und schaut etwas hilflos aus der Wäsche.
Die Unruhe in der Trauerhalle nimmt zu, die Leute tuscheln. Frau Halberstadt hat eine kleine Flasche stilles Wasser in ihrer Tasche. Sie bringt die Flasche dem Bruder nach vorne ans Pult, der wirft ihr einen dankbaren Blick zu und Frau Halberstadt will sich wieder setzen, doch der Mann hält sie am Ärmel fest und flüstert ihr zu: „Ich kann nicht“ und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Lampenfieber!“
30 Euro bekommt Frau Halberstadt für ihre Mühen, da sind solche Einsätze eigentlich nicht mit abgegolten, aber sie weiß was zu tun ist. Sie bleibt einfach neben dem Bruder stehen, begrüßt in dessen Namen die Trauergäste und sagt aus dem Stegreif das was man in solchen Situationen so sagt. Daß man sich versammelt hat um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen, daß dies der Anlaß ist, sich gemeinsam an das zu erinnern, was man mit ihm erlebt hat und so weiter.
Nur drei, vier Sätze muß sie sagen, dann nickt ihr der Bruder, der neben ihr steht zu, er hat sich gefangen und Frau Halberstadt leitet mit einem Satz zu ihm über und setzt sich dann wieder.
Den Rest der Trauerrede bringt der Bruder leidlich hinter sich.
Später ist Frau Halberstadt bei uns im Büro, erzählt Frau Büser vom Erlebten und ich komme dazu und frage, wie es mit der Trauerrede des Bruders geklappt hat. In ihrer unnachahmlichen Art sagt Frau Halberstadt: „Um mit Mark Twain zu reden: Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Moment der Geburt an – bis zum Zeitpunkt, wo du aufstehst um eine Rede zu halten.“
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: anders, kommt, manchmal
Das alle sich das immer so einfach vorstellen. Es ist garnicht so einfach vor einer größeren Gruppe zu sprechen. Grad in so einem Fall nicht.
Ich kann das auch nicht wirklich gut und versuch immer mich vor sowas zu drücken….. Egal um was es geht.
dito
herrlich der spruch…den muß ich mir merken
ich würde in so einer Situation und dann noch als engster Angehöriger keinen Ton rauskriegen und mich niemals nicht freiwillig zum Reden halten bereit erklären
Das Zitat ist interessanterweise relativ apokryph, es ist je nach Quelle von George Jessel, Robert Frost, Ambrose Bierce… Nur: Quellen, die es Mark Twain zuschreiben, hab ich keine gefunden. 😉
hat der sich wenigstens bei der frau halberstadt erkenntlich gezeigt?
@Nightstallion: Ich bin jetzt zu faul zum Suchen. Aber bis dahin nimm einfach die Quelle hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lampenfieber
Sattelfest, der Undertaker. Kompliment! .-)
Wer auch immer es gesagt haben soll: ich finde den Spruch sehr gut, denn er stimmt oft!
so wie ich das gesehen habe, hat nicht undertaker im text das zitat laut twain gebracht sondern seine mtiarbeiterin und er gibt es nur wieder, wieso geht man dann so darauf ein
ich kann den redner übrigens verstehen, aber gut dass er es überwunden hat.
btw überall wo ich mit google lande wird mark wain zitiert bei dem satz, also entweder stimmt es, oder es hat sich der flasche verfasser festgesetzt in dne köpfen der menschen
Hm, der Verweis auf die Wikipedia ist als Quellennachweis ungeeignet – denn dort kann jeder beliebigen Unsinn schreiben, und es kann sich auch jede Minute ändern, was dort steht. Zumal die Quelle dort auch in keiner Weise belegt ist …
-thh: Schon richtig, aber auch hier kann jeder jeden Mist schreiben. Mal eben was in einen Kommentar getippert und schon soll es Fakt sein? 😉
Von Literatur hat er also auch keine Ahnung der Analtaker 🙂
Gröhl!
Jetzt ist es bewiesen das es nicht der Twain war.
leute, sachlich bleiben! letztlich gehts hier nicht um literaturgeschichte und korrekte quellenangaben, sondern um ein ganz normales menschliches verhalten, welches zudem passend kommentiert wurde.
mir isses absolut schnuppe, ob sich einstein, mark twain oder arnold schwarzenegger dazu geäussert hat! ich kann eure erbsenzählerei nicht ganz nachvollziehen!
Ich hätte bei der Beerdigung meines Vaters Orgel spielen sollen.
Ich habe aber gleich abgewunken. Mir war klar, daß ich das nicht schaffe. Bei Fremden ist es kein Problem, aber bei Angehörigen ist das eine extrem emotionale Belastung.
Als bei der Trauerfeier dann das erste Lied kam, konnte ich nichtmal mitsingen…
Nicht streiten Leute. Ist doch eh alles frei erfunden.
@Bloghouse: wohl wahr.
Aber trotzdem lese ich hier täglich mit und habe viel Spaß dran. Ist wohl das Äquivalent zum Märchen der „guten alten Zeit“. Wahrer Kern, viel drumherumgesponnen, schön erzählt und meistens ne gute Pointe am End‘.
Gruß ausm Officeblog (wo natürlich das ganze ganz ganz anders ist)
@Nightstallion: Guugel kaputt? Also ich kann außer MT keine andere Quelle finden, aber ich benutze auch meist Jahuu.
Wie sich’s auf Deutsch verbreitet, ist mir relativ wurscht — ich hab auf Englisch nach „brain great speech“ und Varianten davon gesucht und nix zu Twain gefunden, und der deutsche Wikipediaartikel gibt leider auch keine Referenz an, ist also als Quelle wertlos. (Stehe Wikipedia generell sehr positiv gegenüber, arbeite bei der Englischen auch viel mit, aber ohne Quellenangaben sind Informationen halt nicht viel wert.)
Um was geht es hier eigentlich? Weil eine zitierte Person falsch zitiert? Oder weil ihr euch über die Quellen eines Zitates uneinig seit? Oder um was?
Mal ganz ehrlich: Ist doch scheissegal wer das gesagt hat, die Frau die das Zitat brachte, hat den Nagel auf den Kopf getroffen.
Na wird auch zeit dass jemand diesem arroganten wiederlichen Schreiberling sein Handwerk legt.
Mal nach der Adresse googeln und vorbeifahren. Dem Arsch muss man in denselben treten.
Da haben sich ja wieder die richtigen Erbsenfic… äh …Korinthenkacker getroffen. Ist doch sowas von wurscht, von wem das Zitat nun stammt, ich fands sehr lustig und angebracht. 😉
achtung, ein weiteres zitat von mark twain:
Gott hat den Menschen erschaffen,
nachdem er vom Affen enttäuscht war.
Danach hat er auf weitere Experimente verzichtet…
so, und nun guhgelt, wikipediert und jahuht mal schön nach der quelle! :o)
……@Ma Rode…
ich liebe dich für deine kommentare, die ich alle (blind) unterschreibe..
hoffentlich bist du eine frau??
@liuginello: Pass auf, es gibt Nebenbuhler
Liebes Ma Rode,
das war Samuel Langhorne Clemens =^.^= oder sollte ich besser schreiben Mark Twain? Abacho ole grins
Es menschelt hier so schön
@Schwetzer,
ich habe ebenfalls großes Gefallen am MaRode =)
Was für eine Frage? Das stammt eindeutig von Twain.
Ich meine, wenn man jetzt nur das Internet als Quelle seiner Suche nimmt, findet man mit allen gängigen Suchmaschinen nur Twain als Urheber.
Da kann ruhig noch einer kommen und sagen: Interessiert mich alles nicht, das war von Dagobert Duck.
Ist von Twain, bleibt von Twain.
Dieser Satz hier von Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain ist jedoch wohl der treffenste für uns ALLE, oder?
„Wenn wir bedenken, daß wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt.“
[…] [Mark Twain – via Bestatterweblog] […]
Ach Gott, ihr habt Probleme…
Ich find’s Klasse, wie die Frau Halberstadt reagiert hat. Ich kann Lampenfieber nicht nachvollziehen, bin immer unbedarft auf jede Bühne gesprungen – aber bei so einer Trauerrede würde ich glaub ich schon im Vorfeld dankend ablehnen und das einem Profi überlassen. Andererseits: Nach dem Erlebnis mit dem unvorbereiteten phrasendreschenden Pfarrer bei der Trauerfeier meines Großvaters, der mich nur wütend gemacht hat… da wäre ich gern aufgestanden.
PS: Das Originalzitat ist übrigens folgendes: „The human brain is a wonderful organ. It starts to work as soon as you are born and doesn’t stop until you get up to deliver a speech. “ Als Urheber wird im englischsprachigen Bereich einzig Sir George Jessel angegeben. Den kennt in Deutschland nur leider kein Mensch, sodass – wie in vielen anderen Fällen auch – Mark Twain herhalten muss. Oder Ambrose Bierce. Andere Amerikaner können nämlich keine Aphorismen – meint die deutschsprachige Öffentlichkeit. Nunja…
Ich hab niemanden für rein gar nix kritisiert, ich wollte wirklich nur wissen, von wem das verdammte Zitat ist — ist das so schwierig, mich richtig aufzufassen?
@nightstallion: Gut so, wehr Dich. Die Tom-Leute müssen so lange vollgekotzt werden bis sie Scheisse kotzen! :-)))))
Wer hat den die Kiddies schon wieder reingelassen? 😀
::soifz:: Ich will hier weder irgendjemanden vollkotzen noch selbiges mir widerfahren sehen, sondern eigentlich nur wissen, ob irgendjemand eine verbindliche Quelle zur Herkunft des Zitats hat.
Die Dame ist ja unbezahlbar!