Heutzutage wissen die jungen Leute zwar, dass es HIV-Infektionen gibt und dass Menschen an AIDS erkranken können, aber sie können sich nicht vorstellen, was das Bekanntwerden dieser Krankheit in den 1980er für eine weltweite Diskussion bis hin zur Panik ausgelöst hat.
Als ab Anfang der 1980er Jahre HIV und AIDS1 in aller Munde war, waren es vor allen Dingen unwissende Münder, die sich da öffneten. Ich erinnere mich an ganz normale Fernsehkrimis, in denen eine Bettszene vorkam, die dann von einer volksbelehrenden Diskussionsrunde im verstaubt Öffentlich-Rechtlichen Stil gefolgt werden musste, um die Zuschauer vor den Gefahren der Ansteckung zu warnen.
Diejenigen, die kein AIDS hatten, teilten sich in drei Lager. Einmal waren das diejenigen, die auf irgendeine Weise zu einer der Risikogruppen gehörten, wobei unter anderem auch Dialysepatienten waren und solche Patienten, die eine Bluttransfusion bekamen. Die zweite Gruppe waren diejenigen, die meinten, das ginge sie alles nichts an, weil diese Krankheit sowieso nur Abartige, Drogenkriminelle und ohnehin ganz schlimme Menschen befällt. Die dritte Gruppe wurde aus denjenigen gebildet, die sich besser informierten, das Risiko für sich abschätzten und sich entsprechend verantwortungsvoll verhielten.
Am weitesten den Mund aufgerissen haben, so wie es heute vor allem im Netz immer noch ist, diejenigen, die überhaupt keine Ahnung hatten. Es ist ja nunmal so, dass mein Satz:
„Man soll nicht mit leerem Hirn sprechen!“
ungehört verhallt und sich immer diejenigen befleißigt sehen, ihre Meinung besonders lautstark zum Besten zu geben, die vom jeweiligen Sachverhalt überhaupt nichts wissen:
„Amazon: Lieber Kunde, können Sie einem Käufer diese Frage beantworten: „Wie breit ist der Gürtel?“ – Antwort: „Warum fragen Sie mich das, der Gürtel war ein Geschenk!“
„Ebay-Bewertung: Können das Pfefferspray nicht empfehlen, erstens brennt es auf der Zunge und zweitens schreckt der kleine Totenkopf auf der Packung die Kinder ab!“
Jura-Frage: „Die Schwester meiner Freundin putzt bei einem Anwalt, die könnte ich mal fragen…“
Wir kennen sie alle, diese Hohlbirnen und ihre dämlichen Antworten.
Nun gestehe ich der Menschheit zu, dass mit dem Aufkommen bestimmter Ereignisse anfangs noch große Verwirrung, Uninformiertheit und Unklarheiten vorherrschen. Es dauert immer eine Weile, bis sich nach den Hohlbirnen, allwissenden Journalisten, die sich gerne hinter Fragezeichenüberschriften verstecken, und vorlauten Öffentlichkeitsgeilen endlich die Sachkundigen zu Wort melden. Das kann umso länger dauern, je komplizierter ein Sachverhalt ist und umso länger es damit auch dauert, bis selbst die Sachkundigen durchblicken. Wir haben das alles während COVID hautnah selbst miterleben müssen.
Am Anfang von AIDS war das noch schlimmer. Denn hier hatten wir es mit einer Infektion/Erkrankung zu tun, die zwar jedermann treffen konnte, aber doch vorwiegend homosexuelle Männer und Drogenkonsumenten betraf. Damit eignete sich für die „Anständigen“ diese Krankheit ganz besonders, um mit einem ausgestreckten „Selbst-Schuld-Zeigefinger“ auf diese Gruppen zu zeigen. Vorherrschende Meinung: Selbst Schuld, wenn du schwul, drogenabhängig oder Afrikaner bist! Denn, dass in Afrika sich die Krankheit rasend verbreitete und eben nicht nur die erstgenannten Gruppen betraf, passte nicht so ganz ins Bild, also am Besten gleich mal mit in einen Topf werfen.
Arne war der erste Verstorbene mit AIDS, den wir Anfang der 1990er Jahre zu versorgen hatten. Oder sagen wir es so: Es war der erste Mensch, bei dem das bekannt war.
Mit rotem Kuli hatte der Arzt in dicken Blockbuchstaben AIDS auf die Todesbescheinigung und den Leichenschauschein geschrieben. Im Krankenhaus hatte man dem Verstorbenen mit Edding ebenfalls AIDS auf das linke Handgelenk geschrieben. Es sollte jeder auffällig vor der erhöhten Ansteckungsgefahr gewarnt werden.
Dabei wissen Bestatter in den seltensten Fällen ob ihre Verstorbenen infiziert sind und mit was. Hepatitis und andere Krankheiten können immer vorliegen und deshalb schützen sich Bestatter mit viel Desinfektionsmitteln, Handschuhen und Gesichtsmasken, sowie Wegwerfkleidung.
Arne wurde im Krankenhaus in einem separaten Raum gelagert, wir mussten spezielle Zettel unterschreiben und alles war fürchterlich dramatisch.
Aus Unkenntnis und ganz im Sinne deutscher Gründlichkeit und dem inneren Drang nach vorauseilendem Gehorsam folgend, mussten wir, ohne dass es dafür eine gesetzliche oder sonstige Grundlage gab, den Verstorbenen in mit Desinfektionsmitteln getränkten Tüchern in einem abgedichteten Sarg zur Trauerfeier bringen. Eine offene Aufbahrung wurde untersagt. Bei der Trauerfeier sprach ein freier Prediger, was zu dieser Zeit noch etwas sehr Ungewöhnliches war. Der zuständige Pfarrer hatte trotz mehrerer Terminvorschläge aus „unerfindlichen Gründen“ keine Zeit.
Das war so abgelaufen, dass wir beim Pfarramt angerufen hatten und die nette Gemeindesekretärin gleich in den Terminkalender geschaut hat. Der erste von uns genannte Termin passte und sie sagte ihn uns zu. Am Nachmittag rief sie dann aber an und sagte den Termin ab, der Herr Pastor habe übersehen, dass er zu der Zeit ein Traugespräch habe. Also mussten wir beim Friedhofsamt einen neuen Termin besorgen, das mit der Familie absprechen und erneut beim Pfarrbüro anrufen. Das gleiche Spiel wie zuvor: Erst Zusage, dann zwei Stunden später Absage…
Ich bin dann damals da hin gefahren. Als ich ins Pfarrbüro kam, klappte die freundliche Frau als allererstes das große Terminbuch zu, damit ich nicht sehen konnte, ob und was für Termine der Pastor noch frei hatte. Dann begann sie herumzudrucksen. Mehrmals schaute sie durch die Tür so an der Treppe hoch, dass der Pastor auch ja nicht im Treppenhaus war, dann sagte sie mit gesenkter Stimme: „Weil der doch einer von diesen Männern war, sie wissen schon.“
Ich meine, es wird doch ausgerechnet unser Verstorbener nicht der erste homosexuelle Mann gewesen sein, den der Pastor hat beerdigen müssen. Aber die Tatsache, dass der Mann an der „neuen Schwulenseuche“ verstorben war, und weil das auch noch bekannt geworden war…
Nein, ich muss etwas ausholen:
Ob Arne K. schwul war oder nicht, spielte für mich überhaupt keine Rolle. In Wirklichkeit hatte seine Mutter in einem Nebensatz eine Andeutung gemacht, die ich so hätte auslegen können. Aber tatsächlich wurde in keinster Weise das Thema Homosexualität angesprochen. Arne hatte AIDS und wie er sich diese Krankheit zugezogen hatte, war überhaupt kein Gesprächsthema. Für mich persönlich gab es keinen Zweifel, der Mann war schwul. Die „Community“, wie man heute sagen würde, die unter anderem zur Trauerfeier erschien und zahlreiche andere Indizien sprachen eine eindeutige Sprache. Ich will das aber hier nicht aufzählen, weil diese Indizien in so vielen Punkten typischen Schwulenklischees entsprechen und mir das in heutigen Zeiten negativ ausgelegt würde. Wer aber etwas Verstand besitzt, der weiß, was ich meine.
Aber nach außen hin war mit keinem Wort von Homosexualität die Rede.
Und trotzdem war es allen klar, wer diese Krankheit hat, der ist oder war schwul, Punkt. Und da der Mann bekannt war und ein aktives Leben geführt hatte, sprachen sich der Sterbefall und die tatsächlichen und vermeintlichen Umstände schnell herum.
Ja, und genau da setzte der Pastor jetzt also noch eins oben drauf. Es blieb natürlich nicht verborgen, dass er diese Beerdigung nicht machen wollte. Und das gab der ganzen Sache dann noch mehr Dampf unterm Kessel und befeuerte die Sensationslust vor allem derjenigen Leute, die das am allerwenigsten anging.
Die Familie des Verstorbenen bestand im Wesentlichen aus seiner knapp 80-jährigen Mutter, einer Schwester und einer Cousine. Schwester und Cousine beschlossen vorsorglich etwas über den Kopf der Mutter hinweg, dass Arne anonym bestattet werden sollte. „Mutti, da musst du kein Grab pflegen und nicht ständig auf den Friedhof rennen.“ Ich suchte noch den Blick der Frau und zögerte, das so einzutragen, aber schließlich nickte die Frau und stimmte zu.
Vorsichtshalber erwähnte ich nochmal, dass das unwiderruflich sei und man wirklich weder Ort noch Zeitpunkt der Beisetzung erfahren würde. Denn so ganz einfach ist das mit der „günstigen und bequemen“ anonymen Bestattung nämlich nicht. Viele, die sich zunächst dafür entscheiden, bereuen das später und es fehlt ihnen dann eine Stelle auf dem Friedhof, an der sie persönlich trauern können. So ein allgemeiner Gedenkstein für viele ist dann eben manchmal doch nicht genug.
Die Trauerfeier fand auf dem Hauptfriedhof in der großen Trauerhalle statt. Arne war so um die 50 Jahre alt geworden und damit doch noch recht jung. Und wer jung stirbt, zu dessen Beerdigung kommen meist etwas mehr Leute. Im Alter sind dann doch schon einige Weggefährten weggestorben.
Vorne stand der zugeklebte Sarg. Wegen der „Seuche“ hatten die Männer unsichtbar eine Silikonfuge am Deckel angebracht. Einige Trauergäste blieben vor der Halle. Das taten sie nicht, weil es drinnen so voll gewesen wäre, sondern auf Nachfrage „wegen der Ansteckungsgefahr“.
Tatsächlich erinnere ich mich an eine der damals von kettenrauchenden und weintrinkenden Journalisten veranstalteten Talkshows, in denen ein Anrufer einen der anwesenden Experten fragte, was denn wäre, wenn ein Dachdecker AIDS habe und dem ein Hammer aus der Hand fällt und einen Passanten am Kopf trifft, ob der dann AIDS bekommen könne…
Für mich war das ebenso absurd, wie die Behauptung einer damaligen Nachbarin, wenn eine schwangere Frau eine Maus sehen würde, bekäme sie garantiert ein Kind, das am ganzen Körper ein Fell hätte.
Einer der Friedhofsmitarbeiter hatte aus dem Deckel eines Schuhkartons und mithilfe eines roten Eddings ein Schild mit der Aufschrift: „VORSICHT AIDS“ gemalt und vorne am Sarg angebracht. Das hatte unser Mitarbeiter Manni aber entfernt, zerrissen und in den Müll geworfen.
Alles Weitere verlief ohne Komplikationen. Der Trauerprediger war zwar absolute Scheiße und trug seine Ansprache total auswendig gelernt vor, ohne irgendeine Form der Betonung, ohne Empathie, aber mit dem Bestreben, sein 300 D-Mark-Honorar noch in der Trauerhalle von der Mutter des Verstorbenen zu kassieren.
Trotzdem empfanden die Anwesenden die Feier als schön. Wir hatten einen großen Blumenkorb bereitgestellt und jeder, der wollte, konnte sich eine Blume nehmen, nach vorne gehen und sie auf den Sarg legen. Das haben auch so ziemlich alle gemacht.
Als wir den Sarg später zum Krematorium brachten, wurde er in einen separaten Raum geschoben, so als ob der Verstorbene noch andere Verstorbene hätte infizieren können.
In der Anfangszeit waren HIV und AIDS für viele Menschen Schreckgespenster. Die eigenen Unzulänglichkeiten lassen sich aber auch immer besonders gut kleinreden, indem man die Unzulänglichkeiten von anderen und seien es nur vermeintliche, aufbauscht und mit dem Finger darauf zeigt.
Mein Gott, und ich beginne so gut wie nie Sätze mit diesen Worten, es gibt soundsoviel Prozent homosexuelle Menschen. Das ist einfach so. Das ist so, wie es gelbe und blaue Pflaumen gibt. Oder anders: Menschen bestehen aus Milliarden von Zellen und Genen. Wieso um alles in der Welt sollte es da ausgerechnet nur eine bestimmte Zahl von sexuellen Orientierungen geben? Es ist natürlich im Sinne der Arterhaltung und der Fortpflanzung sinnvoll, dass immer zwei passende Individuen sich paaren. Aber das bedeutet doch nicht, dass das alle so machen müssen.
Genauso sehe ich das mit Menschen, die im falschen Körper geboren wurden. So etwas gibt es, keine Frage! Und diesen Menschen muss unbedingt ein Weg offenstehen, ihr Leben in der Form verwirklichen und befriedigt leben zu können, wie sie selbst es für richtig halten.
Aber ganz ehrlich, wenn man heute den Eindruck gewinnen muss, dass es quasi überall Transgender-Menschen gibt, dann frage ich mich, inwieweit das nicht das Produkt einer falschen Entwicklung ist. Das Geschlecht ist nicht etwas, das man wechseln kann, wie ein paar Schuhe. Jedes Jahr aufs Neue…
Und ob ein Mann in halbdurchsichtigen Frauenkleidern mit fünf Zentimeter langen Wimpern und auf zehn Zentimeter hohen Stöckelschuhen nicht nur die Karrikatur einer Frau darstellt und letztlich anderen damit einen Bärendienst erweist, ist auch so eine Frage, die ich mir immer wieder stelle.
Aber ich will hier nichts durcheinandermischen, wenn es auch so ist, das das eine immer irgendwie auch was mit dem anderen zu tun hat und ich die Grenzen eher fließend sehe. Das war auch gar nicht das Thema. Ich wollte nur mal erzählen, wie das so war, als AIDS in unsere Gesellschaft kam.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: AIDS, HIV
Die ganze Diskussion im Netz vermittelt (denke ich) dass es „viele‘ Transpersonen gibt. Im Alltag kenne ich nur eine, und diese ist eine Transfrau (Östrogengabe und OP) ich nehme sie auch als Frau wahr und nicht als Mann in Frauenkleidern. Wir sind schon 20 Jahre befreundet. Aber Internet u Realität sind ja 2 grundverschiedene Dinge, und die Allermeisten werden im Alltag nicht dauernd Transpersonen über den Weg laufen, weil es gemessen an der Gesamtbevölkerung ja ohnehin eine kleine Anzahl tatsächlicher Transpersonen gibt! Ich hasse diese zutiefst vergiftete Diskussion, gepusht durch Extreme, und genügend Transpersonen distanzieren sich von zu eifrigen Aktivisten. Und dann gibt’s noch Männer die schlicht gerne „feminin“ rumlaufen… Aber nicht Trans sind. Mir ist das komplett egal, wenn Jemand Frauenkleider trägt aber anscheinend männlich ist, dennoch darauf besteht eine sie zu sein u weiblich angesprochen zu werden, stört es mich nicht, ich halte die dann einfach für harmlose, schräge Vögel und nehme hin Denjenigen als Frau anzusprechen. Watt solls….. Ist (für mich) wie mit der Homosexualität, sucht sich Niemand aus, ist so fertig.… Weiterlesen »