Fundstücke

Neugierde

Passend zum gestrigen Artikel erreicht mich eine Mail von einem Bestatterkollegen aus dem tiefsten Kohlenpott. Auch er hat für einen Menschenauflauf gesorgt.

Voriges Jahr im Sommer, als die Temperaturen weit über 30 Grad waren, las ich in der Zeitung, dass es für die Feuerwehr und die Rettungssanitäter kein Mineralwasser mehr kostenlos von der Verwaltung gibt. Sparmaßnahme.
Mein Bestattungshaus hat ein gutes Verhältnis zur Polizei und zur Feuerwehr und auch zu den Rettungsdiensten. Man hat ja oft genug miteinander zu tun, und wie sagt man so schön: Eine Hand wäscht die andere.

Es ist doch immer besser, wenn man gut zusammenarbeitet und sich gegenseitig hilft, als wenn man gegeneinander arbeitet und sich Schwierigkeiten macht.

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Also haben meine Frau und ich unseren Getränkelieferanten gebeten, acht Kästen Mineralwasser mehr zu liefern. Dann habe ich bei der Rettungszentrale angerufen und Bescheid gesagt, dass ich für die Leute was zu trinken gekauft habe und als Geschenk zur Verfügung stelle.

Erst hatte ich am Telefon den Eindruck, als wenn die gar nicht richtig verstehen, was ich von denen will. Aber das war wohl dem Umstand geschuldet, dass man gar nicht mit einem solchen Anruf gerechnet hat.

Am späten Nachmittag klingelt es dann an unserer Tür. Wir wollten gerade Feierabend machen und nach oben in die Wohnung gehen.
Draußen standen ein Rettungswagen und ein mittelgroßer Löschwagen von der Feuerwehr.

Vier Leute kamen in unser Büro und haben die Kästen abgeholt. Meine Güte, was haben die sich gefreut!

Wir haben uns noch eine Weile unterhalten, so über die Sparmaßnahmen im Allgemeinen.

Als die wieder wegfahren wollten, gingen wir gemeinsam vor die Tür. Doch inzwischen hatten sich etwa 60 Personen eingefunden, die alle sehen wollten, weshalb Krankenwagen und Feuerwehrauto gekommen waren.
Unsere gesamte Nachbarschaft war auf den Beinen, manche hatten sogar ihre Kinder mit rausgebracht, damit die nichts verpassen. Überall wurden Handys in die Höhe gehalten, um ja auch alles auf Video festhalten zu können.
Ein Mann hob seinen Jungen sogar am Feuerwehrwagen hoch, damit der mal einen Blick ins Fahrerhaus werfen konnte.
Eine junge Frau stand vor dem Rettungswagen und filmte sich selbst, während sie das aufregende Geschehen für ihre Follower kommentierte.

Aber wie groß muss die Enttäuschung für die ganzen Schaulustigen gewesen sein, als es dann doch nichts zu sehen gab. Rein gar nichts!

Keiner wurde schwerverletzt abtransportiert, keine Flammen schlugen aus unseren Fenstern, keine Schläuche wurden ausgerollt.

Selbst als die Retter längst schon wieder abgefahren und wir wieder reingegangen waren, standen die Leute noch herum. Die konnten es einfach nicht glauben, dass nicht doch noch was passiert.

Wenn das ein richtiger Einsatz gewesen wäre, hätten die alle im Weg gestanden und die Rettungsmaßnahmen behindert.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#gaffer #Neugier #Neugierde #Schaulustige

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(©si)