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Nietenzähler und Pufferküsser (mal wieder)

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Vor ein paar Monaten haben wir Theo Thomas Tillig beerdigt. Herr Tillig war begeisterter Hobby-Eisenbahner und nannte eine große Modelleisenbahn sein Eigen. Diese hatte er seit seinem 40sten Lebensjahr in seinem Keller aufgebaut und das wurde von seiner Frau Ilona auch geduldet. Ihr machte es auch nichts aus, daß ihr Mann sich allabendlich eine Schaffneruniform anzog und mit einer Trillerpfeife seine kleinen Züge abfertigte.

Weniger einverstanden war sie damit, daß ihr Mann mit dem Eintritt in das Rentenalter sich einer Freizeitgruppe anschloss, die ein altes Abstellgleis von der Bahn kaufte und dort Loks und Wagen in Originalgröße restauriert. „Da kam der immer mit total dreckigen Klamotten nach Hause und machte mir nur noch Arbeit.“

Standesgemäß wurde Herr Tillig mit seiner Schaffnermütze auf der Brust und in seiner Bahnuniform beerdigt. Das hatte er sich so gewünscht und diesen Wunsch haben wir ihm gerne erfüllt.

Im Anschluß an die wirklich bewegende Trauerfeier, an der neben zahlreichen Verwandten auch eine Abordnung des Eisenbahnvereins teilnahm, kam der Vorsitzende eben dieses Vereins zu mir, schüttelte mir dankbar die Hand und lud mich zu sich und seinen Kollegen auf das Eisenbahnvereinsgelände ein: „Kommen Sie doch mal mit Ihren Kindern vorbei, wir sind jeden Tag ab 17 Uhr da.“

Schon vor ein paar Wochen war ich mit den Kindern im Wald und nachdem das Aussetzen derselben zum wiederholten Male nicht geklappt hat, saßen sie anschließend vergnügt mit mir im Auto und zufällig entdeckte ich ein selbstgemaltes Hinweisschild zum Gelände dieses Eisenbahnrestauriervereins. Das wäre doch was! Da könnte ich den Kindern mal zeigen, daß es außer kleinen elektronischen Helfern auch noch richtig große Technik gibt.

Man muß durch eine Kleingartenanlage fahren, hinter dem Gelände des Tennisvereins ein Stück über einen frisch gepflügten Acker fahren, dann durch das Freigelände eines Objektkünstlers. Wenn man dann die weitläufigen Anlagen der „Victoria 1861“ durchquert hat und neben der Minigolfanlage rechts abbiegt, dann kommt erst mal außer Wildwuchs und Brombeerhecken nichts mehr. Nur ein kleines gelbes Schild mit einer Lok drauf zeigt, daß man die Dornenhecke mutig durchfahren muß, um sich dann noch etwa 800 Meter über eine unbefestigte Schlammpiste zu quälen, schon ist man da.

Da bedeutet in diesem Fall, daß die Schlammpiste unvermittelt vor einem rostigen Tor endet. Da steht man dann und weiß nicht weiter. Keine Klingel, nichts. Ich hupte, ich klopfte am Tor, ich rief ‚Hallo‘, nichts.

Die Kinder waren sowieso enttäuscht, weil wir nicht zum amerikanischen Imbiss gefahren sind und freuten sich im Grunde, daß ihnen auch noch eine Technik-Lehrstunde erspart blieb, kleine Ignoranten!
Gerade wollte ich zurücksetzen und wegfahren, da ging dann das rostige Tor doch noch auf, ein kleines Männchen in schwarzer Arbeitskleidung mit einer ebenfalls schwarzen Schirmmütze auf dem Kopf schaute kurz heraus und entleerte schwungvoll einen Eimer mit irgendeiner jaucheartigen Flüssigkeit in die Brombeerhecke.

„Hallo!“ rief ich und er schaute angewidert zu uns herüber. „Ich wollte mich mit den Kindern mal hier umschauen. Wir sind eingeladen worden, uns mal die Loks und Wagen anzuschauen“, sagte ich zu ihm und zog die Kinder hinter mir her.

„Was? Hier bei uns? Angucken? Vielleicht sogar noch was anpacken? Nee, das hatten wir noch nie! Und dann noch Kinder, die machen ja alles kaputt!“

Sprach’s, knallte das Tor zu und das war’s mit unserem Besuch bei den Eisenbahnfreunden.

Das Tor war noch gar nicht ganz zugefallen, da saßen die Kinder schon wieder im Auto und sangen: „So ist McDonalds, Essen mit Spaß!“


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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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Undertaker J. A. Fox
15 Jahre zuvor

Wirklich schade, wenn man auf solche Zeitgenossen trifft. Einfach mal mit dem Vereinsvorsitzenden reden. Bei uns wäre das nicht passiert, da darf jeder gerne am Tor reinkommen, sich umschauen und auch mit anfassen, wenn er möchte. Und wenn die Kinder zu sehr toben und dabei ins Stolpern kommen, dann haben sie auch wieder etwas gelernt. Was kaputt geht, lässt sich reparieren und meist können wir die Kinder (auch die erwachsenen Kindsköpfe) rechtzeitig vorher bremsen. Nur wer sich gar nicht benehmen kann, geht auch bei uns schneller als erwartet wieder vom Platz.

Bianca
15 Jahre zuvor

Vor allem frage ich mich, was man an einer echten Lok aus Eisen und Stahl wohl kaputt machen könnte. Is ja keine Miniaturausgabe von Märklin, die beim Anschauen schon zuckt.

Roland
15 Jahre zuvor

Ich finde, dass die Besorgnis des Herrn am Tor durchaus berechtigt ist – so schnell, wie z.B. so eine (ICE-)Achse bricht…

Aber ernsthaft: Vereinsleben sind schon seltsam. Und viele Vereine haben so ein Männeken, das aufpasst, dass die Straße nicht geklaut wird. Zu wenig zu tun, vermute ich.

15 Jahre zuvor

Na wie freundlich, kannst ja den Einladenden mal darauf ansprechen… Aber ist ja auch nicht auszudenken wenn eines deiner Kinder so ne Kolbenstange von der Dampflok abbricht 🙂

Wat dat wieder kost!

Undertaker J. A. Fox
15 Jahre zuvor

@Bianca
Einfach mal an einem Handrad drehen, eine Bremse lösen oder festziehen, was niemand bemerkt, Werkzeug anfassen, mit dem sich Kinder verletzen können, da kann schnell etwas passieren, wenn man die Kinder nicht im Augenwinkel behält. Wenn Kinder in der Nähe sind, passe ich immer besonders auf das Werkzeug auf, Stecker von Bohrmaschinen etc. werden auch sofort gezogen, sobald ich die Maschine aus der Hand lege. Allerdings mache ich selber es mir auch einfach mit den Kindern, Werkzeug in die Hand drücken, mitmachen lassen, dann wird viel weniger „angestellt“.

Ich vermute, der kleine Schwarze wollte einfach nur Niemanden sonst an sein Spielzeug lassen. „Mein Förmchen, Du machst das bloß kaputt“ sagte er wohl schon im Sandkastenalter. 🙁

15 Jahre zuvor

einfach bei der nächsten Geldsammelaktion auf dem nächsten Dorffest mal drauf ansprechen …

„… und schon ist man da.“ find ich übrigens nett beschrieben
😀

DerBayer
15 Jahre zuvor

„Wer hat Angst vorn schwarzen Mann?“ „Niemand!“ „Wenn er aber kommt?“ Dann muss Tom wieder nach Hause fahren…

Mach Dir nichts draus. Wenn der freundliche Herr, der dich eingeladen hat, es ernst meint, kann man ja sicher auch einen Termin vereinbaren 🙂
Ich weiss nicht wie es bei deinen Kindern ist, aber ich fand Dampfloks als Kind immer total faszinierend (Typisch Junge?!)

Micha
15 Jahre zuvor

Du sprichst immer so liebevoll von deinen Kindern, das müssen brave, künstlerisch interessierte und bescheidene junge Menschen sein.
Wie Kinder eben so sind.

Ma Rode
15 Jahre zuvor

@7, ich finde Dampflocks noch immer faszinierend, und ich bin längst aus dem Kindesalter raus und dazu noch weiblich! 🙂

15 Jahre zuvor

@MaRode. Und ich finde Weibliche immer noch faszinierend, obwohl ich aus dem wilden Alter raus bin und keine Dampflok bin.

Anita
15 Jahre zuvor

Also ich fand das immer supertoll, wenn mir mein Papa was technisches erklaert hat.
Deine Kinder sind seltsam.

DerBayer
15 Jahre zuvor

@Tom

Stell Dir mal folgenden Sachverhalt vor: Das ist normal! :-O

Andreas Lechthaler
15 Jahre zuvor

Wahrscheinlich gibt es spzielle Kindertage an denen die empfindlichen Teilchen weggeräumt werden.
🙂 Lechthaler

Weißzahn
15 Jahre zuvor

Warum der Verstorbene von Tom wohl
[url=http://de.wikipedia.org/wiki/Tillig]Tillig[/url] genannt wurde… 🙂

15 Jahre zuvor

War es denn schon 17:00 Uhr durch?

MacKaber
15 Jahre zuvor

@ 14: das fiel mir auch gleich auf.
So so, der Herr Tillig ist gestorben……
Da sag ich jetzt nichts dazu.

Aber so ähnlich wurde ich eine Zeit nach der Wende in Schwarzenberg vergrault, als ich mich (damals selbst in so einem historischen Dampflokverein aktiv) informieren wollte.




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