Menschen

Nimm Seifenlauge

Eiche altdeutsch mit krüsseligem floralem Muster als Bezug, das ist das was mein Hintern am meisten zu sehen bekommt.
Es ist altbekannt, daß der Bestatter an sich ja lieber bei seinen Kunden in der Küche sitzt, als tief versunken im weichen Wohnzimmergesäßmöbel. Die auf altdeutsch getrimmte Eckbank ist damit wohl das am häufigsten „Besessene“.

Doch es gibt auch Couchgeschichten.

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Herr Löhninger beispielsweise reagierte auf meine Bitte, doch in der Küche oder am Esstisch Platz nehmen zu dürfen mit dem Hinweis auf seine Supercouch. „Ein Edelteil, das können Sie sich kaum vorstellen! Jeder Sitzplatz einzeln verstellbar, jeder Platz mit ausfahrbaren Beinstützen. Die ganze Couch umlegbar zu einem bequemen Bett, Kopfteil und Fußteil höhenverstellbar, da liegt man wie auf Abrahams Wurst!“

Keine Ahnung, was Abraham mit Wurst zu tun hat, aber er hat das definitiv so gesagt und selbstverständlich wollte ich seine Supercouch einmal sehen.

„Kommen Sie und staunen Sie!“ waren die Worte von Herrn Löhninger und er führte mich ins benachbarte Wohnzimmer. Da stand sie also, die Wundercouch in glänzend verchromtem Stahlrohr und…
…ja, was war das eigentlich? Leder? PVC? Lack-Kunststoff?

„Ja“, klärte mich Herr Löhninger auf: „das ist Nappaleder!“

„Sieht aber ein bißchen aus wie Plastik“, wandte ich ein.

„Das liegt daran, daß wir seit drei Jahren den Plastikfolienüberzug von der Fabrik noch nicht runtergemacht haben. Dafür sieht sie aber unter der Folie noch aus wie neu!“

Sicher, das ist gewiss auch eine Methode, wie man sein Sitzmöbel sauber und rein erhalten kann. Sie wird fast nur noch übertroffen von Frau Wessels, die sich eine Couchgarnitur aus hochweißem, feinem Cord gekauft hatte und seit 16 Jahren alles dicht mit bunten Wolldecken abgedeckt hat, die sie nicht einmal an Festtagen oder wenn Besuch kommt hochnimmt. „Nein, wenn wir mal nicht mehr sind, dann bekommt das alles hier unsere Tochter und die soll ja mal schöne Möbel bekommen.“

Bei einer anderen Familie, zu der ich spätabends gerufen wurde, gab es zwar einen Esstisch in der Küche, aber der war so mit Sachen beladen, daß wir doch alle im Wohnzimmer Platz nahmen. Ich durfte auf die niegelnagelneue Zweisitzercouch. Hochweiß!

Der Herr des Hauses fragte: „Ihre Hose färbt doch nicht etwa?“
„Nicht, daß ich wüßte“, antwortete ich wahrheitsgemäß und er beteuerte:
„Das ist Alcantara, da geht ja alles raus, aber man muß es ja nicht beschreien.“
„Genau“, sagte ich und hoffte, daß meine, schon mehrfach gereinigte, Anzughose dem guten Alcantara nichts anhaben würde.
Hatte sie auch nicht. C&A verkauft schon gute Stöffchen, oder war die von Peek & Cloppenburg? Nee, die habe ich schon länger, die war von Loosen. Gibt’s das noch? Bestimmt nicht mehr.
Gute Ware hält halt lang.

Jau, also zurück zum Alcantara-Zweisitzer.
Loosen-Hose und Alcantara von Kröger müssen sich nicht zwangsläufig vertragen, taten sie auch nicht.
Aber das lag nicht an der Hose, zunächst auch nicht am Alcantara, sondern an einem Viertelstück Sandkuchen, das mir von der Dame des Hauses direktermaßen aufgenötigt wurde. „Hier (ins Maul stopf) probieren Sie mal (kein Widerspruch mehr möglich)“.
Noch ehe ich irgendeine Frage beantworten konnte, noch bevor ich überhaupt mitbekommen hatte, daß Kuchen im Anmarsch war, noch bevor ich gemerkt hatte, daß sich die Dame des Hauses von halbschräg hinten näherte, da hatte ich dieses Stück Sandkuchen schon im Mund.
Okay, der Kuchen war ganz lecker und der Kuchen an sich war auch nicht schuld am Dilemma der hochweißen Alcantara-Couch. Nein, es war dieser hauchdünne, bitterschwarze Schokoladenüberzug auf dem Kuchen, der am ganzen Kuchen für gewöhnlich prächtig haftet, aber an Viertelstückchen mitunter eine Tendenz zum Abbröckeln zeigt.
Das zeigte er dann auch und erst als ich einmal aufstehen mußte, wurde das Grauenhafte offenbar: Ein Stückchen der Schokoglasur war mir bei der Kuchenattacke augenscheinlich in den Schritt gerutscht, von dort niederwärts unter den Po und von diesem dann mit etlichen Kilo und 37 Grad in das Alcantara eingebrannt worden.

Oh Grauen, oh Schreck, oh oh oh…

Er war ja ganz aus dem Häuschen, sie kaum weniger, aber immerhin rannte sie und holte einen Mikrofaserlappen und eine Sprühflasche. „Mit dem Spezialpflegemittel hier geht das sofort raus, Alcantara ist ja auch nach Jahren noch sehr dankbar und lässt sich leicht pflegen.“

„Ihr Wort in Gottes Ohr!“ dachte ich während ich das Bad aufsuchte, wo ich mich kaum so verrenken konnte, um mir selbst auf den Hintern zu gucken, um festzustellen, ob ich mich auch gesäßwärts mit der Schokopampe verspurt haben könnte. Da war aber nichts, nur ein kleiner Fleck im Schritt, den sah man aber nicht so ohne weiteres. Den Rest würde meine Reinigung schon richten.
Zurück im Wohnzimmer empfing mich die gesamte Trauerfamilie mit Leichenbittermiene (mein Benutzerwörterbuch schlägt vor: Leichenbuttermiene), die Hausfrau mit hochrotem Kopf und der Hausherr mehr als leicht konsterniert. Der Fleck wurde gewischt, gesprüht und berieben und verwandelte sich unterdessen zu einem wahren Kuhfladen. Nichts war es mit der Behauptung, das ach so dankbare Alcantara ließe quasi jeden Fleck von ganz allein verschwinden.

Er: „Das zahlen Sie mir!“
Sie: „Der MUSS doch rausgehen!“
Er: „Sind Sie versichert?“
Schwiegertochter: „Nimm Essigwasser!“
Schwiegersohn: „DER kann doch nichts dafür.“
Er: „Vorher war der aber sauber.“
Schwiegersohn: „Aber Mama hat ihm den Kuchen einfach so gegeben.“
Schwiegertochter: „Oder versuch’s mal mit Seifenlauge.“
Er: „Er hätt‘ ihn ja nicht essen müssen.“
Schwiegersohn: „Und wie hätt‘ er das vermeiden sollen?“
Sie: „Der wird ja immer größer?“
Er: „Wer?“
Sie: „Der Fleck.“
Er: „Ach so.“
Schwiegertochter: „Kann man das Polster nicht umdrehen?“
Sie: „Das probier ich mal, ich glaub das geht.“
Er: „Nee, lass mal lieber!“
Sie: „Ach was, das drehe ich jetzt einfach.“
Er: „NEIN, NICHT!“
Sie: „Was ist das denn für ein Fleck.“
Er: „Rotwein.“

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