Kurz vor Weihnachten hatte die Sterbefallquote sich nach oben bewegt. Die Zeitungen kündeten es mit mehreren Seiten von Todesanzeigen jeden Tag. Schon befürchtete ich, der Weihnachtsurlaub den ich immer von Heiligabend bis Heilige Drei Könige gebe, könne für den einen oder anderen Mitarbeiter ins Wasser fallen. Doch dann knickte die Kurve wieder ein und tatsächlich blieb es über Weihnachten ruhig.
Nach Weihnachten geschah dieses Jahr aber etwas Merkwürdiges: Es starben -aus unserer rein subjektiven Sicht- überraschend viele Griechen.
Weil wir vor ein paar Jahren mal einen griechischstämmigen Gastwirt wohl ganz ordentlich beerdigt haben, hatte sich das unter seinen Landsleuten herumgesprochen und seitdem scheint es mir so, als seien wir der Stammbestatter aller Griechen hier geworden.
So kommt es, daß wir immer mal wieder griechische Familien hier haben, was ich gut finde, weil diese Menschen unglaublich nett und gastfreundlich sind und trotz ihrer hohen Ansprüche überhaupt keine Schwierigkeiten machen. Außerdem sind sie -und das ist für einen Kaufmann ja durchaus auch von Belang- immer bereit ordentlich was auszugeben und wissen noch eine aufwendige Bestattung zu schätzen. „Das ist der Vater meines Vaters, er hat über 60 Jahre hart für die ganze Familie gearbeitet, vier Kinder hat er großgezogen, war der Großvater vom neun Enkeln. Er hat damals durch harte Arbeit im Stahlwerk den Grundstein dafür gelegt, daß es uns heute allen gut geht. Ja, da wollen wir ihn doch nicht in einer Apfelsinenkiste beerdigen. Es wäre eine Schande für uns, würden wir ihm nicht die Bestattung zukommen lassen, die ihm gebührt. Sein ganzes Leben haben wir ihn geehrt und geachtet, da können wir jetzt nicht sagen: Machen wir es so billig wie möglich.“
Auch wenn ich hier von ‚viele‘ und ‚oft‘ schreibe, so heißt das nicht, daß wir jeden Tag Griechen hier haben, aber es kommt halt -übers Jahr gesehen- immer mal wieder vor, aber eben mit gewissen Abständen. Jetzt aber, zwischen Weihnachten und heute waren es drei hintereinander.
Zwei Männer, eine Frau. Ein Mann und die Frau bleiben hier und werden ganz normal auf dem hiesigen Friedhof beerdigt. Griechen bevorzugen Erdbestattungen. Große Besonderheiten gibt es nicht zu berücksichtigen, im Prinzip unterscheidet sich die gesamte Zeremonie nur durch die Anwesenheit eines orthodoxen Geistlichen. Das gefällt mir persönlich übrigens besonders gut, ich war ja schon kein Freund mancher Neuerungen des zweiten vatikanischen Konzils und finde bei den Orthodoxen längst verlorengeglaubte Feierlichkeit und Erhabenheit wieder.
Der andere Mann wird nach Griechenland überführt und muß zu diesem Zweck einbalsamiert und luftdicht in einen Metall(innen)sarg eingelötet werden. Er darf dann noch einmal fliegen. In der Heimat wird ihn ein griechischer Bestatter übernehmen und schnellstmöglich auf einem Dorffriedhof bestatten.
Dazu fliegen die Angehörigen mit nach Griechenland. Eine geraume Zeit später werden seine Söhne wieer dorthinfliegen und der dann größtenteils verweste Leichnam wird ausgegraben. Man wäscht dann, so berichten mir die Söhne, mit gutem Wein die Gebeine des Verstorbenen sauber und wickelt diese in ein Tuch. Das daraus entstehende kindsgroße Bündel wird dann in diesem Fall überirdisch in eine Wand mit Grabkammern eingestellt.
Ich bin gerne Bestatter, wenngleich ich nicht verhehlen kann und will, daß die Arbeit manchmal auch sehr unangenehm sein kann. Sie ist manchmal so unangenehm, daß ich nur müde lächeln kann, wenn so viele Leute mir sagen, sie könnten das auch mal eben locker machen, nämlich einen Angehörigen für die Bestattung vorbereiten und da sei ja gar nichts dabei. Hier über etwas zu schreiben und es hier zu lesen, ja das ist eines; es dann aber auch zu tun, das ist etwas anderes.
Trotzdem. Es gehört alles zu meinem Beruf und dennoch bin ich froh, daß wir die Verstorbenen nicht nach vielen Monaten wieder ausgraben und ihnen das restliche Fleisch von den Knochen schaben müssen.
Ich esse übrigens kein Gyros mehr.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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wow. andere länder, andere sitten. interessant sowas zu lesen, aber ich stimme dir zu – zum glück haben wir diesen ritus nicht. arge vorstellung
Ja, genau!
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Ich esse übrigens kein Gyros mehr.
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Da fehlte ein wenig Niveau. 😉
Ansonten wie immer: 1 mit Sternchen. Interessante (und ja immerhin fast repräsentative) statistische Erhebung.
Schäm dich, Tom, du verneigst dich vor der Political Correctness. Da gibt es Särge aus Metallen … und dann gibt es bei dir plötzlich auch Särge aus Metallinnen! Schäm dich!
😉
Sorry – ich habs nicht verstanden. Was hatn das Gyors damit zu tun?
Hallo,
wenn der doch in dem luftdichten (Innen-)Sarg eingelötet ist – wie verwest der denn dann? Oder wird der in Griechenland vor der Bestattung erst „entlötet“?
Mal ne „ganz dumme“ Frage:
Was hältst Du von den Beinhäusern in manchen Gegenden? Ist doch der Beschreibung nach ziemlich ähnlich, z.B.: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:IMG_6085.JPG&filetimestamp=20080823172515
@6
Der verwest so wie alle anderen: von innen heraus.
Ähnlich so wie Matjes ‚reift‘ 😀
Details sind hier irgendwo nachlesbar.
Wozu vergraben die einen Sarg, wenn er dann kurz später wieder ausgegraben wird… Also das mit den Gebeinen kann man ja halten wie man will, aber man könnte den Sarg doch auch einfach überirdisch aufgebahrt lassen, oder? Vielleicht mit Einschränkungen bezüglich Temperatur und Klima.
Gyros kann ich eh nicht mehr essen. Seit ich von einer ZAHNmedizin-Studentin erfahren habe, wie Anatomiekurse durchgeführt werden. Die Leichen werden da wohl … nein, das jetzt zu schildern wäre zu krass. Schließlich hat der Blog keine Altersgrenze.
Für meinen Geschmack waren die Schilderungen jedenfalls deutlich, DEUTLICH widerlicher als alles bisher gehörte.
„Sorry – ich habs nicht verstanden. Was hatn das Gyors damit zu tun?“ Hmm- wahrscheinlich Fleisch abschaben?
Von diesem Brauch habe ich bisher noch nichts vernommen. Von Beinhäusern hab ich im Alpenraum schon gehört, aber das noch nicht. Ist das bei Griechen so üblich, oder nur in bestimmten Regionen, wo die Bodenverhältnisse nichts anderes zulassen? Gerne wüßte ich darüber mehr. Weiß jemand was?
@9, dann hoffe mal, dass du nie einem Tiermedizinstudenten begenest :p
@ MacKaber
schau mal bei Wikipedia nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Beinhaus allerdings steht in dem Artikel was von 20-40 Jahren.