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Zwei -3-

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Die Zwillinge sind weg. Die Schwester von Hans Petersens verstorbener Frau muß sich aufgeführt haben… Unglaublich!
Gegen Abend war sie mit ihrem -so schildert es Petersen- leicht unterbelichteten Mann Michael gekommen und Hans hatte sich über den Besuch von Schwager und Schwägerin gefreut. Doch statt ihm Hilfe anzubieten und ihm mit den Zwillingen etwas zur Hand zu gehen, hatte die Schwägerin Marlies ‚ein Fass aufgemacht‘.

Zuerst wollte sie mal über das Erbe sprechen, obwohl es da gar nichts zu erben gibt. Dazu muß man wissen, daß Petersens Frau vor anderthalb Jahren beim Tod ihres Vaters etwas geerbt hatte. Jetzt stellt sich ihre Schwester auf den Standpunkt, mit dem Tode der Schwester falle dieses Erbe nun an sie.

Sie sagte: „Es ist ja wohl bekannt, daß wenn in einer Ehe ein Ehepartner etwas erbt, das ganz allein diesem Ehepartner gehört und nicht automatisch auch dem Angeheirateten, das weiß ja wohl jeder.“

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Damit hat sie wohl Recht, das ist so, aber das bleibt nicht so. Denn wenn der Erbe dann selbst verstirbt, wird das was er einmal geerbt hat und was inzwischen sein Vermögen ist, zur Erbmasse und unter den Erben verteilt. Da Jutta kein Testament gemacht hat, fällt ihr Erbe, soweit ich das überschaue, an ihren Ehemann und die beiden Zwillinge.

Ich weiß, daß hier etliche Rechtskundige, auch Richter, Staatsanwälte und Anwälte mitlesen. Wie ist das eigentlich: Jutta hatte zum Zeitpunkt ihres Todes ja noch drei Kinder. Somit müsste ihr Erbe ja an den Ehemann und an drei Kinder gehen. Dadurch daß nun eines der Kinder ebenfalls verstorben ist, müsste ja dessen Erbe nunmehr auch verteilt werden, oder?
Aber das nur am rande.

Schwägerin Marlies jedenfalls glaubt, ihr allein stünde das alles zu, schließlich stamme der Wohlstand ja nicht aus Hans‘ Familie sondern komme von ihrer Seite, von ihrem Vater und dahin müsse das auch alles wieder gehen.
Und überdies sei Hans ja gar nicht in der Lage, sich um die Zwillinge zu kümmern, zumindest in seiner derzeitigen Verfassung sei nicht sichergestellt, daß die Kinder die Pflege und Zuwendung erhalten, die sie benötigen.
Völlig von der Situation überfordert, hatte sich Hans nicht gewehrt, als Marlies einfach beschloß, die Zwillinge mitzunehmen.

„Ist vielleicht wirklich das Beste und es ist ja nur vorübergehend“, sagte er.

Vielleicht hat er Recht, vielleicht gibt das aber noch jede Menge Ärger. Immerhin hat Hans jetzt Kopf und Hände frei, um die nächsten Tage hinter sich zu bringen.

Natürlich kam von Hans die Frage, ob es nicht möglich sei, Mutter und Kind in einem Sarg zu bestatten, aber er ahnte es schon selbst, daß das nicht gehen würde. Ich habe mit ihm alle möglichen -auch die nicht so ganz legalen- Möglichkeiten durchgespielt, bis hin zur heimlichen Beigabe der Asche des Kindes in den Sarg der Mutter usw.
Aber letztlich war es Hans Petersen wichtiger, alles ganz korrekt zu machen und keine Schwierigkeiten zu bekommen, als diesen besonderen Wunsch durchzusetzen.

Normalerweise sagt man ja, daß man bei so jungen Hinterbliebenen eher vom Ankauf eines Familiengrabes abraten sollte. Es muß über die Jahre zu oft kostspielig verlängert werden, bis dann irgendwann mal wieder eine Bestattung stattfinden wird. Aber ich verstehe, daß Hans ein Grab will, in dem irgendwann einmal auch seine sterbliche Hülle einen Platz finden wird. Die Kosten schocken ihn und deshalb ist er schon fast geneigt, doch lieber zwei einfache Reihengräber nebeneinander zu nehmen, dann will er aber noch ein drittes Grab in dieser Reihe für sich reserviert wissen. Die Friedhofsverwaltung wird das aber, da bin ich mir beim Gespräch mit Hans ganz sicher, sowieso nicht zulassen.

Doch manchmal überrascht die Verwaltung auch mich alten Hasen noch, vielleicht liegt es aber auch daran, daß wir vor einiger Zeit einen neuen Friedhofschef im Friedhofsamt bekommen haben. Es kommt nämlich etwas anders, als ich es erwartete. Auch beim Friedhofsamt hatte man vom Schicksal dieser jungen Familie gehört und überraschenderweise bietet man mir ein Stiftungsgrab an und das zu einem ebenso überraschend günstigen Preis.
Stiftungsgräber sind uralte Gräber auf dem Friedhof, die aufgrund ihrer Lage oder ihres besonderes Grabmales, manchmal auch wegen der Personen die früher dort bestattet waren, trotz längst abgelaufener Vertragszeiten nicht abgeräumt werden. Sie sollen möglichst lange erhalten bleiben, um den Charakter des Friedhofes zu erhalten, obwohl von der ehemals dort bestatteten Familie längst niemand mehr übrig ist, weder über- noch unterirdisch.
Solche großen, alten und ehrwürdigen Gräber sind sehr begehrt und mancher wohlhabende Bürger unserer Stadt läßt es sich schon zu Lebzeiten eine gehörige Stange Geld kosten, um so einen besonderen Platz zu ergattern. Man muß, um so ein Grab dereinst mal selbst belegen zu dürfen, schon lange vorher eine „Stiftung“, also eine Art Patenschaft dafür übernehmen und die Pflege des Grabes übernehmen.

In unserem Fall schlägt uns die Verwaltung aber vor, ein ‚zufälligerweise gerade dafür freies‘ Grab zu nehmen. Die Kosten liegen kaum über denen zweier Reihengräber und verlängern muß Hans die Grablaufzeit auch nie, da er es solange haben kann, wie er für die Grabpflege einsteht.
Hans ist begeistert von der Idee und morgen wollen wir gemeinsam auf den Friedhof, um uns das Grab anzuschauen.

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#zwei

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(©si)