Allgemein

P.P.

Die Abkürzung P.P. steht ja manchmal für ‚peinliche Panne‘ und genau so eine ist uns heute früh passiert. Um 8 Uhr hatten wir eine Beerdigung auf einem Dorffriedhof im Umland und um 8.20 Uhr gab es Großalarm bei uns.

Wie ist es dazu gekommen?

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Normalerweise gibt es hier in unserer Region Friedhofsämter und Friedhofsverwaltungen, die mit Argusaugen das Treiben der Bestatter überwachen und sehr darauf achten, daß die Bestatter ja keinen Handschlag machen, der ihnen nicht ausdrücklich gestattet worden ist.

Im Grunde endet unsere Tätigkeit mit der Ablieferung des Sarges am Friedhof. Ab da ist der Verstorbene in hoheitlichen Händen und wir haben auf den Friedhöfen nichts mehr zu suchen. Alles was wir dort dann im Rahmen der Trauerfeier treiben, etwa das Auslegen von Kondolenzbüchern oder die Begleitung zum Grab, die Ausgestaltung mit Musik oder das Aufstellen von Baldachinen und Stühlen, geschieht geduldetermaßen quasi weil wir Gast der Trauerfamilie sind.

Den Sarg zum Grab zu fahren und ihn ins Grab abzulassen, das übernehmen die amtlichen Sargträger der Verwaltung. Auf größeren Friedhöfen sind entsprechend viele Männer beschäftigt, die ansonsten Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten übernehmen und sich für die Beerdigungen dann in hellgraue Anzüge werfen und ein feierliches Gesicht machen.
Für kleinere Friedhöfe gibt es eine „fliegende Truppe“ an Sargträgern, die von Beerdigung zu Beerdigung fahren und den einzelnen Friedhofswärter unterstützen.

In anderen Regionen müssen die Bestatter sich selbst um die Träger kümmern und können entweder auf feste Teams zurückgreifen, die sich da ein paar Euro nebenher verdienen oder aber sie müssen selbst die Träger mitbringen und von Friedhof zu Friedhof fahren. Vom Bodensee habe ich mal einen Bestattungswagen übernommen, der hinter Fahrer- und Beifahrersitz nochmals eine 4er Sitzbank hatte, extra für die Träger.

Aber bei uns ist das ja nicht so, da brauchen wir uns um die Träger nicht zu kümmern. Wenn die Trauerfeier herum ist, betätigt der Redner oder Pfarrer einen verborgenen Signalknopf unter dem Rednerpult und dann kommen die Sargträger aus ihrem Verschlag und erledigen den Rest.

Der Friedhof, um den es hier geht, liegt nur 10 Minuten vor den Toren der Stadt in einer Gemeinde mit 20.000 Einwohnern. Bestatter Gregorius hat da das Sagen. Von der Gemeinde ist er, der auch einen Gärtnereibetrieb unterhält, mit nahezu sämtlichen Friedhofsarbeiten, auch dem Grabaushub, beauftragt. Deshalb muß man einen Sterbefall dort nicht nur bei der Behörde anzeigen, sondern auch bei Herrn Gregorius anmelden, damit der das Grab ausbaggert und auch sonst alles vorbereitet.

Jetzt betrachtet Herr Gregorius aber die Tätigkeit jedes anderen Bestatters auf „seinem“ Friedhof als Sakrileg und unerhörte Zumutung. Es ist für ihn schlichtweg unvorstellbar, daß jemand aus „seinem“ Dorf einen wildfremden Aasgeier aus der Stadt beauftragt.
Unser Kunde ist aber gar nicht aus seinem Dorf, sondern sein Vater hatte dort von 1936 bis 1945 gewohnt und wollte dort bestattet werden. Und deshalb sind die Leute mit dem Auftrag zu uns gekommen.

Schon die ersten Telefonate mit der Firma Gregorius waren nicht sehr vielversprechend. Beim ersten Mal hieß es, wir könnten keinen Verstorbenen auf den Friedhof bringen, der Chef sei auf einem Faßbieranstich und habe den Schlüssel für die Leichenhalle mitgenommen. Beim zweiten Mal war Gregorius im Schützenverein und beim nächsten Mal für den Gewerbeverein unterwegs.

Schließlich ist es uns doch gelungen, einen Termin mit Gregorius zu machen, den Verstorbenen abzuliefern und alles mit ihm abzusprechen.
Bei Gregorius kostet alles extra. Das Läuten der Totenglocke kostet 8 Euro, drei Lorbeerbäumchen auf jeder Seite des Sarges schlagen mit 44,80 Euro zu Buche. Immer wieder fragte er: „Braucht ihr sonst noch was?“ Eine Frage, die wir nur schlecht beantworten konnten, denn schließlich wäre es an ihm gewesen, uns zu sagen, was man dort vor Ort alles berücksichtigen muß.

Der Tote war abgeliefert, mit Gregorius alles besprochen und damit konnte die Trauerfeier stattfinden. Von uns war ein Mann abgestellt, um vor Ort alles zu überwachen.

Heute war also die Trauerfeier und um 8.20 Uhr drückt der Pfarrer auf den Knopf unter dem Rednerpult und vollautomatisch beginnt die Totenglocke zu läuten. Es vergehen 10 oder 20 Sekunden und der Pfarrer drückt nochmals auf den Knopf. Dann schaut er nervös hin und her, doch die Tür hinter der normalerweise die Sargträger warten, bleibt zu, es kommt keiner.

Nervöses Husten aus den Reihen der Trauergäste, erstes Getuschel wird laut.
Unser Mann geht nachschauen, der Aufenthaltsraum ist leer, es sind keine Sargträger da.

„Normalerweise müssten jetzt die Sargträger kommen“, sagt der Pfarrer entschuldigend zur Trauerfamilie.

Unser Mann ruft bei mir an, Großalarm!
Es sind 10 Minuten Fahrt, ich muß noch zwei Leute nehmen und schnell dorthin fahren. Das machen wir auch, es dauert aber fast 10 Minuten, bis wir was Einheitliches anhaben und losgefahren sind. Dann dauert die Fahrt 15 Minuten, es ist fast 9 Uhr bis wir da sind. Völlig abgehetzt springen wir aus dem Wagen, doch in der Trauerhalle ist keiner mehr.

Weiter hinten auf dem Friedhof sehe ich, daß die Trauergesellschaft schon am Grab steht. Mein Mitarbeiter kommt zu uns gelaufen. „Was ist los?“ frage ich ihn ziemlich aufgeregt. Er sagt: „Als keiner gekommen ist, bin ich zu den Herren in der ersten Reihe und habe gesagt, daß wäre doch ein schöner Akt, wenn die Söhne und Schwiegersöhne den Sarg zum Grab fahren und selbst ablassen. Das haben die dann auch gemacht.“

Guter Mann!

Nachher werde ich Gregorius mal interviewen und bin gespannt, was die Familie dazu sagt.

Bild: pixe lio.de / erysipel

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