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Schranke

Georg ist 58 Jahre alt und hat nur noch ein Auge. Ich weiß nicht, zu wieviel Prozent man dann schwerbehindert ist, aber die Stadtverwaltung ist ja dafür bekannt, daß sie Schwerbehinderten eher einen Arbeitsplatz bieten kann, als private Arbeitnehmer. Das Spektrum an Stellen ist einfach viel größer.

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Den Job, den Georg macht, hat er seit zwölf Jahren und er macht ihn gut. Sein Arbeitsplatz ist ein beheiztes Häuschen mit angegliedertem WC. In diesem Häuschen hat sich Georg für seinen langen Arbeitstag eingerichtet, ein bequemer Sessel, ein Radio, ein Minikühlschrank mit einer Kaffeemaschine oben drauf, eben alles was man so braucht.

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Seine Arbeit besteht darin, immer dann auf einen Knopf zu drücken und dadurch eine Schranke zu öffnen oder zu schließen, wenn ein Bestattungswagen, Gärtnerauto oder ein Steinmetz mit seinem Transporter auf den Zentralfriedhof fahren will. Unberechtigte weist er durch ein mehr oder weniger freundliches Winken ab.

Georg ist nett und das ist mit ein Grund dafür, daß er bei allen Bestattern sehr beliebt ist. Er kennt alle und jeden und ist stets für ein kleines Schwätzchen gut. Von ihm erfährt man so allerhand über die Gepflogenheiten der Konkurrenz und ich selbst füttere ihn seit Jahren gezielt immer mal wieder mit Fehlinformationen, die er treu und brav meinen Kollegen weitererzählt.

Vorgestern Morgen hatte ich ein Schreiben von der Friedhofsverwaltung in der Post. Dem Schreiben war einige schöne grüne Aufkleber beigefügt, die laut Brief jeweils einen RFID-Chip enthalten. Transponder nennt der Friedhofschef das Ding und wir sollen es an die Windschutzscheiben unserer Autos kleben.
Dadurch kann Georg eingespart werden, denn ab März sei die Schranke am Zentrafriedhof so geschaltet, daß sie automatisch öffnet, wenn sich ein Auto mit Transponder nähert.

Am frühen Nachmittag bin ich bei Georg gewesen und das Erstaunliche ist, daß er noch gar nichts von der Änderung wußte, mit ihm hatte jedenfalls noch keiner gesprochen. Mir war es unangenehm, derjenige zu sein, der ihn als Erster darauf ansprach.

Gestern ruft mich ein Kollege an. So gehe das doch nicht und er schlage vor, daß wir Bestatter die Transponder-Aufkleber nicht in unsere Autos kleben. Georg gehe nämlich Mitte nächsten Jahres in Rente und dann wäre es doch immer noch Zeit, die Schranke zu automatisieren.

Na gut, da machen wir mit.
Ich bin ja mal gespannt, wie dieses Kräftemessen mit dem allmächtigen Friedhofschef weitergeht.

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