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Seebestattung für Herrn Wiegand

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Gerade ist Frau Wiegand weg, sie hat den Tod ihres 72jährigen Mannes zu beklagen und ist sehr froh, daß wir alles für sie übernehmen. Ich höre das immer wieder: „Was? Das machen Sie auch? Das ist ja prima!“ Alles in Allem ist Frau Wiegand bis jetzt sehr zufrieden, denn als sie in mein Büro kam, erweckte sie zunächst den Eindruck, als habe sie da einen ganz besonderen Wunsch, der wohl nur schwer zu erfüllen sei.

Da war ich mal gespannt und rechnete schon mit irgendeiner Extravaganz, wie zum Beispiel der Verstreuung der Asche vor dem Reichstag oder so. Aber dann kam heraus, daß sie nur eine Seebestattung wünscht. Ha! Das ist doch nichts Besonderes! Aber gut, ich lasse es mir nicht anmerken, daß wir das mit Leichtigkeit bewerkstelligen können.

Herr Wiegand wird nachher vom Krankenhaus abgeholt und zwar direkt mit dem einfachsten Sarg, den wir haben. Niemand wird ihn zu sehen bekommen. Nach einer kurzen hygienischen Versorgung und dem Einkleiden in ein einfaches Totenhemd bringen wir den Verstorbenen dann direkt zum Krematorium. Wenn später am Tag alle Papiere vorliegen und alles gut geht, kann er im Laufe dieser Woche noch eingeäschert werden.

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In der Zwischenzeit machen wir die Sache mit der Seebestattungsreederei klar. Frau Wiegand wünschte sich für ihren Mann eine Seebestattung in der Nordsee. Da haben wir eine Reederei, die das besonders gut macht und mit denen will ich telefonieren.

Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß Seebestattungen nur für Seeleute in Frage kommen. Im Grunde kann jeder diese Bestattungsform für sich wählen. Manche Kommunen verlangen einen Nachweis, daß der Verstorbene das gewünscht hat, deshalb lassen wir von Vorsorgepartnern beispielsweise immer handschriftlich den folgenden Absatz auf der Vollmacht ergänzen: „Ich wünsche eine Feuerbestattung mit anschließender Beisetzung der Asche auf hoher See. Ich habe eine besondere Verbundenheit zum Meer. Dies ist mein freier und ausdrücklicher Wille.“

Hier bei uns hat zwar noch nie irgendein Behördenmitarbeiter nach einer solchen Erklärung gefragt, aber es könnte ja immerhin passieren, daß da irgendwann mal ein Neunmalkluger anfängt oder daß der Vorsorgepartner mit seiner Vorsorge in eine andere Stadt umsiedelt, woe das strenger gehandhabt wird.
Liegt eine solche Erklärung nicht vor, genügt aber auch die glaubhafte Versicherung der Hinterbliebenen.

Frau Wiegand hatte die Wahl zwischen vier Urnen, die von der Seebestattungsreederei angeboten werden. Diese Seeurnen bestehen aus einem Material, das sich innerhalb von etwa 20 Minuten am Meeresgrund zersetzt (Sand, Salz usw.) und schließlich ein kleines Häufchen Asche auf dem Sediment des Meeresgrundes übrig lässt. Da verteilt sich nichts in alle sieben Weltmeere, wie manche glauben und es wird auch keine Urne am Ufer angeschwemmt, weil sich in den Seeurnen, im Gegensatz zu den Schmuckurnen für herkömmliche Bestattungen, nur die Asche und keine metallene Aschenkapsel befindet.

Zuerst hatte sich Frau Wiegand für eine graue Urne entschieden, die aussieht wie Granit, dann stutzte sie aber bei dem doch recht hohen Preis, weshalb ich ihr eine Alternative vorschlug. Wir haben nämlich eine Urne aus Zellstoffmaterial, die sich anfühlt wie Eierkarton, aber aussieht wie Stein. Diese ist ebenfalls für Seebestattungen geeignet und kostet nur einen Bruchteil. Die hat Frau Wiegand dann genommen.

Wenn Herr Wiegand eingeäschert ist, holen wir die Aschenkapsel im Krematorium ab und senden die Seeurne und die Aschenkapsel zur Seebestattungsreederei. Da Frau Wiegand eine begleitete Seebestattung bestellt hat. ist die Sache etwas komplizierter als sonst.
Besonders üblich sind nämlich aus verschiedenen Gründen die so genannten stillen Seebestattungen. Das bedeutet, daß bei diesen Urnenbeisetzungen auf hoher See niemand von der Familie dabei ist.

Wann immer das Wetter es zulässt, fährt der Kapitän dann mit seinem Schiff hinaus und setzt mehrere Urnen unmittelbar nacheinander im Meer bei. Von „unserem“ Kapitän weiß ich, daß er das gemeinsam mit einem Matrosen sehr sorgfältig und würdig macht. Aber für diese stillen Akt wird weder das Schiff besonders vorbereitet, noch trägt die Mannschaft besondere Kleidung oder treibt sonst irgendeinen größeren Aufwand.
Bei anderen Seebestattungsreedereien wird gemunkelt, daß es da auch welche gibt, die 40-50 Urnen in einem Rutsch einfach über Bord werfen. Das macht unser Käpt’n anders. Er gibt jede Urne einzeln ins Meer. Das ist schon mal was.

Bei einer begleiteten Seebestattung sieht die Sache anders aus.
Hier fährt der Kapitän nur mit einer Urne und den Angehörigen dieses Verstorbenen hinaus. Während bei einer stillen Bestattung ja nur die seeerprobte Mannschaft an Bord ist, fahren hier die Angehörigen mit. Deshalb kann die Fahrt auch nicht bei jedem Wetter und Seegang erfolgen, was ein Risiko mit sich bringt. Denn es kann passieren, daß die Familie tagelang in ihrer Pension warten muß, bis die Wetterbedingungen eine Beisetzungsfahrt möglich machen. Das wird Frau Wiegand einkalkulieren müssen.
Denn manch eine Witwe bzw. Witwer hat schon unverrichteter Dinge wieder abreisen und die Urne doch still beisetzen lassen müssen, weil das Wetter nicht mitspielte.

Wollen wir hoffen, daß Frau Wiegand einige Tage Zeit mitbringt und daß die Seebestattung stattfinden kann. Dann nämlich werden der Kapitän und seine Mannschaft das zu einem unvergesslichen Erlebnis für sie machen. Die Urne wird unter Deck in einer Nische stehen, durch Strahler beleuchtet und mit Blumen geschmückt. An Bord wird dem Anlass entsprechende Musik gespielt und die Angehörigen werden betreut. Selbstverständlich hat sich der Käpt’n in Schale geworfen, wenn es dann soweit ist.
Das Schiff wird einen engen Kreis um die geplante Beisetzungsstelle fahren, die Urne wird an Deck gebracht und die Angehörigen und die Mannschaft nehmen Aufstellung. Alsdann wird der Kapitän eine Rede halten und dann wird die Urne an einem Seil ins Meer gelassen.
Je nach Reederei wird wird die Schiffsglocke geläutet, Musik gespielt oder die Seemanspfeife geblasen. Unmittelbar nachdem die Urne versunken ist, wird ein Blumenkranz ins Wasser geworfen, der noch eine Weile um die Stelle herum schwimmt, wo vorher die Urne versunken ist.

Auf manchen Schiffen wird die Nationalhymne gespielt oder der Trauermarsch, man kann selbstverständlich auch selbst Musikstücke auswählen oder CDs mitbringen.

Nachdem der Kapitän die genaue Position der Beisetzung ins Logbuch eingetragen hat, nimmt er auch eine Eintragung auf einer Seekarte vor, die den Angehörigen ausgehändigt wird. Außerdem erhalten sie eine Seebestattungsurkunde, die die Beisetzung bestätigt.

Auf der Rückfahrt kann an Bord des Schiffes das gemeinsame Kaffeetrinken stattfinden.

Wie die Seebestattung im einzelnen abläuft, hängt natürlich auch von den Wünschen der Angehörigen ab. Es ist durchaus möglich, daß weitere Anwesende eine Rede halten oder beim Ablassen der Urne mitwirken, daß Familienmitglieder selbst Blumen ins Meer werfen oder daß ein Geistlicher mitfährt usw.

In Anbetracht des deutlich höheren Aufwandes bei einer begleiteten Seebestattung sind die Kosten auch entsprechend höher.

Alles in allem rechnet sich aber eine Seebestattung auf jeden Fall, vor allem wenn man die günstige stille Variante wählt. Man muß kein Grab kaufen, keinen Grabstein, hat keine Folgekosten für die Grabpflege und kann im Vorfeld schon den möglichen Preisvorteil der Einäscherung in Anspruch nehmen.

Aber was macht man nun mit den Nachbarn und Verwandten daheim, wie und wo kann man trauern und kann man die Stelle wiederbesuchen?

Beginnen wir mit der letzten Frage: Anhand der Seekarte die man bekommen hat, dürfte es kein Problem sein, immer mal wieder die entsprechende Stelle aufzusuchen. Möglicherweise bietet die Seebestattungsreederei auch Gedächtnisfahrten an, dort sollte man sich zuerst erkundigen.

Nun zur Frage der Trauerfeier: Man kann natürlich auch vor der Einäscherung eine ganz normale Trauerfeier mit dem Sarg machen. Dann verläuft alles bis zur Urnenbeisetzung völlig normal, eben so wie bei einer Feuerbestattung üblich. Allerdings ist ein Teil des Kostenvorteils dann durch die recht teure Benutzung der Friedhofseinrichtungen dahin. Manche Kommunen verlangen sogar dafür noch einen Zuschlag, weil man kein Grab dort gekauft hat. Alternativ könnte man stattdessen einen Trauergottesdienst in der Kirche machen und nur ein Foto des Verstorbenen aufstellen.

Ob, wie und wo man trauert, ist eine Frage der persönlichen Einstellung. In jährlichen Abständen finden an der Marinegedenkstätte in Laboe Erinnerungsfeiern statt, an denen man teilnehmen kann. Allerdings bieten auch viele Kirchengemeinden in zahlreichen Städten Gedenkgottesdienste für anonym Bestattete an. Wenn es so etwas noch nicht gibt, könnte es sinnvoll sein, seinen Pfarrer einmal darauf anzusprechen, ob er nicht im Rahmen der herbstlichen Totengedenktage bereit ist so eine Andachtsfeier einzuführen oder eine ohnehin veranstaltete Feier um diesen Aspekt zu erweitern.
Darüberhinaus sind ja nicht nur die Angehörigen von Seebestatteten mit dieser Frage konfrontiert, sondern alle die jemanden anonym bestatten liessen.
Wer Wert auf einen Ort des Trauerns als Anlaufstelle legt, sollte sich bei der örtlichen Friedhofsverwaltung erkundigen, ob es nicht auf einem Friedhof extra für diese Fälle eine spezielle Gedenkstätte gibt, an der man ggfs. auch mal Blumen ablegen kann.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

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